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Der Anfang der Wandlung Israels 165
sein durch jämmerliche Jahrhunderte duldend weiterzuschleppen. Dieser Kampftrieb
peitschte Eldads Blut, Unerhörtes zu wagen, irgendetwas, das dieses Bodens würdig sein
sollte. Wie der Makkabäer, der den Kriegselefanten des feindlichen Feldherrn in der
Mitte seines Heeres erstach. Wie Simson, als er die Tore der feindlichen Festung stahlÂ
…
Rasch hintereinander zog er ein paar Mal tief die feuchte Nachtluft ein. »Der Wind
wehte vom Norden, uns in die Seite. Gut und schlecht. Gut – denn die Araber werden
uns nicht hören, und ihre Hunde werden uns nicht wittern. Und schlecht – wenn wir
nicht die dicke Luft und den verbrannten Dünger ihrer Lagerfeuer riechen, können
wir an ihnen vorbeilaufen.« Er wandte sich plötzlich um : »Du hast doch nicht Furcht,
Danon, noch eine halbe Stunde weiterzugehen, um Ibrahim Beg zu suchen ? Auch wenn
wir dann sicher sind, nicht zurückzukommen ?«
Danon schwieg. Schwieg so nachdrücklich, dass Eldad sich beschämt fühlte. Wie ein
Bruder stand er neben Danon. Seine Vorfahren waren vielleicht vor zweitausend Jahren
von hier als Sklaven in die Donauprovinzen des römischen Imperiums weggeschleppt,
die Ahnen Danons nach Spanien oder Mauretanien verkauft worden, aber jetzt standen
ihre Urenkel wieder auf Väterboden nebeneinander : der Spaniole ruhig, fast entsagend,
mit jenem Fatalismus, den spanische Juden in vier Jahrhunderten TĂĽrkenherrschaft
von ihren osmanischen Gebietern erlernt hatten. Auf Eldad aber wirkte die Nähe der
Gefahr berauschend. Der Geruch des Lagerfeuers Ibrahim Begs hing noch unter dem
breiten Geäst des Karubbaumes und erregte ihn wie ein starkes Parfüm.
»Danon«, rief er lauter, als Klugheit erlaubte. »Danon ! Dam tachat Dam, Blut am
Blut. Sie haben Trumpeldor mit einer Handgranate erschlagen – wir werden ihnen
Handgranaten ins Lager werfen. Dam tachat Dam !«
Danon zog seine Abbaye zurecht. »Gehen wir«, sagte er ruhig. »Araber werden wir
finden. Was weiter kommtÂ
– Allah yarif !« Fast unbewusst hatte er arabisch gesprochenÂ
–
die Sprache seiner Kindheit. Allah yarif, Gott weiĂź es ! Der Gott, der den Einen von
ihnen vom Kaukasus, den Anderen von Griechenland in die Heimat gebracht hat, um
den Tod eines Dritten zu rächen, der aus der Krim über die Mandschurei und die Dar-
danellen den Weg zum Jordan gegangen war.
Die beiden Männer wanderten durch die Nacht. Eldad liebte sie, diese traumhellen
Vollmondnächte Galiläas, in denen alle Schatten wie in Milch getaucht sind, wo Berg
und Tal, Himmel und Baum, Erde und Stein nur in Tönen verschieden, ein ewiggleiches
Farbgemisch von Blau und Rot und Silber schenken. Aber heute wäre er zufriedener,
wenn die Nacht am Fuß des Hermon mehr europäisches Dunkel und weniger Büchsen-
licht für arabische Schützen geboten hätte.
Wohl kreisen um den hohen »Berg des Alten« Nebel, und dann und wann streichen
silberweiĂźe Wolken, vom Nordwind gejagt, ĂĽber den Mond, aber es ist trotzdem unge-
mĂĽtlich hell, als sie, ungedeckt ĂĽber eine Art Pass auf dem Wege nach Banias schreitend,
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355