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Der Anfang der Wandlung Israels 295
mert hatte, als diese vielleicht erwartet haben mochte … aber der Abend hatte doch erst
begonnen, und man hätte sich noch sehr gut unterhalten können, und immerhin
– wenn
er seinen tapfersten Kameraden nach einem Jahr wiederfindet, dann muss er ihm wohl
ein paar Minuten schenken, rechtfertigte sich Eldad vor sich selbst.
Vor dem Gartentor blieb Hanna stehen : »Warte etwas auf mich. Ich will nur das
Maskenkleid ablegen. Dann gehen wir, wenn du willst, spazieren. Ich habe mit dir zu
sprechen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete sie die Tür und schlüpfte ins Haus. Eldad
lehnte sich an das Gitter und starrte in den hellen Himmel – etwas Dumpfes, Unheil-
volles schien in der Luft zu schweben und alle Freude und Festlichkeit aus seinem Hirn
zu reißen. Hanna
– was war mit Hanna geschehen ? Liebte sie ihn nicht mehr ?
Er hatte diesmal nur wenige Minuten zu warten, bis Hanna umgekleidet neben ihm
stand. »Gehen wir irgendwo hin, wo wir nicht gestört werden«, bat sie. Eldad schlug
einen Weg ein, der sie rasch aus den kurzen Häuserreihen Tel Avivs zu den Sanddünen
führte, die, rings um die jüdische Villenstadt gelagert, sie vom Meer trennten.
Bei jedem Schritt sanken die Füße Hannas in weich rieselnden Flugsand. Wortlos,
mühsam, stapften sie vorwärts, bis sie zu einem kleinen Hügel gelangten, von dem aus
zur Linken die spärlichen Lichter des festlichen Tel Aviv funkelten und zur Rechten
das im Mondlicht zitternde endlose Meer. Eldad warf sich in den mit schütterem Gras
bewachsenen Sand, zog Hanna neben sich und küsste sie heiß, verlangend.
Sie ließ sich seine Küsse unbewegt gefallen, ohne sie zu erwidern, bis Eldad ent-
täuscht abließ : »Was hast du, Hanna ? Was ist dir ?«
»Hast du mir nichts zu erzählen, Eldad, nichts zu sagen ?«, fragte sie, die Augen aufs
Meer gerichtet.
»Ich, zu erzählen ? Dass ich dich lieb habe, meine weiße Taube, dass ich rasend in dich
verliebt bin, Hannati – das weißt du ; und dass ich furchtbare Sehnsucht nach dir habe,
nach deinem schönen, weißen Körper, dass ich ganz schrecklich darunter leide, dass
deine Mutter die Hochzeit noch immer hinausschiebt
– das habe ich dir zu erzählen.«
»Sonst nichts ?«, murmelte Hanna, legte ihre Hände in den Sand und ließ ihn durch
die Finger rieseln.
»Sonst … ? Nein – oder ja, oho !«, rief Eldad, dem erst jetzt Kazprin einfiel und dass
er noch nicht Hanna von seinen neuen Plänen, seinem neuen Lebensprogramm erzählt
hatte, wie er wollte. »Hat dir der geputzte Affe von meinem Krach mit Kazprin erzählt ?
Davon müsste ich auch mit dir reden, aber erst nach Purim ! Heute wollen wir lachen.«
»Doktor Gutkowski ist ein netter, kluger, tüchtiger Arzt und verdient nicht, dass du
ihn einen Affen nennst«, antwortete Hanna heftig, fast böse. »Wenn ich durch ihn von
Dingen erfahren habe, die meinen Verlobten betreffen und die außer mir die ganze
Stadt weiß, dann bin ich ihm zu Dank verpflichtet.«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355