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314 C. Wolfgang von Weisl
Aber Lia setzte ihrem neuen Freund auseinander, dass Farughi eigentlich kein Araber
sei, und Kairo sei nicht Palästina, und als Künstlerin müsse sie Beziehungen zu allen
Kreisen der Gesellschaft aufrechthalten. Und so ging es denn an.
Heute aber fiel die schlechte Laune des jungen Millionärs sogar Lia auf, die sich
sonst wenig darum kümmerte. Sie tastete zögernd vor : »Bist du auf mich böse, Chéri ?
Du bist ein grässlicher Brummbär geworden.«
Georges warf sich auf dem breiten Sitz des Autos herum, haschte nach ihrer Hand.
»Dir böse, Kindchen ? Gewiss nicht. Ich bin zufrieden, wenn du mir nicht böse bist. Ich
vernachlässige dich schrecklich, und du musst dich in diesem jammervollen Nest zum
Sterben langweilen. Hier gibt es ja kein anständiges Kino, kein Lokal, wo man halbwegs
nett einen Abend durchtanzen kann, außer dem erbärmlichen Café Bristol194 mit den
Soldaten und Ladenmädchen, die dort Foxtrott lernen …« Er seufzte halb lächelnd.
»Und selbst darüber habe ich gestern noch dem Oberkommissär Vorwürfe machen
müssen. Politik ! Was willst du !«
Dann wurde er fröhlicher : »Aber all das wird nur mehr ein paar Tage dauern, und
dann fahren wir heim. Zuerst nach Kairo und dann nach Frankreich. Noch ein paar
Tage Geduld. Heute habe ich noch eine große Rede zu schwingen, der alte Hassan
Pascha hat mich eingeladen – und wenn es mir gelingt, die Kerle von der arabischen
Exekutive dazu zu bringen, auf meinen Plan einzugehen, dann können wir heimreisen !
Und dann bleibe ich bei dir, ganz bei dir !«
Lia dachte nicht daran, nach seinem Plan zu fragen. Sie hielt Georges für einen sehr
klugen, netten, jungen Mann, aber dass er je eine ernste Arbeit verrichten könne, wäre
ihr nicht eingefallen. So sah sie das alles mehr als phantasievolle Übertreibungen an, mit
denen er sich ihr interessant machen wollte, denn als Ernst. Immerhin wusste sie, dass
Männer immer ernst genommen sein wollen, und daher fragte sie höflich : »Und was
willst du tun, wenn die Leute nicht auf deinen Plan eingehen ?«
Georges lachte leise : »Sie werden ! Ich gebe ihnen alle Trümpfe in die Hand. Papa
würde kichern, wenn er mich hören würde. Ich zeige ihnen, wie sie Vorkämpfer euro-
päischer Kultur und Zivilisation werden können, wenn sie hier in Palästina mit den
eingewanderten Bolschewiki ein Ende machen. Damit werde ich sie einigen. Das ist
ohne Gefahr für sie ! Hundertprozentig sicher !« Er erinnerte sich, setzte sich aufrecht,
sah vorsichtig sie an. »Du wirst zu niemandem davon sprechen, was ich dir gesagt habe ?
Ehrenwort !«
»Großes Ehrenwort, du Bär«, lachte die Tänzerin sorglos. »Ich habe kein Interesse
an Bolschewikis. Recht geschieht ihnen, wenn man sie hinauswirft. Wollen die Frauen
sozialisieren
– stelle dir vor, Georges, dass man mich sozialisieren würde !«
194 Bristol Gardens Café an der Jaffastraße : beliebter Treffpunkt der Briten.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355