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Der Anfang der Wandlung Israels 45
eigenen Kapitel seines Orientbuchs Der Kampf um das Heilige Land aus der fünfjähri-
gen Amtszeit Sir Samuels zieht, fällt dementsprechend negativ aus.60
Eine Mittlerrolle zwischen den Juden und den Arabern spielt in Weisls Roman auch
eine weibliche Figur : die aus Tanger stammende, anfänglich mit Georges Farughi liierte
jüdische Tänzerin namens Lia Antabi. Angesichts der mörderischen Parolen der Ara-
ber verlässt sie jedoch ihren Liebhaber, um ihre jüdischen Freunde vor den drohenden
Angriffen der Araber zu warnen und sie schließlich zu retten – wie einst die biblische
Esther im persischen Reich gegen den Judenschlächter Haman.
Auf die Horizontverschmelzung mit dem biblischen Buch Esther wurde schon am
Beispiel des Purim-Fests in Tel Aviv hingewiesen, das die Helden von Metulla, Eldad
Schu’al, Ben Zwi Steinberg, der Spaniole Elieser Danon und der Steinbrucharbeiter
Harzwi, denen sich der Chauffeur Hebroni hinzugesellt, mit ihren Gefährtinnen in
überschäumender Freude und Herzenslust feiern : mit Hanna, Lia Antabi und der aus
Böhmen eingewanderten »blau-weißen«61, deutschsprachigen Abenteurerin Hella Kör-
ner, die sich erst jetzt, beim Purim-Fest, ihrer jüdischen Identität so richtig existentiell
bewusst wird.
Mit auffallender Vorliebe verwendet Wolfgang von Weisl biblische Vorbilder fĂĽr die
heroischen Juden seiner Gegenwart, um deren politische Ziele zu legitimieren. In sei-
nem späteren Journal Der Weg nach Latrun (1946) sind es z. B. Moses und Jiftach ha
Giladi, die beide als militärische biblische Ahnherrn der revisionistischen Zionisten,
namentlich Jabotinskys, herangezogen werden (LWV 98Â f., 426Â f.). Im Roman Der An-
fang der Wandlung Israels begrĂĽndet Eldads Geliebte Hanna ganz generell dieses nar-
rative Verfahren, als sie zu verstehen beginnt, »dass diese Geschichten der Bibel nicht
ohne Zusammenhang sind mit denen, die von seinen [Eldads] Heldentaten erzählen«
(AWIÂ 226). Dessen hĂĽnenhaftes biblisches Vorbild ist der vielfach mit ihm expressis
verbis verglichene Philistertöter Simson, zwanzig Jahre lang Israels Richter, der selbst
den Tod nicht scheute, um sich an seinen Feinden fĂĽr die Blendung seiner Augen zu
rächen und sie in möglichst großer Zahl mit in den Tod zu reißen. Zukunftsgewiss
sieht Hanna ihren Geliebten »im Kampfe […] sterben, den unfassbaren Schlachtruf des
gewaltigsten Hassers [Simson] brüllend : ›Tamut nafschi im haphilischtim ! Mag selbst
meine Seele sterben und nicht nur mein Körper – aber sterbend möge sie den Tod der
Feinde schauen !‹« (AWI 226).
Von der Gestalt des biblischen Simson, der sich in den 1920er Jahren auch bei ande-
ren zionistischen Schriftstellern bemerkenswerter Beliebtheit erfreute62, ist das ĂĽber-
60 Der Kampf um das Heilige Land (Anm. 13), S.Â
222–229.
61 Blau-weiĂź (siehe Sachregister, S.Â
347).
62 Vgl. beispielsweise die Romane Jabotinskys (Richter und Narr, 1927) und Felix Saltens (Simson. Das
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355