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chen. Nein. Nichts wusste sie in Wirklichkeit von ihm ; keinen Anteil hatte sie an sei-
nem Leben.Â
– Ein Mann wie Danon stand ihm näher als sie.
Mühsam unterdrückte sie ihre Kränkung. Unterdrückte die Frage : »Und wir ? Und
unsere Heirat ?« Eldad, der ihre Ruhe für Gleichgültigkeit nahm, freute sich darüber.
»Und was willst du jetzt tun ?«, fragte sie Eldad und meinte mit der Frage : Wie willst du
dir jetzt dein Brot verdienen ?
Eldad verstand es anders. »Unabhängig will ich jetzt kämpfenÂ
– nicht als Beamter der
Zionistischen Organisation, sondern frei von allen Bindungen. Ich werde die jĂĽdischen
Arbeiter gegen diese Bande in den BĂĽros aufhetzen ; ich werde die Herrschaft der Dog-
matiker da oben zerbrechen. Ich werde unseren sozialistischen Arbeitern einhämmern,
dass ihre erste Pflicht die ist, die proletarischen jĂĽdischen Massen um jeden Preis aus
dem Untergang der europäischen Wirtschaft zu retten und sie so rasch als möglich nach
Palästina zu überführen – auch wenn darüber die Planwirtschaft Kazprins zugrunde
gehen sollte und auch wenn die Sozialisierung Palästinas ein Jahrzehnt oder zwei Jahr-
zehnte warten muss … Das ist mein neuer Weg, Hanna. Es wird nicht so schwer sein,
wie du jetzt glaubst – die Arbeiter werden mich verstehen, denn sie lieben ihr Volk ; sie
lieben ihre Brüder in Russland, Polen, Rumänien. Ihnen zuliebe werden sie die Herr-
schaft der BĂĽromenschen abschĂĽtteln, werden eine neue, nationale Arbeiterpartei auf-
richten. Du wirst es sehen, Hanna, mein Weg wird nicht sehr schwer sein. Du wirst
nicht sehr lange Geduld haben müssen.«
»Und was willst du bis dahin tun, Eldad ? Wovon willst du unterdessen leben ? Wo-
von willst du deine Frau erhalten, deine Familie ?«
Tonlos fragte es Hanna. Eldad kniete neben ihr, hob ihr blasses Gesicht mit bei-
den Händen hoch, dass der Mondschein darauf fiel, und sah ihr zärtlich in die Augen :
»Auch das habe ich heute überlegt. Will ich Kazprin und seine Gesellschaft wirklich
bekämpfen, will ich die Liebe der Arbeiter gewinnen, ihr Vertrauen, ihren Glauben an
mich – dann muss ich einer der ihren sein, muss wieder einfacher Arbeiter werden. Ich
darf nicht in Schreibstuben als Beamter hocken wie die sozialistischen ParteifĂĽhrer. Ich
werde zu Harzwi in die Machzewah, in den Steinbruch, gehen«, lachte Eldad fröhlich
und presste das schmale Gesicht des Mädchens zwischen seinen starken Händen. »Als
einfacher Taglöhner zerbreche ich die Macht KazprinsÂ
– als Arbeiter baue ich die neue,
wahrhaft proletarische Politik des Judenstaates auf : Hilfe fĂĽr die Massen, nicht eine
sozialistische Insel für ein paar Tausend privilegierter Einwanderer.«
Hanna riss sich los, sprang auf die Füße, starrte entsetzt, ungläubig und zugleich
feindselig Eldad an : »Was sagst du – du willst Taglöhner werden ? Für 25 oder 30 Pias-
ter täglich ? Du willst, dass ich das Weib eines Schwarz-Arbeiters werde. Du ?« Sie wies
auf die Orden auf seiner Brust und auf seine Achselstücke. »Du, der Offizier ?«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355