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Der Anfang der Wandlung Israels 167
Es war das Lager Ibrahim Begs, aber der Beg mit seinen Drusen fehlte, er war nach
dem Mardsch geritten, um die Christendörfer zu plündern. In seinen Zelten nächtigten
die Häuptlinge, denen die Belagerung Metullas anvertraut war und die, wie alle Araber
Syriens unter türkischer Herrschaft kriegsfremd geworden, nicht einmal Wachen aus-
gestellt hatten.
In wilder Freude leuchteten die Augen Danons. Langsam ließ er sich auf die Knie
nieder, kroch ungeschickt auf die grauen Dreiecke zu, die spitz in den dunklen Him-
mel starrten. Minutenlang währte es, ehe Danon sich vom ersten zum zweiten Zelt
wandte, und noch länger, ehe er Eldad zu sich winkte, dem wild der Puls in Hals und
Ohr pochte. »Drei Männer sind in jedem Zelt. Anführer, alle haben Revolver und Ge-
wehre. Und zwei Offiziere der Armee Feisals«, murmelte er. Eldad zischte durch die
Zähne : »Du rechts, ich links – zwei Handgranaten hinein, dann zu den Pferden und
nach Hause !« Der Spaniole nickte : »Blut um Blut«, flüsterte er und dann inbrünstig :
»nekom nikmat dam haschafuch.«
Verwundert starrte Eldad seinen Kameraden an. Das war ein Vers aus dem uralten
Sühnegebet : »Vater unser und König, räche das Blut, das vergossen wurde um Deinet-
willen !«36 Es schien ihm drollig, dass der Spaniole im gefallenen Trumpeldor, dem Ar-
beiterführer und Offizier, einen Märtyrer für Jahve sah. Ein Blitz von Fremdheit zuckte
plötzlich zwischen den beiden Männern nieder, aber verschwand ebenso rasch.
Langsam richtete sich Eldad auf, trat ans Zelt, machte die Handgranate zündfertig.
»Essrim weechad, essrim weschtayim, essrim …«, zählte er mechanisch, wie er es den
Genossen in Metulla einexerziert hatte. Er schleuderte die Kolben fast gleichzeitig mit
dem Sepharden. Der Berghang dröhnte, als donnere der ganze Schnee des Hermon auf
einmal ins Tal. Flammen zuckten hoch, loderten aus zerfetzten Zeltplachen, warfen
wirres Gelbrot auf die hastenden Schatten der zwei Männer, die in jagenden Sprüngen
zum Pferdelager flogen. Die Wächter dort waren aufgesprungen, standen ungewiss da,
Gewehre in der Hand. Vom Hügel her hallten wirre Rufe, Araber, die abseits vom Zelt-
platz auf der Erde geschlafen hatten, rannten herbei, suchten ihre Führer, während die
unter ihnen, die am schnellsten dachten, hinter den zwei Fliehenden einherstürmten,
ohne sich um die Zelte zu kümmern.
Es war dies die unerhoffte Chance der beiden Juden. Die Araber unten bei den Pfer-
den sahen dunkle Gestalten talwärts rennen, sahen Krieger im arabischen Mantel und
arabischen Kopftuch zu ihnen stürmen, sie wussten nicht, was vorging, und zögerten zu
schießen. Zögerten eine Minute zu lange. Eldad sprang zwischen die aufgeschreckten
Pferde, saß auf, Danon den Bruchteil einer Sekunde hinter ihm. Die letzte Handgra-
nate ! Zündfertig. … »Essrim weschtayim, essrim !«, zählte Eldad und schleuderte das
36 Altjüdisches Sühnegebet, das in vielfachen Variationen überliefert ist.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355