Seite - 1127 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Revolutionsjahr 1848
auf das Land mit größerer Sorge und großer Aufmerk-
samkeit verfolgt wurden. Das Interesse des Bürgertums
galt der Festigung und Ausgestaltung demokratischer
Errungenschaften, das Interesse der bäuerlichen Bevöl-
kerung, die ihre überwiegende Masse verkörperte, dem
Kampf gegen den Feudalismus und für die entschädi-
gungslose Grundentlastung. Der ständische Landtag
wurde durch Inkorporierung von Vertretern des Bür-
gertums und des Bauernstandes erweitert. Bis 23. Juli
1848 weckten sieben bzw. acht Wahltermine das In-
teresse am politischen Leben, die Wahlbeteiligung an
den Wahlen war unterschiedlich. Auch in Klagenfurt/
Celovec kam es zur Gründung einer Nationalgarde.
Am 16. Oktober 1848 gründeten »Demokraten« den
Kärntner Volksverein und erklärten den seit 2. Septem-
ber 1848 in →
Villach/Beljak erscheinenden Kärnt-
ner Volksfreund zum Vereinsorgan. Die konservativen
Elemente sammelten sich bald darauf im Konstituti-
onellen Verein, schon im Juli begann ein → Slovensko
družtvo v Celovcu [Slowenischer Verein in Klagenfurt]
mit seinen Aktivitäten. Einzelne Slowenen traten auch
dem Konstitutionellen Verein bei, unter den bekann-
ten Mitgliedern des Kärntner Volksvereins sind keine
Slowenen auszumachen, die zur selben Zeit oder spä-
ter in der slowenischen Bewegung tätig gewesen wären.
Vorbilder für alle Vereinsgründungen waren Vereine in
Graz bzw. Wien.
Größere und kleinere Bauernunruhen begleiteten in
Kärnten/Koroška die Ereignisse. Sie waren größtenteils
auf Gebiete mit slowenischer Bevölkerung beschränkt
(→ Bauernaufstände). Zentren dieser Unruhen waren
u. a. die Herrschaften Finkenstein/Bekštanj, Hollen-
burg/Humberk, Ebenthal/Žrelec, → Bleiburg/Pliberk
und Eberstein/Svinec. Bäuerlicher Widerstand ist aber
z. B. in den Herrschaften Hollenburg/Humberk und
Finkenstein/Bekštanj schon Jahre vor den Märzereig-
nissen auszumachen. Der bäuerliche Unwille richtete
sich v. a. gegen verschiedene Abgaben, unzufrieden wa-
ren die Bauern mit dem Jagd- und Fischereirecht, sie
bemängelten die Forst- und Weideservitute und traten
wiederholt gegen die Willkür herrschaftlicher Beamter
auf. Die Grundherren gemahnten deshalb im Einklang
mit behördlichen Weisungen ihre Beamten, Abgaben
und Steuern keineswegs im Zwangswege einzutreiben,
forderten sie zur humanen Behandlung der »Insassen«
auf, waren aber keineswegs bereit, auf ihre Rechte und
Privilegien entschädigungslos zu verzichten und wollten
auch die entfallenen Rückstände und Steuern zu einer
günstigeren Zeit eintreiben. Die Bauern verweigerten weitere Abgabeleistungen und auch die Leistung von
Robotdiensten. Die Grundherrschaften bemühten sich,
wichtige Archivalien und Verwaltungsdokumente vor
eventuellen bäuerlichen Übergriffen in Sicherheit zu
bringen (→
Archivwesen). Das Interesse der Bauern an
der Revolution erlosch praktisch mit dem Patent vom 7.
September 1848, dem Durchführungsgesetz zur Grun-
dentlastung (→ Oktroyierte Märzverfassung 1849).
Um die Bevölkerung zu beruhigen bzw. für ihre Ziele
und Maßnahmen zu gewinnen, gingen die Behörden
mit der Kirche auf verschiedenen Ebenen Allianzen ein.
Die Geistlichkeit unterstützte über Ordinariatsweisun-
gen die Behörden bei allen entscheidenden Wahlgän-
gen, Bischof Adalbert Lidmansky verbot, allerdings
verspätet und deshalb von wenig Erfolg begleitet, jegli-
che Gegenagitation gegen die Wahlen zum Frankfurter
Parlament. Solche Gegenagitationen bemerkten die
Behörden, das Ordinariat und Dechanten seitens ein-
zelner slowenischer Geistlicher. Die bäuerliche Bevöl-
kerung sollte auch mithilfe der Kirche beruhigt werden,
wobei die weltlichen Behörden Wert darauf legten, dass
der Ursprung der Beruhigungsaufrufe kirchlicher Stel-
len im Dunkel blieb. Über die Kanzeln verlesen wurde
über viele Sonntage auch jener »Generalpardon«, der
Deserteure bzw. zu den Waffen gerufene oder geflüch-
tete Soldaten wieder in die Garnisonen bzw. zum Heer
bringen sollte.
Eine bedeutende Rolle spielte in den Märztagen
1848 Matija → Majar – Ziljski. Er trat u. a. auch als
Übersetzer verschiedener Flugschriften in Erscheinung.
Zwei Tage nach dem Eintreffen der Nachricht von der
Revolution in Wien formulierte er die Grundzüge des
slowenischen nationalen Programms, das am 29. März
in den Novice in Ljubljana veröffentlicht wurde. Für
seine an den Kaiser gerichtete Petition um ein Verein-
tes Slowenien (→ Zedinjena Slovenija) warb er auch
unter den Patrioten und erregte so den Unwillen Anton
M. → Slomšeks. Bald danach setzte er sich für seine
Ideen mit der Flugschrift Kaj Slovenci terjamo ? [Was
fordern wir Slowenen ?] unter der Bevölkerung ein.
Diese ist als Beilage der Novice erhalten geblieben. We-
gen seines Engagements auf nationalem Gebiet wurde
Majar auf den entlegenen Wallfahrtsort Monte Santo
di Lussari/Luschari/Sv. Višarji versetzt (→ Wallfahr-
ten, → Val Canale/Kanaltal/Kanalska dolina). Auf den
Weg dorthin agitierte er in → Villach/Beljak unter den
versammelten bäuerlichen Wahlmännern gegen die
Wahlen zum Frankfurter Parlament. In diesem Sinne
agitierte im Rosental/Rož auch Andrej → Einspieler.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602