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schaften, deren Namen und Dampfer in den breitesten Kreisen internationalen Ver-
kehrs völlig unbekannt waren. Vorbei an den nach Fisch und Seewasser riechenden,
alten Steinhäusern mit kleinen vergitterten Fenstern, die wie Löcher aussahen, durch
die man in ekle Gräber blicken könnte, wenn man den Mut hätte, das Gesicht den
Eisenstangen zu nähern. Unrat lag auf dem Pflaster. Kohlstrünke, Papierfetzen, Gemü-
sereste, Knochen, Steine.
Steinberg sah die gerunzelte Stirn Eldads, deutete sie aber falsch. Er dachte, den
beiden Böhmen, die von Palästina als erstes nur diese widerliche Stadt und diese ver-
fallenen Straßen sahen, müsse dies abstoßend sein. Er versuchte, ihnen guten Mut zu
machen ; er deutete mit wegwerfender Hand auf die Häuser und Menschen ringsum :
»Das da nennt sich ›Jaffa‹, die ›Schöne‹ ! Aber drüben, eine halbe Stunde weiter im Nor-
den, da bauen wir Juden jetzt wirklich eine ›schöne‹ Stadt für uns, ein schönes Jaffa. Ihr
müsst noch heute hin, Euch das ansehen. Es ist schon ein ganz nettes Viertel geworden,
rund um das Hebräische Gymnasium. Vielleicht wird daraus einmal eine richtige jüdi-
sche Stadt. Nicht so wie Jaffa !«
Steinberg bog in einen Seitenpfad ein, hielt vor einem arabischen Haus, an dessen
Tor abermals eine Tafel mit Agenturtiteln angeschlagen war. Erquickende Kühle wehte
aus dem Stiegenhaus entgegen, das sie aufnahm. Im ersten Stock stieß Steinberg eine
Tür auf, trat mit den Gefährten in ein fast möbelloses Bürozimmer, in dem zwei Araber
saßen, in europäischer Kleidung. Sie rauchten und hatten leere Kaffeetässchen vor sich
auf einem hölzernen Servierbrett. Als sie Steinberg sahen, sprangen sie auf, grüßten
herzlich, die Hand zu Brust, Mund, Stirne erhebend und schüttelten ihm sodann lange
und herzlich die Hand. Steinberg setzte sich, stellte mit unverständlichem Gemurmel
die Kameraden vor, grüßte nach rechts und links.
Eine Pause entstand. Geräuschlos brachte ein Junge vom nächsten Kaffeehaus, der
auf unverständliche Weise Kenntnis von den eben erschienenen Besuchern erhalten ha-
ben musste, frisches Wasser und neuen, heißen Kaffee. Die Unterhaltung begann, wie
immer in solchen Fällen, mit lebhaften Erkundigungen nach der Gesundheit der An-
wesenden.
Der Advokat Steinberg übernahm die Führung des Gesprächs. Er fragte nach dem
Befinden seiner arabischen Freunde, deren Mienen er ernsthaft und forschend betrach-
tete, ob nicht etwa
– Gott sei davor
– beginnendes Leiden darin zu lesen sei. Die beiden
versicherten, sie seien zufrieden, Gott sei gelobt ! Steinberg seufzte daraufhin sein Ham-
dulillahahi ›Gottlob‹ mit so tiefer Teilnahme, als sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen.
Dann begannen die Araber sich zu erkundigen, wie es der Familie des ehrwürdigen
Steinberg erginge, seinen Kindern und seinen Geschäften und den anderen Freunden,
die er mitgebracht hatte. Eine gute Viertelstunde ging vorbei, ohne dass man anderes
gehört hätte als »mabsut, hamdulillah«, »gesund, Gott sei Dank«.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355