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Ravnikar, Matevž
1826). Dabei bereinigte er den Text von alten Calque-
bzw. Lehnübersetzungen in der Syntax und von einer
lediglich angepassten Terminologie des katholischen
Ritus, wobei er jedoch Rücksicht auf die gottesdienst-
liche Praxis nahm. Eine Neuerung stellten die Neu-
übersetzungen der Bußpsalmen aus dem Hebräischen
dar (Psalm : 6, 37, 50, 101, 129, 142). Die Klarheit ihrer
Botschaft und die Rhytmik der Formulierungen wurde
mit einer stilistisch geprägten Wortfolge erreicht, was
auch für die Gebete und Lieder gilt. Bereits R.s Über-
setzung aus dem Deutschen von Gallos Perpomočnik
Boga prav spoznati in častiti [Wie man Gott richtig er-
kennt und ehrt] hatte alle Erwartungen von Kopitar
erfüllt. R. wurde zur sprachlichen Autorität bzw. setzte
praktisch die Theorien in Bezug auf die sprachliche
Erneuerung der slowenischen Schriftsprache um, wie
sie in der Grammatik konzipiert worden war. Die er-
neuerte krainische slowenische Schriftsprache festigte
R. vorbildhaft mit seiner Übersetzung bzw. Bearbei-
tung der erzählerisch konzipierten Zgodbe sv. Pisma
za mlade ljudi [Geschichten aus der Bibel für junge
Menschen] nach Ch. Schmid (Ljubljana, I. Teil 1815,
II. Teil 1816, III. und IV. Teil 1817). Die Übersetzung
folgt in der Phonetik und der Morphologie Kopitars
Grammatik, in der Syntax und im Wortschatz erreicht
die Übersetzung jedoch weitestgehend eine Loslösung
von der traditionellen übernommenen Syntax und blo-
ßen Anpassungen. R. ersetzt diese mit genuin slowe-
nischen Syntax-Formen, einem genuin slowenischen,
archaischen Wortschatz und Wortschöpfungen nach
Modellen der gesprochenen Sprache. Aus dem Wort-
laut der Zgodbe [Geschichten] ist die Bemühung um
eine qualitätsvolle Übersetzung ersichtlich. Das zeigt
sich in der Suche nach angemessenen Modellen in der
Syntax und einer Ausgewogenheit der Satzteile in den
Aussagesätzen. Es zeigt sich noch eine gewisse Unbe-
ständigkeit, doch ist die grundlegende Ausrichtung der
slowenischen syntaktischen Verbalisierung langfristig
verlässlich konzipiert. Auf der Ebene der slowenischen
schriftsprachlichen Syntax war die Gestaltung von R.
durchdacht. Angeführt seien die in der gesprochenen
Sprache nicht gebräuchlichen Partizipialkonstruktio-
nen (Endungen auf -eč, -oč, -e, -vši) sowie der häufige
Gebrauch der nicht gesprochenen, zeitlich intentiona-
len gebeugten Infinitivformen zur Straffung der Syntax
(die später als nicht gelebte Formen außer Gebrauch
gekommen sind). In einer ähnlichen Rolle scheinen
auch Halbsätze und Beisätze auf, die allesamt nicht der
Volkssprache entsprechen, die jedoch eine syntaktische Aussagefunktion haben. Die Wortfolge weist hinsicht-
lich der Aktualität teilweise eine Gliederung nach der
gesprochenen Sprache auf, ist normativ noch unbestän-
dig und spiegelt die deutsche Vorlage. Die diesbezügli-
chen Elemente der Syntax sind nicht von der »Sprache
der Bauern« entlehnt. Im Gegenteil, die Verwendung
von Redewendungen aus dem Volk, von expressivem
Wortschatz, häufigen Interjektionen u. Ä. sind der Be-
weis für die breite literarische Bildung von R. und von
seiner Kenntnis verschiedener sprachlicher Struktu-
ren. Er übersetzte aus dem Deutschen, Lateinischen
und Französischen und die fünf Bücher Moses aus
dem Hebräischen (das bei der Konzeption der Neu-
übersetzung der Bibel im Manuskript blieb). Er kannte
den verschrifteten Dialekt des Prekmurje (Übermur-
gebiet) von Stefan Küzmič und war als Anhänger
der → pannonischen Theorie von Kopitar offen für
die Elemente aus der slowenischen Sprachvariante des
Prekmurje. Mit seiner Reformierung der Schriftspra-
che stellte er den damals bereits veralteten Valentin
→ Vodnik in den Schatten und bildete eine Reihe von
Gleichgesinnten heran (dazu zählen F. S. → Metelko,
Jerin, Burger, Zalokar und Potočnik), die sich
an seine sprachliche Norm in Krain/Kranjska bis Fran
→ Levstik hielten.
Nach dem Abzug der Franzosen setzte er sich in
Zusammenarbeit mit Kopitar und Spendov für
eine Slowenisierung der Volksschulen und der weiter-
führenden Schulen ein. Diese Bemühungen bestärkte
er mit der Herausgabe des Abecednik za šole na kmetih
[»ABC« für Schulen auf dem Land] (1816), der sprach-
lichen Bearbeitung der Majhne perpovedvanje [Kleine
Erzählungen] von Debevec in Male povesti za šole
na kmetih [Kleine Erzählungen für Schulen auf dem
Land] (1816) ; er bearbeitete in diesem Sinne auch drei
Schulbücher und einen Katechismus von Alič und
übersetzte aus dem Deutschen den Kerščanski katoliški
navuk s prašanji in odgovori [Christlich katholische
Lehre mit Fragen und Antworten] (1822). Im Zusam-
menhang mit dem eigenen literarischen Werk setzte
er sich für eine Reform des slowenischen Alphabets
ein (1829 traf er sich diesbezüglich mit Kopitar und
Dobrovsky in Wien) und befürwortete aufgrund der
Dringlichkeit die Einführung der Metelčica als die da-
mals beste Lösung (→ Schrift).
Von Amts wegen schätze er die Verlassenschaft von
Valentin → Vodnik, kaufte daraus das Material für
ein Wörterbuch und schenkte es F. S. Metelko. Die
Sammlung seiner Wörter verwendete Miklosich in
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602