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272 C. Wolfgang von Weisl
ments.148 Mit rascher Bewegung warf er das Arbeitergewand ab, schlüpfte in die alte
Uniform, schnallte den Säbel um, setzte die Mütze auf seine wallenden Haare. Noch
zauderte er – dann bückte er sich wieder, holte aus einem Kästchen drei, vier Medail-
len, befestigte sie an seiner Brust. »So will ich zum Tanz gehen, zum Purim-Ball !«,
sagte er halb fröhlich, halb scheu. »Ich habe nicht oft in der Uniform des Regiments
getanzt, in dem ich Leutnant und in dem mein Vater Arzt war. Heute will ich darin
mit meiner Braut tanzen. Sie soll wissen, dass sie einen jüdischen Kosaken heiratet.«
Er sah sich nicht in den Spiegel. »Fastnacht«, philosophierte er, während Harzwi
knurrend um ihn herumstrich – in seinen pazifistischen Gefühlen durch den milita-
ristischen Anblick verletzt, andererseits tief davon durchdrungen, dass Eldad in dieser
Uniform unerhörten Erfolg bei der Weiblichkeit Tel Avivs haben würde. »Bei uns Juden
ist alles anders als in der ganzen Welt. In Russland tanzt und trinkt man zuerst im Kar-
neval, und nachher kommt das Fasten. Wir Juden sollen aber zuerst am 12. Adar fasten,
und erst am 13. tanzen und trinken wir. Alles ist verkehrt !«
Schnelle, kleine Schritte klapperten hölzern auf dem Hofpflaster ; Hanna kehrte
heim. Harzwi sprang ans Fenster : »Geweret Hanna, kommt, rasch, rasch !« und zu El-
dad : »Sie soll dich schon jetzt so sehen ! Ich finde zwar jede Uniform scheußlich, du
kennst meine Ansicht über Militär, aber Hanna wird sich darüber freuen.«
Die Spaniolin trat ins Zimmer, ohne anzuklopfen, unruhig über den hastigen Ruf
Harzwis. Blieb an der Schwelle stehen, starrte Eldad wortlos an. Durch das Fenster fiel
frühe Abendsonne ; in purpurne Lichter tauchten die liladunklen Berge Bethlehems
ihre sanftgeschwungenen Kuppen, und einen purpurnen Schein warf ihr Wunderglanz
um den Kopf Eldads mit der hohen Kosakenmütze, ließ ihn in unwirklichem Schimmer
erstrahlen wie ein Bild aus einem Märchenbuch. Ein Märchenprinz war er für Hanna,
wie er sich verneigte, wie er die Hacken zusammenschlug, dass die silbernen Sporen fein
klirrten, wie er die Hand zum Gruß an die Mütze legte.
Hannas Augen verschlangen ihn, als sei er ein Fremder. Wunderbar schön erschien
ihr der Geliebte. Selbst seine breiten, knochigen Backen, seine starken behaarten Hände,
die sie oft schon schmäler und zarter gewünscht hatte, waren nun in machtvollem Ein-
klang mit seiner kriegerischen Erscheinung. Wie ein Mann aus anderer Welt stand er
im kleinen Zimmer des Stiftungshauses von Ohel Mosheh vor dem spaniolischen Mäd-
chen, er, der Kosakenoffizier mit klirrenden Stiefeln und Krummsäbel. »Wenn ihn mein
Vater so sehen könnte, er würde über ihn den Segen sprechen ; gepriesen sei der Gott,
der solches in seiner Welt hat !«, zuckte es durch ihren Kopf, während Eldad langsam
ihre Hand zu seinen Lippen führte.
148 Vgl. die ähnliche Adjustierung des Dr. von Marschalkowicz/Dr. von Weisl in Arnold Zweigs paläs-
tinensischem Schlüsselroman De Vriendt kehrt heim … (1932), siehe S.
27.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355