Seite - 1201 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Bild der Seite - 1201 -
Text der Seite - 1201 -
1201
Schulwesen unter jugoslawischer Verwaltung in der Zone A in den Jahren 1919–1920
als Folge des utraquistischen → Schulwesens fest. We-
gen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Familien
der Schüler der Bürgerschule, des Gymnasiums und der
Lehrerbildungsanstalt in Völkermarkt/Velikovec und
anderswo bemühten sich verschiedene Organisationen
und Lehrer, nach Kräften beim Ankauf von Schulbü-
chern und Unterrichtsbedarf zu helfen. In Vorbereitung
war auch die Gründung eines Unterstützungsvereins
für ärmere Schüler. Für beide Einrichtungen war ein
Schulneubau in Völkermarkt/Velikovec vorgesehen,
und eine höhere Summe an Mitteln für die Baukosten
bestimmt.
Die Aufnahmeprüfung für die erste Klasse Gym-
nasium und für den ersten Jahrgang der Lehrerbil-
dungsanstalt für das Schuljahr 1920/21 wurden An-
fang Juli 1920 abgehalten. Für das Gymnasium gab
es wahrscheinlich wegen der ungewissen Verhältnisse
weniger Anmeldungen (9), während es für den ers-
ten Jahrgang der Lehrerbildungsanstalt 24 + 12, also
36 Anmeldungen gab. Wegen der geplanten Abstim-
mung plante man die Bildungseinrichtungen im neuen
Schuljahr erst nach der →
Volksabstimmung zu öffnen.
Die Mehrzahl der Schüler und Studenten des Völker-
markter Gymnasiums und der Lehrerbildungsanstalt
setzte nach der Volksabstimmung die Ausbildung im
damaligen jugoslawischen Slowenien bzw. in der Drau-
Banschaft fort. Eine beträchtliche Anzahl der Studen-
ten der Lehrerbildungsanstalt absolvierte in der Folge
die Ausbildung in → Maribor. Aus dem Namensregis-
ter der Gymnasialschüler geht hervor, dass einige von
ihnen später bedeutende und exponierte Positionen im
identitätsbetonten Leben der Kärntner Slowenen ein-
nahmen.
Nach der Volksabstimmung konnten Schüler aus
identitätsbewussten slowenischen Familien zwar das
Gymnasium in Klagenfurt/Celovec besuchen, doch
blieb diesen der Zutritt zur Lehrerbildungsanstalt in der
gesamten Zwischenkriegszeit weiterhin verschlossen.
Neben den genannten Bildungseinrichtungen be-
gann im Jänner 1920 in Ferlach/Borovlje noch die
vierjährige staatliche Büchsenmacherschule (Državna
puškarska strokovna šola), die unter der Leitung von Dr.
Viktor Jeločnik stand. Das Mindesteintrittsalter war
14 Jahre. 22 Schüler besuchten die Schule. Den Lehr-
plan für das Winterhalbjahr vom 5. November 1919
bis zum 30. April 1920 wurde auch von der Staatli-
chen Landwirtschaftsschule (Državna kmetijska šola)
bei Völkermarkt/Velikovec (Goldbrunnhof) verwendet,
wobei die Unterrichtssprache nunmehr Slowenisch war. Nach dem Ersten Weltkrieg begannen sich auch
die slowenischen Schüler erneut zu organisieren und
Verbindungen aufzubauen. Auf mehreren Treffen und
Versammlungen in den Jahren 1919 und 1920 versuch-
ten sie Mittelschüler, Priesterseminaristen und Stu-
denten, sich miteinander zu verbinden. Sie gründeten
die Kärntner Zweigstelle des slowenischen Schülerver-
bandes (koroška podružnica Slovenske dijaške zveze) bzw.
reaktivierten den Klub koroških akademikov [Klub der
Kärntner Akademiker], dessen Vorsitz durchgehend
Franc → Sušnik innehatte. Der Verband bzw. der Klub
beschäftigte sich mit aktuellen Fragen, vor allem mit
der Volksabstimmung. In der Zeit der jugoslawischen
Militärpräsenz organisierte sich auch die Lehrerschaft
in Kärnten/Koroška besser als vor dem Krieg. Bereits
im Juli 1919 kamen die slowenischen Lehrer aus dem
jugoslawischen Teil des Landes bei einem Treffen in
Gösselsdorf/Goselna vas zusammen, um »eine völlige
Gleichstellung mit den Staatsbeamten in materieller
Hinsicht zu erwirken« sowie um die Kulturarbeit ange-
sichts der bevorstehenden Volksabstimmung zu orga-
nisieren. Gegründet wurde das Pedagoško društvo v Veli-
kovcu [Pädagogischer Verein in Völkermarkt], dem bald
darauf die Lehrervereine in → Bleiburg/Pliberk und in
Ferlach/Borovlje folgten. Alle drei waren Mitglied in
der ständisch organisierten liberalen Dachorganisation
Zaveza jugoslovanskih učiteljev [Verband der jugoslawi-
schen Lehrer]. Im Schuljahr 1919/20 hatten die drei
Vereine 234 Mitglieder. Die Ausschussmitglieder aller
drei Vereine bildeten am 15. August 1919 den Učiteljski
svet za Koroško [Lehrerrat für Kärnten], der ein autono-
mes ständisches Organ der Lehrer in Volks- und Bür-
gerschulen in Kärnten/Koroška war.
Die große Mehrzahl dieser Lehrer musste nach der
Volksabstimmung das Land wegen Angriffen auf Leib
und Leben, Drohungen und Entlassungen verlassen.
Zwar rief der Oberste Schulrat in Ljubljana sofort
nach der Volksabstimmung die Lehrer auf, dass die in
Kärnten/Koroška tätigen und dort geborenen Beamten,
Lehrer und Priester an ihren Stellen verharren sollten.
Doch daran war nicht zu denken, denn die Landes-
leitung (und für die Priester auch die kirchliche Lei-
tung) lehnten jedes Gesuch um Wiederanstellung an
den Schulen im slowenischen Landesteil konsequent
ab. Das Leitmotiv der Kärntner Behörden war, dass an
utraquistischen Schulen keine Lehrer angestellt werden
konnten, die sich während der Zeit der Vorbereitung
der Volksabstimmung im Rahmen der jugoslawischen
Agitation exponiert hatten.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602