Seite - 1065 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Preporod
katehizem verfasste Vodnik im Auftrag der Regierung
der → Illyrischen Provinzen (1809–1813/1814), in de-
nen Slowenisch zur → Amts- und Unterrichtssprache
geworden war. Die Volkssprache zur Schriftsprache
zu machen war auch ein Ziel des Grammatikers Jer-
nej Kopitar. Kopitar war in erster Linie Theoreti-
ker. Sein Anliegen, die gesprochene Volkssprache zur
Schriftsprache zu machen, realisierte u. a. der steirische
Pfarrer Janez (Ivan) Primic (1785–1823). Er grün-
dete 1810 die Gesellschaft Societas slovenica, welche
jungen, gebildeten Menschen die Aufklärung näher-
bringen sollte. Weil man annahm, dass die illyrischen
Provinzen längerfristig unter französischer Herrschaft
bleiben würden, musste man für die unter der österrei-
chischen Krone verblieben Slowenen neue Tatsachen
schaffen und installierte 1812 an der Grazer Univer-
sität einen Lehrstuhl für Slowenisch. Die treibende
Kraft hinter der Errichtung des Lehrstuhls für Slo-
wenisch in Graz war Primic. Nach Wiedereingliede-
rung der illyrischen Provinzen in das österreichische
Staatsgefüge 1813/1814 konnten die Habsburger das
Rad der Zeit nicht mehr zurückdrehen. Folglich wurde
mit 15. Dezember 1815, vorrangig für Priestersemina-
risten, auch in → Ljubljana ein Lehrstuhl für Slowe-
nisch eingerichtet. Das Kärntner Pendant zum Steirer
Primic ist der Gailtaler Geistliche Urban → Jarnik.
In den Vormärz fällt die Schaffensperiode von France
→ Prešeren und Matija → Čop. Nach der Revo-
lution 1848 nahm die slowenische Wiedergeburt als
Antwort auf den erstarkenden Deutschnationalismus
politische Züge an. Eine der politischen Forderungen
war die angestrebte Errichtung einer slowenischen
Universität in Ljubljana. Diese Forderung konnte erst
1919, nach dem Ende der Monarchie, realisiert werden.
Auf kulturellem Gebiet konkurrierten um die Mitte
des 19.
Jh.s zwei Strömungen um die führende Rolle in
der slowenischen Wiedergeburt. Nämlich die vom Slo-
waken Ján Kollár (1793–1852) propagierte, von der
deutschen Romantik inspirierte slawische Wechselsei-
tigkeit (slovanska vzajemnost) einerseits, und das exklu-
siv slowenische Programm von Prešeren und Čop
andererseits. Die slawische Wechselseitigkeit hatte die
sprachliche Vereinigung der slawischen Völker zum
Ziel. Sie wurde schließlich zur ideellen Grundlage des
→ Illyrismus, des Zusammenschlusses der Südslawen.
Der Hauptvertreter des Illyrismus war der Kroate
Ljudevit Gaj (1809–1872). Sein größter Anhänger
unter den Slowenen war der Steirer Stanko → Vraz
(1810–1851), der das Slowenische durch »die illyrische Sprache« ersetzen wollte. Unter dem Begriff »illyrische
Sprache« verstand man eine südslawische Kunstspra-
che, die abgesehen von minimalen Konzessionen an
das Slowenische, dem (Serbo-)Kroatischen entsprach.
Daher stieß der Illyrismus bei den Slowenen generell
auf wenig Gegenliebe, wenn man von den Slowenen in
Kärnten/Koroška und in der Steiermark/Štajerska ab-
sieht. Dort sah man im Illyrismus eine Rettung vor der
fortschreitenden →
Germanisierung und →
Assimila-
tion. Der bekannteste Kärntner Anhänger des Illyris-
mus war Matija →
Majar (1809–1892). Trotz seiner
illyrischen Grundeinstellung lehnte Majar die völlige
Aufgabe des Slowenischen ab. Die letztlich siegreiche
Gegenströmung zum Illyrismus war das exklusiv slo-
wenische Programm, das sich Mitte der 1850er-Jahre
endgültig durchsetzte. Die wichtigsten Vertreter die-
ses Programms waren der slowenische Nationaldichter
France Prešeren und Matija Čop. Prešeren er-
kannte, dass die Übernahme der »illyrischen Sprache«
für die Slowenen einen Schritt zurück bedeuten würde,
weil das »Illyrische« nur den gebildeten Slowenen zu-
gänglich sein würde. Für die weniger gebildeten Slo-
wenen hätte das »Illyrische« den Zugang zur Literatur
unmöglich gemacht. Eine bedeutende Rolle bei der
Durchsetzung des slowenischen Programms kam der
Zeitschrift Novice zu (→ Bleiweis). Die kulturelle
und sprachliche Vereinigung der Slowenen mit den
anderen Südslawen war damit vom Tisch.
Preporodovci. Angesichts der österreichisch-un-
garischen Politik wurde aber ein politischer Zusam-
menschluss weiterhin diskutiert und besonders am
Vorabend des Ersten Weltkrieges wieder aktuell. 1912–
1913 erschien in Ljubljana das Monatsblatt Preporod,
das von Mittel- und Hochschülern, den prepodorovci,
herausgegeben wurde. Die führenden Vertreter der pre-
porodovci waren Franc Fabijančič (1891–1915) und
Lovro Klemenčič (1891–1928). Die staatliche Politik
hatte besonders auch in Zusammenhang mit der Ok-
kupation (1878) und Annexion Bosnien-Herzegowi-
nas (1908) gezeigt, dass eine Gleichberechtigung der
Slawen innerhalb Österreich-Ungarns illusorisch war.
Daher traten die preporodovci für einen von Österreich-
Ungarn unabhängigen, gemeinsamen südslawischen
Staat ein (→ Jugoslawien). Dadurch erhielt auch die
kulturelle und sprachliche Vereinigung mit den ande-
ren Südslawen kurzzeitig wieder Auftrieb. Bezug auf
Kärnten/Koroška nimmt die Publikation Klic od Gospe
Svete. Ob petstoletnici zadnjega ustoličenja koroških vojvod
[Ruf aus →
Maria Saal/Gospa Sveta. Anlässlich des
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602