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318 C. Wolfgang von Weisl
Niemand sprach mehr über Juden und Kommunisten. Es war ein gemütliches, geselliges
Bankett.
Es blieb weiter Ruhe im Lande.
Der Oberkommissär erfuhr nichts von der kleinen Rede des Ägypters. Es waren zwar
einige Regierungsbeamte anwesend gewesen, aber sie vergaßen, über das Bankett zu
berichten. Was so ein Ägypter erzählte, war doch ganz unwichtig. Ganz nebensächlich.
In der letzten Aprilwoche trat Georges Farughi seine Rückreise nach Kairo an, von
Mademoiselle Lia Antabi begleitet. Das Mädchen hatte nichts weiter über die Absich-
ten des Prinzen erfahren. Sie wusste nur, sein Plan war angenommen worden
– Georges
war zufrieden. Es gab einen herzzerbrechenden Abschied von Hebroni, dem sie zum
Schluss zuflüsterte : »Ich glaube, es geht etwas gegen die Juden vor. Oder gegen die
Kommunisten
– Farughi hat so etwas angedeutet.« Aber wenn auch Hebroni das sofort
an Eldad und Steinberg meldete, viel klüger wurden die Führer der Selbstwehr daraus
nicht.
Und so saß Lia im reservierten Coupé erster Klasse in der Bahnstation von Jerusalem,
vorsichtig in die entfernteste Ecke des Abteils gedrängt, und hörte von dort die Reden
der Mitglieder der arabischen Exekutive an, die am Bahnsteig zum letzten Mal den gro-
ßen und edlen Patrioten Georges Farughi Pascha, Emir von Mekka, feierten. Moghrabi
el Moghrabi aus Gaza hielt die letzte Rede : »Heil dir, ya Emir, der du uns Mut gegeben
hast, die Juden zu bekämpfen. Der du uns neue Wege gewiesen hast, o Befreier und
Freund ! Heil dir und Tod den Juden !«
»Tod den Juden !«, brüllte eine hundertköpfige Menge, während der Zug langsam aus
dem Bahnhof von Jerusalem fuhr, in dem der Emir von Mekka und die jüdische Tänze-
rin aus Tanger zusammen abreisten.
* * *
Die Kleine weinte bitterlich. »Tod den Juden, haben sie geschrien, und du hast dich dafür
noch bedankt !«, schluchzte sie. »Du willst mich ermorden lassen !« Georges versuchte, sie
zu beruhigen. Das alles sei Unsinn, Komödie, Politik. Man schreie doch auch »Tod den
Engländern !« bei Demonstrationen in Kairo, nun, sei schon deshalb jemand ermordet
worden ? Dass die Juden immer so verdammt empfindlich sein müssen. Warum soll es
gerade für sie Ausnahmen geben ? Politik, nicht wahr, Kindchen ? Das nimmt man doch
nicht ernst. Als sein Zureden nichts nützte und Lia immer bitterer schluchzte, stand er
erbost auf und ging in den Speisewagen. Dieser Kindskopf ! Dieses hysterische Frauen-
zimmer ! Als ob er ihr je vorgeworfen hätte, dass sie eine Jüdin sei. Sie behandelte ihn wie
einen Antisemiten, ihn, der doch gerade Sympathie für Jüdinnen hatte …
Nach einer halben Stunde kehrte er zurück und fand sie beruhigt, vernünftig. Sie
hatte sich frisch gepudert und bemalt ; sah nett aus, wie immer. In Lydda musste man
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355