Seite - 1062 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Prajnik, Matija
von Böhmen residierende Kaiser Karl IV. erließ die
→ Goldene Bulle und gründete 1373 die Universität). P.
wurde im 14. Jahrhundert zu einem der größten wirt-
schaftlichen, politischen und kulturellen Zentren Eu-
ropas mit ca. 40.000 Einwohnern. 1419 brach in P. der
Husitenaufstand aus, 1420 zerschlugen die Hussiten
in der Nähe von P. das gegnerische Heer. 1421 etab-
lierten sie für kurze Zeit ihr politisches Zentrum in P.
1547, nach dem fehlgeschlagenen Aufstand gegen die
Habsburger, wurden P. die Stadtrechte aberkannt. Der
Aufstand der Bevölkerung von P. gegen die kaiserliche
Macht löste den böhmischen Aufstand 1618–1620
aus. Im Verlaufe des 30-jährigen Krieges (1618–1648)
wurde P. immer wieder verwüstet. Nach der Schlacht
am Weißen Berg 1620 verlor P. zusehends an Bedeu-
tung und wird ab der Mitte des 17. Jh.s eine Provinz-
stadt. Gegen Ende des 18. Jh.s lebt das Wirtschaftsle-
ben wieder auf, die Einwohnerzahl steigt auf 80.000.
Während der bürgerlichen Revolution 1848–1849 in
Wien war es in P., das inzwischen zur bestindustriali-
sierten Stadt der Habsburgermonarchie geworden war,
als Willensäußerung des tschechischen Volkes, zum so-
genannten Prager Aufstand gekommen.
Katja Sturm-Schnabl
Nach 1848 wurde P. zum Mittelpunkt der Nationalbe-
wegung der Tschechen, Slowaken und Mährer. Diese
wirkte auch auf die übrigen Slawen der Habsburger-
monarchie, insbesondere die Slowenen ein (→ Sla-
wenkongresse). Die tschechische Politik und Kultur
genossen unter den Slowenen hohes Ansehen. Nach
der Gründung der tschechischen Universität in P. 1882
stieg die Anzahl der slowenischen (kroatischen, serbi-
schen) Studenten in P. Die slowenische Schriftstelle-
rin, Publizistin und Übersetzerin Zofka →
Kveder
war wahrscheinlich die erste Slowenin, die 1900 an der
Karlsuniversität Vorlesungen hörte. Sie war auch in den
kulturpolitischen Vereinen der slowenischen, kroati-
schen und serbischen Studenten in P. aktiv tätig und
lebte bis 1907 als freie Schriftstellerin, Publizistin und
Herausgeberin (→ Domači prijatelj) in P. Der sloweni-
sche Philologe und Ethnologe Matija → Murko lebte
seit seiner Berufung als Slawist an die Karlsuniversität
1920 in P. Er war 1932–1941 Vorsitzender des Slovanský
ústav (der tschechischen Akademie der Wissenschaf-
ten). Auch andere Slowenen, die in P. studiert hatten,
etablierten sich als Wissenschaftler oder Kulturtätige
in der tschechischen Gesellschaft. Dazu zählen der
Philosoph und Soziologe Ivan Žmauc oder der Slawist Oton Berkopec, der zu einem wichtigen Vermittler
der slowenischen Literatur im tschechischen Raum
wurde. Der Psychologe Mihajlo Rostohar hatte sich
als erster Slowene an der Karlsuniversität habilitiert. In
P. studierten die Bildhauerin Karla Bulovec-Mrak,
die Chemikerin Ana Jenko und die Ärztin Valerija
Strnad. Jože Plečnik, der slowenische Architekt der
Moderne, setzte im Auftrag des tschechischen Präsi-
denten Massarýk in P. wesentliche urbanistische Ak-
zente, u. a. am Hratschin, den er mit modernistischen
Mitteln überhöhte.
Von den Kärntner Slowenen ist der wohl der bekann-
teste Matija → Majar, der von 1883 bis zu seinem
Tod 1892 in P. lebte und dort begraben ist. Unter den
Kärntner slowenischen Studenten in P. waren auch der
aus → Ferlach/Borovlje stammende Rudolf Rannik,
Josip Wieser (vgl. Josip → Šašel), Albin → Ogris
und Valentin Wiegele aus Achomitz/Zahomec ; sie
alle absolvierten ihr Studium an der juridischen Fakul-
tät. 1892–1917 erlangten insgesamt 85 Slowenen ihren
Abschluss an den Universitäten in P. Die Behörden des
Königreiches SHS begannen ab 1920 das Studium in
der Tschechoslowakei zu behindern.
In P. kam es zu slawischen Vereinsgründungen, an
denen auch Slowenen beteiligt waren. Der Anstoß zur
Gründung der → Slovanska liga katoliških akademi-
kov [Slawische Liga katholischer Akademiker] (1909)
ging von slowenischen katholischen Intellektuellen aus
(→ Neoslawismus). Zwei Jahrgänge der national-radi-
kalen Zeitschrift → Omladina (1913–1914) erschienen
in P.
Irena Gantar Godina ; Üb.: Katja Sturm-Schnabl
Lit.: ES (B. Urbančič : Praga), BSE. – D. Prelovšek : Jože Plečnik
(1872–1957) – arhitekt v Ljubljani, Pragi in na Dunaju [Narodna
galerija, Ljubljana, Prešernova 24, 7. januar–25. februar 2007] (Ka-
talog). Ljubljana 2007 ; И. В. Чуркина : Матия Маяр. In : Южнос-
лавянские и балканские народы в международной жизни конца
XVIII-начала XX
вв.
Исторические
портреты.
Т.I.
Москва
2011 ; I.
Čurkina : Matija Majar – Enlighter, Politician, Scholar. In : Traditiones
40/2 (2011).
Prajnik, Matija (Kulturaktivist), → Srce. Slovensko
katoliško izobraževalno društvo za Dobrlo vas in okolico
[Srce. Slowenischer katholischer Bildungsverein für
Eberndorf und Umgebung].
Prepadnik, Agnes, vulgo Mlakar (Graditschach/Gra-
diče bei Neuhaus/Suha) (1901–1976), → Liedersamm-
lung, handschriftliche.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602