Seite - 1070 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Prežihov Voranc
und andere, weil ich bei ihnen als Autodidakt alle Tie-
fen eines unerschöpflichen Glaubens an die Mensch-
heit und an den Sieg der Gerechtigkeit über das Un-
recht gefunden und erhalten habe …].
Als 16-Jähriger konnte er in der Zeitung Mir (17.
und 24. April) erstmals eine Kurzgeschichte, V tujino
[In die Fremde], veröffentlichen, im selben Jahr nahm
Zofka →
Kveder die Kurzgeschichte Petkov Cenc in
die Zeitschrift Domači prijatelj (DP), 189–191, auf. Bis
zum Schluss ihrer Zeit als Redakteurin 1914 publi-
zierte Kveder P.s Kurzgeschichten im Domači prijatelj.
Aus dem Jahre 1912 ist ihre Aussage überliefert : »…
in
mlad konjski hlapec iz Koroške je skoraj majhen Gorki,
čeprav ni nikoli nič drugega bral kakor knjige Mo-
horjeve družbe« [… und ein junger Pferdeknecht aus
Kärnten ist fast ein kleiner Gorky, obwohl er außer den
Büchern der Mohorjeva nichts gelesen hat]. Nach dem
Mir und Domači prijatelj kommen ab dem Jahre 1912
noch die Publikationsorgane Zarja, Ljublajnski zvon,
Slovenski ilustrovani tednik, Ilustrovani glasnik, Kres
hinzu, die P.s Kurzgeschichten und Erzählungen publi-
zieren. Als 1925 die gesammelten Erzählungen Povesti
in Ljubljana erscheinen, ist P. voll in seiner politischen
Arbeit. Außer seiner politischen Artikel erscheinen li-
terarisch berührende und später verschiedentlich abge-
druckte belletristische Texte, 1930 im →
Slovenec 5.–9.
August sowie 1935, 1936, 1937, und 1938 in der Zeit-
schrift Sodobnost.
Seine großen Texte sind drei Romane : Požganica
(Ljubljana 1939) [Die Brandalm]. In diesem setzt
er sich mit den Problemen der durch den Zerfall der
Habsburgermonarchie entstandenen slowenischen
→ Minderheit in Kärnten/Koroška auseinander ; Do-
berdob. Vojni roman slovenskega naroda (Ljubljana 1940)
ist ein Antikriegsroman, vergleichbar mit Erich Maria
Remarques Im Westen nichts Neues. Er behandelt das
grausame Schicksal der slowenischen Soldaten an der
Isonzofront (Soška fronta) und in Galizien während
des Ersten Weltkrieges ; In Jamnica. Roman soseske
(Ljubljana 1945) werden die Kleinbauern und Arbei-
ter in seiner engeren Heimat als heldenhaftes Kol-
lektiv dargestellt, im südöstlichen Kärnten/Koroška,
deren Hauptstadt und administratives Zentrum bis
1918 Klagenfurt/Celovec gewesen war. Die Bewohner
waren im selben sozialen und politischen Ambiente
aufgewachsen wie die Bewohner des →
Jauntales/Po-
djuna, des →
Rosentales/Rož, des → Klagenfurter und
des→ Zollfeldes (Celovško in Gosposvetsko polje), der
Nord- und Südabhänge des Wörthersees/Vrbsko jezero bis → Villach/Beljak und des → Gailtals/Zilja. Diese
Gebiete waren bis dahin mehrheitlich oder teileweise
von Slowenen bewohnt gewesen. Wie diese hatten
auch die Kinder der Heimat P.s über die utraquistische
Schule das Deutsche als Bildungssprache aufgezwun-
gen bekommen (→ Schulwesen).
1940 erschien der Erzählband Samorastniki [Wild-
wüchslinge] und 1949 Solzice [Maiglöckchen], beide
haben die Leser von allem Anfang an zutiefst be-
rührt. Die Helden dieser Erzählungen kommen aus
dem Kreis der allerärmsten Bergbauern, die zu den
Erniedrigten und Beleidigten der letzten Dezennien
der Habsburger-Ära zählten. P. versteht es, das soziale
Drama dadurch zu vertiefen, dass er Kinder und Frauen
zu seinen Helden wählt. Diejenigen also, die auch noch
im eigenen sozialen Umfeld erbarmungslos unter-
drückt wurden. Doch P. beschreibt keine passiven Hel-
den. Auch wenn sie sich physisch nicht wehren können,
erleben sie den Schmerz und die Erniedrigung bewusst
als Unrecht, gegen das sie sich innerlich aufbäumen. Sie
entwickeln das Bewusstsein, ein Recht auf Widerstand
zu haben und ein Recht auf Menschenwürde. Sie rea-
lisieren und verteidigen ihre Menschenwürde dort, wo
niemand sie ihnen nehmen kann, nämlich in der ästhe-
tischen Erfahrung von Natur und Schönheit, in einer
Liebesfähigkeit, die die einfache instinktive Liebe weit
überragt und so universelle Dimensionen erreicht, die
einer Spiritualität gleichkommen, die sie dem Künstler
selbst ebenbürtig macht.
1945 gab P. auch einen Erzählband heraus (Od Kotelj
do Belih vod. Ljubljana 1945), in dem er für zwei Erzäh-
lungen das zentrale Kärnten/Koroška – das → Klagen-
furter Feld/Celovško polje, das Zollfeld/Gosposvetsko
polje und die Landschaft um den WörtherseeWörther
See/Vrbsko jezero – zum literarischen Ort wählt. Die
ausgewiesenen Literaturhistoriker und Kritiker jener
Zeit (Anton Slodnjak 1946, Filip Kalan 1946, An-
ton Ocvirk 1946, Herbert Grün 1946, Franc Zad-
ravec 1972) haben P.s literarische Botschaft ignoriert
und haben seine Erzählungen lediglich sozialpolitisch
interpretiert, wogegen sich P. wehrte (ZDSPP 9 [1973]
642), denn ihm ging es in erster Linie um die Men-
schenwürde, die ein Naturrecht jedes einzelnen Men-
schen ist. Sie ist P.s Credo, seine literarische Botschaft,
die er mit größter Intensität verteidigt.
In der Erzählung Če Zila noj Drava nazaj potačo
[Wenn Gail und Drau nach rückwärts fließen] schuf
P. ein wunderbares literarisches Dokument, voller Me-
lancholie und Schönheit über die Kärntner Slowenen,
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602