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Der Anfang der Wandlung Israels 329
Verführung einer jüdischen Gattin. Und ich habe verführt. Ich habe verraten. Ich habe
betrogen. Und dafür gibt es keine Reue und keine Buße, außer einer : Für die Gemeinde
Israel, die der Ehebrecher entweiht hat, muss er sein Blut hingeben.«
Wieder quillt ihm Blut aus dem Mund. Er hustet, wendet den Kopf nach links, so
kann er leichter atmen. »Wo bleibt nur der Arzt !«, ruft Eldad. »Der Arzt !«
Die Kameraden sind alle herbeigeritten, stehen und knien nun um den alten Bauern
herum. Der aber sieht nur Eldad und spricht weiter, schwach, kaum hörbar : »Ich habe
gebetet und gebetet. Ich bin nach dem Heiligen Land gegangen, um Buße zu tun. Habe
geackert und gearbeitet und Wohltaten geübt. Und habe gebetet : Herr der Welt, sei
mir gnädig ! Herr der Welt, es sei Dein Wille, dass ich für Deinen Namen und Dein
Heiliges Volk sterben darf. Hilf mir, König der Welt, und gewähre mir die Gnade, durch
mein Blut zu bezahlen meine Schuld, mit meinem Blut zu tränken Deine Erde, meine
Sünde zu büßen.«
Eldad küsst die Hand des Alten. Der murmelt : »Und endlich hat mich der Heilige,
gepriesen sei ER, erhört. Er plagte sein Volk noch zu meiner Zeit, mein Pferd ist besser
als deins, nimm es dir als Andenken. Ich war der erste unter den Angreifern. Gott sah,
dass ich zum Sterben bereit bin. Er nahm mein Opfer an und ich habe mein Vergehen
gesühnt.«
Beilinson hebt seinen Oberkörper, stützt sich auf seine Ellbogen und schreit mit of-
fenem Mund : »Vorwärts ! Vorwärts !« Blut fließt in dicken, schweren Tropfen aus dem
Verband auf den Erdboden, den Beilinson fünfzig Jahre lang bearbeitet hatte, und färbt
ihn scharlachrot. Der Alte fällt zurück auf seinen Rücken : »Die Kinder im Dorf müs-
sen Reiten lernen. Das ist gut. Es hilft einem zu sterben … Betet.« Das war sein letztes
Wort.
* * *
Der tobende Drache aus Jaffa hatte mit dem Schrecken noch nicht aufgehört. Zwar
kehrte wieder Ruhe ein, aber die Räumung der jüdischen Wohnungen ging weiter.
Während drei Tagen ziehen die Juden aus den winkligen Gassen der Altstadt Jaffas nach
Tel Aviv.
Erst viele Stunden später ging ein Telegramm nach Jerusalem. Ein offizieller Bericht
an seine Hoheit, den Hochkommissar, vom englischen Kommandanten in Tel Aviv :
»Jüdische Kommunisten demonstrierten mit rote Fahne. Die Araber, die Kommunis-
tenhasser, halfen der Polizei, den Umzug zu zerstreuen, Unruhen brachen in der ganzen
Stadt aus.«
Kein Wort darüber, dass Tel Aviv unter dem Schutz von Colonel Margolin ruhig und
sicher blieb und dass es der Hagana gelungen war, den Angriff der Araber abzuwehren.
Dagegen eine ernste Warnung an Sir Herbert, den Hochkommissar jüdischer Rasse,
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Title
- Wolfgang von Weisl
- Subtitle
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Editor
- Dietmar Goltschnigg
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 362
- Category
- Biographien
Table of contents
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355