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304 C. Wolfgang von Weisl
Ernst nahm Eldad die Hand Hellas, die sich, vom ungewohnt schweren Palästina-
wein betäubt, nur mühsam gerade hielt. Er drückte ihre Finger so stark, dass sie am
liebsten geschrien hätte. Der traurige Blick Eldads machte sie nüchtern, weckte sie aus
der trunkenen Stimmung. Sie sah den jungen Mann aufmerksam an, fĂĽhlteÂ
– als sie ihn
allein, ohne Hanna, sah – mit ihrem Fraueninstinkt, dass etwas Ernstes vorgefallen sei,
und wurde hellwach.
»Chawera, Genossin«, sprach Eldad sie an, redete zu ihr in seinem harten, russisch
gefärbten Deutsch. Seine Stimme hallte plötzlich durch die Nacht ; unbewusst waren
die anderen Kameraden verstummt, selbst Mademoiselle Antabi hörte auf, Hebroni
am Ohr zu ziehen. Die Freunde warteten auf seine Worte, und er sprach laut, langsam
und klar, als wolle er ĂĽber Hella hinweg zu Unbekannten, Abwesenden, Fremden reden.
»Genossin ! Du hast dich einem Mann verlobt, den wir lieben – wir, die hier stehen.
Steinberg, Danon, ich und Hebroni – wir kennen ihn, dich kennen wir nicht. Harzwi
ist mutig wie ein Löwe, er ist sanft wie ein Kind, er ist stark wie ein Bär. Er gehört zu
uns, die wir für das Land leben ! Zu uns – und wenn du ihn heiraten willst, dann musst
auch du zu uns gehören, zu den Söhnen Trumpeldors. Denn wir lassen ihn uns nicht
von einer Frau wegnehmen – unseren Kameraden ! Auch nicht von dir. Willst du aber
mit uns leben, dann wird dein Tag hart sein und voll Plage und ohne Dank von anderen
Menschen. Und nur Eines wirst du haben, Genossin, wenn du einmal alt sein wirst und
schwach und lebenssatt, dann wirst du wissen : Nicht fĂĽr dich hast du gelebt, sondern fĂĽr
dein Volk, und deinem Manne hast du geholfen, seinem Volke zu dienenÂ
– aus ganzem
Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzer Kraft. Willst du diesen Weg mit Harzwi gehen,
Hella ? Ăśberlege es dir ! Sonst rate ich dir besser, kĂĽsse Harzwi zum Abschied und geh
weg ! Lass ihn allein.«
Harzwi sah erstaunt Eldad an. Was war, zum Teufel, in Eldad gefahren ? Er verdarb
die Purimstimmung, machte dem Mädel da Angst ! ! Wie konnte Eldad sich heraus-
nehmen, so ĂĽber ihn zu verfĂĽgen. Er hatte gute Lust zu schimpfen, sah nach Hella, traf
ihre AugenÂ
– und schwieg.
Mit strahlendem Blick sah das blonde Mädel auf ihn, auf seine breiten Schultern, auf
seinen harten, vierkantigen Schädel und dann hinüber zu Eldad, der in seiner Uniform
im Morgengrauen wie ein schwarzes Gespenst vor ihnen stand. Dann schĂĽttelte sie
eifrig, freudig die Hand Eldads : »Ich will, Chaver Schu’al ! Ich will mit euch leben und
mit euch arbeiten … ; und wäre Harzwi nicht ein Mann, wie du ihn liebst, so könnte ich
ihn gar nicht lieben !« Sie riss sich los, umfing den Hals ihres Verlobten, bedeckte sein
Gesicht mit Küssen : »Mein Bär, mein starker Bär !«
Eldad sah die beiden eine Sekunde an. Fasste das Gesicht Hellas, hob es von Har-
zwi weg, küsste sie warm auf den Mund : »Danke, Hella. Danke !« Drehte sich um :
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355