Seite - 1214 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Schwabegg/Žvabek, Neuhaus/Suha und Leifling/Libeliče : Kulturarbeit seit 1882
eine Artillerieeinheit, bestehend aus 90 Pferden und
Soldaten aus der Untersteiermark/Spodnja Štajerska,
stationiert. Im Juli 1920 war der Pfarrer von Neuhaus/
Suha überzeugt, dass die → Volksabstimmung eine
Mehrheit für → Jugoslawien ergeben werde. Er schrieb,
dass »dies am Beginn des Jahres nicht danach aussah«,
dass aber »Manifestationsveranstaltungen« in Bleiburg/
Pliberk die Volksmeinung beeinflusst hätten (→
Volks-
abstimmungspropaganda). Am 21. Juli 1920 traf die
Abstimmungskommission ein. In Schwabegg/Žvabek
stand sie unter der Führung von »Capitano Guido Gra-
nato«, einem Italiener.
Nach Martin → Wutte hatte die »Zone A eine
starke slowenische Mehrheit. Nach der Umgangssprache
zählte sie 1910 zusammen 49.000 Slowenen (68 %) und
23.000 Deutsche« (→
Abstimmungszone).
Die Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 fand
unter reger Beteiligung der Bevölkerung statt : Von den
39.291 Stimmberechtigten erschienen 37.636 = 95,78 %
bei der Wahlurne. Von den 37.636 abgegebenen Stim-
men waren 332 ungültig. 22.024 (= 59,04 %) wurden
für den Verbleib der Zone A bei Österreich, 15.279 (=
40,96 %) für den Anschluss an Jugoslawien abgegeben.
In der Gemeinde Leifling/Libeliče [österr. Teil], in
der nur ein Teil zur Zone A gehörte, gaben von 704
Stimmberechtigten bei 27 ungültigen oder nicht abge-
gebenen Stimmen 290 (42,9 %) ihre Stimme für Öster-
reich und 387 (57,1 %) für Jugoslawien ab.
In Schwabegg/Žvabek gaben von 260 Stimmbe-
rechtigten 61 (25 %) ihre Stimme für Österreich und
183 (75 %) für Jugoslawien ab, wobei 16 Stimmen un-
gültig waren oder nicht abgegeben wurden. (Das Er-
innerungsbuch der Pfarre Schwabegg/Žvabek, S. 37,
verzeichnet 180 :
57 Stimmen, wobei vermerkt ist, dass
das Ergebnis am 13. Oktober bekannt geworden war.)
Vergleicht man dieses Ergebnis mit den Volkszäh-
lungsergebnissen von 1910, so haben in der Gemeinde
Leifling/Libeliče 35 % jener, die Slowenisch als Um-
gangssprache angegeben haben, für Österreich ge-
stimmt. In Schwabegg/Žvabek waren es lediglich 24 %
(Leifling/Libeliče : dt. 7,5 %, slow. 92,5 % ; Schwabegg/
Žvabek : dt. 1,1 %, slow. 98,9 %.). Nimmt man das von
den Slowenen selbst eruierte Zählungsergebnis des
Jahres 1910 als Grundlage, so ist der Prozentsatz jener
Slowenen, die für Österreich gestimmt haben, noch
größer (Dr. Moravski : Leifling/Libeliče 40 %, Schwa-
begg/Žvabek 25 %.) (→ Sprachenzählung).
Die 1920er-Jahre. Nach der Volksabstimmung vom
10. Oktober 1920 waren die politischen Auseinander- setzungen stark von Übergriffen gegen Angehörige der
slowenischen Volksgruppe geprägt. Der deutschnatio-
nale Druck wurde durch Wahlbündnisse noch verstärkt.
In Libeliče/Leifling war man mit der Grenzziehung
nicht einverstanden und rasch dort angebrachte Grenz-
steine wurden des Nachts wieder ausgerissen.
Der Lehrer Ulrich Petschnig kam nach dem Ple-
biszit wieder nach Neuhaus/Suha zurück, wo jedoch
gerade eine Ruhrepidemie durchschnittlich jeden 12.
Bewohner traf, dies »wegen der denkbar schlechtes-
ten sanitären Verhältnisse« hierzulande. Beim Gast-
hof Wirt war ein großer → Tabor veranstaltet worden,
wodurch sich diese Krankheit weiterverbreitete und
auch den Gastwirt Scherzer hinwegraffte. Im Dorf
Leifling/Libeliče starben 9 Menschen und kurz darauf
noch 5 an den Pocken.
In Schwabegg/Žvabek übernahm nach der Volksab-
stimmung vom 10. Oktober 1920 Blasius Srebotnik
das Bürgermeisteramt. Beiräte waren August Pistot-
nik, vulgo Joun, Johann Diemschnig, Filip Mess-
ner, vulgo Klemen, und Georg Krainz. Der erste
Bürgermeister in Leifling/Libeliče nach dem Plebiszit
war Lorenz Barth, vulgo Mačič, aus Bach/Potoče.
Nach der Volksabstimmung sollte mit der Kultur-
arbeit wieder begonnen werden. Es herrschten jedoch
sofort veränderte Umstände, z. T. verursacht durch die
Auseinandersetzungen um das Plebiszit, die die Kul-
turarbeit, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg geleistet
worden war, erschwerten. Man war mit den Methoden
nicht zimperlich. Die Palette reichte von übler Nach-
rede über Drohungen und physische Gewaltanwen-
dungen bis zu Maßnahmen der Behörden.
Etwas makaber liest sich ein Artikel aus dem Jahre
1922, als eine »Liste der Verprügelungen« – zumeist
aus politischen Gründen, wie angegeben wird – ver-
öffentlicht wurde. Die Gewaltakte gegen Angehörige
slowenischer Familien waren Teil der politischen Ein-
schüchterung :
»Also die Geschichte nach dem Plebiszit beginnt so :
1. Im Dezember 1920 haben die Reš-Leute unseren
Parteigänger Trinkaus auf den Boden geworfen und
verprügelt.
2. Zu Stefani 1920 kam eine Horde gegnerischer
Burschen ins Gasthaus Ring und hat unsere Burschen,
später auch zwei Besitzer mißhandelt.
3. Eine Schar Burschen prügelte den ohne Beglei-
tung befindlichen Burschen vlg. Višograb und auch
noch den Ivan vlg. Plahutnik blutig.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602