Seite - 1267 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Bild der Seite - 1267 -
Text der Seite - 1267 -
1267
Spätjansenismus in Österreich
chen Generationen). In der Folge wirken diese ihrer-
seits wiederum identitätsstiftend und gruppenbildend.
Eine weitere mögliche Sichtweise ist, → Standardspra-
che und → Dialekte als gesellschaftlich, im geografi-
schen Raum geformte S. zu betrachten.
In der öffentlichen Sprachdiskussion in Kärnten/
Koroška kommen in Bezug auf S. folgende Aspekte
zum Tragen. Erstens wird in der Regel dem Konzept
des S. insgesamt weniger Bedeutung zugemessen als
einem statischen Gegensatz Dialekt versus Hochspra-
che innerhalb beider → Landessprachen. Im Verhält-
nis zwischen beiden Sprachen wird ein vermeintlicher
Gegensatz zwischen dem slowenischen Dialekt des
ländlichen Raums und einer sozial prestigereiche-
ren, überregionalen deutschen Verkehrssprache betont
(→ Windischentheorie). Es wird überdies der positiv
besetzte, idealtypische, historische deutsche Kärntner
Dialekt gleichsam ideologisch besetzt, der im Gegen-
satz zu einem fremden (Wiener) Hochdeutsch stünde.
In diesem Sinne kann der deutsche Kärntner Dialekt-
gebrauch außerhalb Kärntens als Meta-Soziolekt be-
trachtet werden, und zwar neben den spezifischen wei-
teren S. innerhalb der Kärntner Gesellschaft.
Zudem unterliegt das Slowenische in Kärnten/
Koroška wie alle Sprachen ›natürlichen‹ Veränderungen
in Zeit und Raum aufgrund innerer Migrationsströme
sowie technischen und gesellschaftlichen Innovationen.
Diese Veränderungen betreffen die regionalen → Dia-
lekte (→ Dialektgruppe, → Ramovš) ebenso wie die
einst vornehmlich durch den Kirchengebrauch ge-
pflegte →
Standardsprache (→ Liturgiesprache). Diese
weist in neuerer Zeit durch den integrierenden Faktor
der zentralen Bildungsinstitutionen in Klagenfurt/Ce-
lovec auch Aspekte eines regionalen Soziolekts bzw.
Regiolekts auf. Eine synergetische Weiterentwicklung
der slowenischen historischen, idealtypischen Dialekte
und Mundarten sowie eine mit dem slowenischen Zen-
tralraum harmonisierte Entwicklung der standardisier-
ten → Umgangssprache in Kärnten/Koroška waren
durch die Staatsgrenze ab 1945 strukturell nur einge-
schränkt möglich. Das führte dazu, dass sich, im Unter-
schied zum 19. Jh., Klagenfurt/Celovec und der slowe-
nische Sprachraum in Kärtnen/Koroška insgesamt von
einem kulturell schöpferischen Zentralraum zu einem
durchaus weiterhin kulturell schöpferischen, jedoch in
Randlage befindlichen Sprachraum wandelten.
Lit.: G. Fischer : Das Slowenische in Kärnten, Bedingungen der sprach-
lichen Sozialisation. Eine Studie zur Sprachenpolitik. Wien, Sprache und Herrschaft, Zeitschrift für eine Sprachwissenschaft als Gesell-
schaftswissenschaft, Reihe Monographien Nr. 1 /1980 ; T. Domej :
Die Slowenen in Kärnten und ihre Sprache, mit besonderer Berücksich-
tigung des Zeitalters von 1740 bis 1848 (Phil. Diss.). Wien 1986, VII,
562 S.; J. Toporišič : Enciklopedija slovenskega jezika. Ljubljana 1992,
291 f.; N. Dittmar : Grundlagen der Soziolinguistik. Tübingen 1997 ;
I. Grdina, M. Stabej : Slowenisch. In : Lexikon der Sprachen des eu-
ropäischen Ostens (M. Okuka, Hg.). Klagenfurt 2002 ; H. Maurer-
Lausegger : »Čas za predajanje narečij iz roda v rod se žal izteka
…«. In :
Nedelja, Priloga XIV dni (Mai 2013) 3 ; B.-I. Schnabl : Nekaj ključnih
jezikoslovnih pojmov za javni diskurz na Koroškem, Iz »Enciklopedije
slovenske kulturne zgodovine na Koroškem, od začetkov do leta 1942«. In :
KK 2015. Celovec 2014, 113–118.
Bojan-Ilija Schnabl
Soziolinguistik, vgl. → Bildungssprache ; → Ge-
mischtsprachig ; → Immersion ; → Lingua franca ;
→ Mischsprache ; → Muttersprache ; → Relevanz und
Redundanz ; → Soziolekt ; → Sprachwechsel, mit-
telalterlicher ; → Sprachmischung, mittelalterliche ;
→
Umgangssprache ; → Zweisprachigkeit ; → Zwei-
sprachigkeitsideologie, Kärntner.
Soziologie, vgl. → Akkulturation ; → Assimilant ;
→ Assimilation ; →
Assimilationszwang ; → Deutsch-
tümler ; → Kryptoslowene.
Spanheimer, → Herzöge von Kärnten/Koroška.
Sparovc, Janez (Kulturaktivist), → Borovlje. Slovensko
prosvetno društvo »Borovlje« [Slowenischer Kulturverein
»Borovlje« (Ferlach)].
Spätjansenismus in Österreich. In Österreich war
es zu einer spezifischen, politisch und wirtschaftlich
bedingten Rezeption und Anwendung der französi-
schen Aufklärung und des →
Jansenismus (vgl. auch
Jurij → Japelj) gekommen. Beide Strömungen wurden
von der Staatsführung gelenkt begrenzt eingesetzt, um
das staatliche Reformprogramm durchzuführen. Die
Reformen waren unumgänglich notwendig geworden,
anders hätte der durch die Erbfolgekriege (1740–1748)
und durch den Siebenjährigen Krieg (1756–1763)
wirtschaftlich ruinierte Staat nicht überleben können.
Es musste eine Produktionssteigerung bei den Unter-
tanen erreicht werden, um die Staatskassen zu füllen.
Dies konnte nur geschehen, indem man die größten
Grundbesitzer, die katholische Kirche und den Adel,
in ihren Rechten und Eigenmächtigkeiten beschnitt.
Beide beuteten die Untertanen aufgrund ihrer Privi-
legien für sich selber aus und ignorierten die Bedürf-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602