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1197
Schulwesen
Slowenische Schulfrage in
Klagenfurt/Celovec, Mir, 23.
2. 1905
Schulverordnung (Koroška
kronika 16. 11. 1945) ziehungsweise dem politisch dominanten Lager im
Land die Handhabe, die Unterrichtssprache massiv
zu beeinflussen. Folge des Reichsvolksschulgesetzes
und zugleich Ausdruck des Nationalitätenkonflikts
war die Reduktion des Slowenischunterrichts. Das
Schulnetz wurde enger geknüpft, dem Lehrerstand
wurden Ansehen und soziale Sicherheit verschafft, die
Lehrerbildung auf eine solide Basis gestellt (allerdings
gilt Letzteres für die slowenische Sprache nur mit
Einschränkungen). Bis zum Ende des 19. Jh.s wur-
den fast alle schulfähigen Kinder von der Schulpflicht
auch tatsächlich erfasst. Die Schule geriet aber in den
Sog und den Fokus der nationalen Bewegungen. Die
Frage der Unterrichtssprache wurde zu einem Teil des
Kulturkampfes zwischen dem deutschliberalen und
antiklerikalen Lager einerseits und dem konservativen
slowenischen Lager andererseits. Für die Slowenen in
Kärnten/Koroška hatte das eine zweifache Folge. Die
slowenische nationale Emanzipationsbewegung setzte
sich (allerdings weitgehend erfolglos) für die slowe-
nische Unterrichtssprache ein. Die deutsche nationale
Bewegung suchte das Slowenische als Bildungsspra-
che zu verhindern, indem sie diese nur als Hilfsspra-
che im Anfangsunterricht zu dulden bereit war und
die Vermittlung der slowenischen Standardsprache
als nachrangiges beziehungsweise überflüssiges und
die Kärntner Landeseinheit bedrohendes Bildungsziel
ansah. Von deutschnationaler Seite wurde die sloweni-
sche Standardsprache zudem entweder als Krainerisch
oder als Neuslowenisch apostrophiert und in einem
Gegensatz zu den dialektalen Varietäten des Slowe-
nischen in Kärnten gebracht. Beide Seiten versuchten
für ihr Projekt breite Kreise der Bevölkerung zu mo-
bilisieren.
Utraquistisches Schulwesen (Utraquismus). 1869
bis 1872 bestimmte der Landesschulrat für Kärnten
auf Basis des Reichsvolksschulgesetzes mittels Erlässen
die Unterrichtssprache. Damit begann die Periode des
utraquistischen Schulwesens. Der Begriff »utraquisti-
sche Schule« hatte mehrere Inhalte. Im Allgemeinen
wurde im österreichischen Teil der Habsburgermonar-
chie damit zum Ausdruck gebracht, dass an der Schule
paritätisch in zwei Sprachen unterrichtet wurde. In
den Kärntner Volksschulen gab es jedoch hinsichtlich
der Unterrichtssprache weder ein einheitliches System,
noch waren die Anteile des Deutschen und Sloweni-
schen am Unterricht ausgewogen. Hauptkennzeichen
der utraquistischen Schule des Kärntner Typus war die
mindere Rolle des Slowenischen. Angewandt wurde die Submersionsmethode, der möglichst frühe Übergang
zur deutschen Unterrichtssprache bei gleichzeitiger
Vernachlässigung der slowenischen Standardsprache
(→ Immersion). Eine Ausnahme stellte der Religions-
unterricht dar. Doch auch die Unterrichtssprache des
Religionsunterrichtes war umstritten. Die Hauptzüge
der utraquistischen Schule lassen sich bereits in der
Anfangszeit des allgemeinen Elementarschulwesens
feststellen und sie waren Bestandteil des Schulwesens
vor 1848 (und vor 1869).
In Kärnten/Koroška gab es Ausnahmen vom utra-
quistischen Schulwesen. So gab es an nicht wenigen
Orten und Gemeinden mit mehrheitlich sloweni-
scher Bevölkerung Volksschulen mit ausschließlich
deutscher Unterrichtssprache. Andererseits galten an
einigen wenigen Schulen Bestimmungen, die der slo-
wenischen Sprache Vorrang gaben. Ab 1887 wurde in
Jezersko (Seeland) in slowenischer Sprache unterrich-
tet, Deutsch war ab dem 4. Schuljahr obligater Unter-
richtsgegenstand (vgl. Franc → Muri). In St.
Jakob im
Rosental/Šentjakob v Rožu galt ab 1883 die Regelung,
dass auf vier Schuljahre mit slowenischer Unterrichts-
sprache vier solche mit deutscher Unterrichtssprache
folgten.
1892 gab es in Kärnten/Koroška 92 utraquistische
Volksschulen, 1897 84 und 1902 83. Vor Ausbruch
des Ersten Weltkrieges gab es in Kärnten/Koroška
89 utraquistische Volksschulen und drei öffentliche
Volksschulen mit slowenischer Unterrichtssprache (Je-
zersko [Seeland], St. Jakob/Šentjakob, Zell/Sele) und
zwei Privatschulen mit slowenischer Unterrichtsspra-
che (1895 St. Ruprecht bei Völkermarkt/Šentrupert
pri Velikovcu, 1908 St. Jakob im Rosental/Šentjakob v
Rožu). Zum Stichtag 1. Jänner 1918 gab es in Kärnten
(innerhalb der Grenzen des Staatsvertrages von Saint-
Germain) 89 slowenisch-deutsche Volksschulen. Erst
1891 wurde ein »Spezial-Lehrplan für den Unterricht
in slowenischer Sprache an den utraquistischen Volks-
schulen Kärntens« erlassen. Den Bestrebungen nach
Einführung der slowenischen Unterrichtssprache, die
in einigen Fällen vor dem Reichsgericht erfolgreich er-
kämpft worden war, begegnete die Schulbehörde mit
Schulteilungen, was über kurz oder lang wieder zur
Zusammenlegung und zum utraquistischen Schultyp
führte.
Im Siedlungsgebiet der Slowenen in Kärnten/
Koroška gab es Ende der österreichisch-ungarischen
Monarchie vier Grundtypen von Volksschulen : solche
mit slowenischer Unterrichtssprache (und Deutsch als
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602