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Der Anfang der Wandlung Israels 301
Mädchen – ich kann nicht daran glauben, dass es gut ist, wenn mein Geliebter, mein
Mann fĂĽr andere, unbekannte, fremde Menschen lebt und nicht fĂĽr mich. Ich kann
nicht glauben, dass es gut ist. Ich bin ein einfaches jüdisches Mädchen, das seinen Mann
für sich haben will. Wenn die Araber angreifen werden – gut, dann verstehe ich, ist es
deine Pflicht, dein Volk zu verteidigenÂ
–, ich bin nicht feige, nicht so engherzig, dass ich
dir das verwehren würde. Aber sonst …«
Sie hielt inne. Dann, plötzlich, stürzte sie ihr Haupt an die Brust Eldads, umschlang
seine Schultern und brach in Tränen aus : »Ich habe dich ja so lieb, Eldad, aber ich kann
nicht, ich kann nicht mit dir leben ! Das tötet mich. Du tötest mich ! Ich kann dich nicht
mit der ganzen Welt teilen.«
Erschüttert streichelte, liebkoste Eldad das Mädchen, dessen ganzer Körper vor
Schluchzen zitterte. »Aber Hanna – ich gehöre ja dir, ganz dir ! Ich liebe dich, ich will
bei dir bleiben, ich will tun, was du verlangst«, schwor er ihr fassungslos : »Hanna, Han-
nati !« Er flüsterte Liebesworte, bis sie sich endlich beruhigte. »Gib mir ein Tuch«, bat
sie. Eldad reichte ihr ein Taschentuch und bemerkte trotz seiner zitternden Erregung,
dass es ein seidenes Tuch aus seiner Leutnantszeit war, und freute sich irgendwie dar-
ĂĽber.
Hanna wischte sich lange die Tränen ab und lächelte beinahe. Tapfer schluckte sie
ihr Weinen hinunter und ging ruhiger geworden ein paar Minuten lang neben Eldad
her. Die Nacht war ganz still, so still, dass ihr dĂĽnkte, das Klirren seiner Sporen mĂĽsse
meilenweit hörbar sein. Sie verstand nicht, dass sie jetzt, in dieser Stunde, auf solche
Kleinigkeiten achten konnte, dass ihr diese Einzelheit fast wichtiger war als das, was sie
nun Eldad zu sagen hatte.
Ihr schien, sie sei überrascht genug, um sprechen zu können. So blieb sie stehen, legte
die Hand auf Eldads Schulter und strich ihm mit der zweiten ĂĽber das geliebte Haar.
»Schma na, Eldad !« flüsterte sie liebevoll. Höre, mein Geliebter. Ich fürchte, ich bin
zu klein für dich – ich kann dich nicht verstehen. Ich kann nicht mit dir gehen. Meine
Mutter sagte mir einmal, du seist wie der Richter Simson – ein Simson heiratet nicht
und am wenigsten eine kleine, einfache JĂĽdin wie mich. Ich passe nicht zu dir, Liebling.
Ich möchte so gern bei dir bleibenÂ
– so schrecklich gern, aber ich würde vor Furcht ster-
ben. Vor Furcht und Kränkung. Oder ich würde lernen, dich zu hassen. Heute Abend
war ich nicht weit davon – als du mich stehen ließest, um mit Danon zu reden, als du
tanztest, als du trankst, als du ĂĽber Gutkowski spottetest ; als ich von einem Fremden
erfuhr, dass du deine Zukunft weggeworfen hast, da hätte ich dich beinah gehasst. Und
das will ich nicht. Du warst der erste Mann, der mich geküsst hat – du warst der erste
Mann, den ich geliebt, ĂĽber alles geliebt habeÂ
– ich will nicht, dass diese Liebe schlecht
wird und schal. Dass unsere Liebe für dich oder für mich zur Hölle wird, weil ich dich
nicht ertrage, weil ich zu schwach für dich bin. Und deshalb, Eldad, mein Eldad …«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355