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Der Anfang der Wandlung Israels 169
Wie ein Schlachtruf klang der grelle Schrei und brach sich an den Bergen, hallte bis
hinüber nach Metulla, wo die Genossen in unerträglicher Angst warteten …
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E ine Viertelstunde später standen Eldad und Danon mit ihren Kameraden an den
Fenstern der Randhäuser Metullas und warteten auf den arabischen Angriff. Eldad
war unruhig ; wenn er es recht bedachte, war es seine Schuld, wenn die Araber jetzt
stĂĽrmten, durch seinen Ăśberfall rasend gemacht. Wie ein solcher Sturm enden wĂĽrde,
wusste er. Siebzehn Männer gegen …
Er zuckte die Achseln, pfiff leise vor sich hin. »En Dawar, macht nichts«. Mit diesem
Wort ist Trumpeldor gestorben ; das sollte von jetzt an sein Leitwort werden. Nicht das
träge Nitschewo des Russen, sondern das männliche, stählerne En Dawar des Hebräers,
das bedeutet : »Nicht der Rede wert.« Das »Was liegt daran ?« des jüdischen Märtyrers,
dem sein Leben und das seiner Kameraden nichts gilt, wenn es um die Gesamtheit geht.
Und er stutzte. »Märtyrer« hatte er jetzt gedacht. Märtyrer. Über Trumpeldor dachte
er also nicht anders als der reaktionäre Danon, der täglich betete. War der Unterschied
zwischen ihm, dem Atheisten, und dem einfachen Arbeiter aus Jaffa am Ende doch
nicht so groĂź, wie er glaubte ? Gab es auĂźer dem gemeinsamen Feind, dem gemeinsa-
men Blut und dem gemeinsamen Ziel noch etwas anderes, das sie alle vereinte ? Geist
von Urvätern, der in seinen Gedanken strömte und stärker war als erlerntes Wissen ?
Eldad Schu’al hatte Zeit darüber nachzudenken, mehr Zeit, als er dieser Frage
schenkte. Denn der Sturm der Araber blieb aus.
Im Araberkamp war nämlich Streit ausgebrochen. Den alten Scheich der El H’san-
Beduinen hatte eine der Handgranaten getötet, und die Frage, wer nach ihm das Kom-
mando ĂĽbernehmen solle, war schwierig. Zwei seiner UnterfĂĽhrer waren verwundet, ein
dritter tot – die Häuptlinge und Effendis waren gegen einen Sturmangriff und bestrit-
ten daher entschieden das Befehlsrecht des Sohnes des erschlagenen Scheichs, der so-
fort Rache nehmen wollte. Man mĂĽsse erst die RĂĽckkehr Ibrahim Begs abwarten.
Der Erbe des Führers zitterte vor Wut : »Habt ihr kein Blut in den Adern ? Die Juden
suchen euch in eurem Lager auf, und ihr bellt und heult von Ferne wie Schakale, die
davonlaufen, wenn sie den Jäger sehen ?«, brüllte der Araber, die Selbstbeherrschung
seiner Rasse vergessend, die er als künftiger Stammeschef gerade in dieser Stunde hätte
zeigen mĂĽssen.
Die Häuptlinge starrten ihn an. Dann wandte der Älteste unter ihnen sich zum Ge-
hen, warf das Gewehr ĂĽber die Schulter und sagte in die Luft hinein ein Wort, an nie-
manden gerichtet : »Wenn ein Knabe seinen Vater rächen will, dann hilft ihm der freie
Sohn, der Arab. Aber er gibt ihm nicht den Befehl ĂĽber Krieger, und er duldet nicht,
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355