Seite - 1272 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Spracherwerb
KS, 1. 4.
1925Im
Gegensatz zu den bisherigen Zählungen wurde
die Volkszählung von 1939, nach dem → »Anschluss«
bereits von den deutschen Behörden organisiert, mit
doppeltem Interesse eingesetzt : Sie sollte mit der Spra-
chenfrage eine nach der Volkszugehörigkeit kombinie-
ren. Die NS-Behörden wollten möglichst genau er-
fahren, wie viele Kärntner tatsächlich noch slowenisch
sprechen. Sie versuchten eine wahrheitsgemäße Angabe
durch eine Strafandrohung zu erzwingen. Eine deutli-
che Unterschätzung konnten sie damit nicht verhindern.
Zahl und Anteil jener, die Slowenisch als »Mutterspra-
che« angaben (»Sprache, in der der Mensch denkt und
derer er sich in seiner Familie und im häuslichen Ver-
kehr am liebsten bedient, weil sie ihm am geläufigsten
ist«), lag höher als jemals in der Ersten Republik. Aller-
dings gab nur etwa ein Sechstel jener, die Slowenisch
oder →
»Windisch« als Muttersprache einschrieben,
auch slowenische oder → »windische« Volkszugehörig-
keit an. An einer größeren Zahl nationalbewusster Slo-
wenen waren die Nationalsozialisten nicht interessiert.
Die Ergebnisse der Volkszählung brachten für Kärn-
ten/Koroška eine im Habsburgerstaat stetige und mit
dem Übergang zur Republik sprunghafte Abnahme
von »Slowenisch«. Im Jahr 1880 waren es auf dem Ge-
biet des »alten« Landes Kärnten/Koroška (d. h. mit dem
→ Val Canale/Kanaltal/Kanalska dolina, den ehem.
Gemeinden Jezersko [Seeland] und → Mežiška do-
lina [Mießtal]) noch 102.252 bzw. 29,7 % der Kärnt-
ner Bevölkerung. Zahl und Anteil sanken bis 1910 auf
82.212 Personen bzw. 21,2 %. Dann kam der Knick
1923 mit 37.292 bzw. 10,1 % – dazwischen gab es ei-
nen leichten Gebietsverlust des Landes. 1939 hingegen
gaben 43.179 Menschen Slowenisch oder »Windisch«
als Muttersprache an (14,4 %), jedoch nur 3,8 % eine
entsprechende Volkszugehörigkeit. In Wien stieg Zahl
und Anteil von »Tschechisch« bis 1900 erheblich und
ging dann zuerst in Anbetracht der Massen-Übersied-
lungen in die ČSR nach 1918 eher erstaunlich wenig
(von rund 98.000 1910 auf 78.000 1923) zurück, jedoch
im nächsten Jahrzehnt auf die Hälfte (38.653 im Jahr
1934). Bei der Sprachenfrage waren es wieder 52.275,
aber nach Volkszugehörigkeit nur ein Drittel davon. In
Deutsch-Westungarn (Burgenland) gingen Zahl und
Anteil von »Deutsch« bis 1910 etwas zurück, »Kroa-
tisch« hielt sich und nahm dann in der Republik ab
(von 15,0 % 1910 auf 13,5 % 1934). »Ungarisch« nahm
bis zum Kriegsausbruch von 4,1 % 1880 auf 9 % 1910
zu und machte nach 1922 einen Sprung nach unten
(1923 : 5,4 % – Rücksiedlungen nach Trianon-Ungarn). Lit.: ES (J. Fischer : Popis prebivalstva). – J. v. Csaplovics : Croaten
und Wenden in Ungern. Pressburg 1828 ; National-Encyklopädie oder
alphabetische Darlegung der wissenswürdigsten Eigenthümlichkeiten des
österreichischen Kaiserthumes […] (6 Bd.; Hg. J. J. H. Czikann und
F. Gräffer.] Wien 1835–1837 ; [F. Schuselka] – Anonym : Ist Öster-
reich deutsch ? Eine statistische und glossierte Beantwortung dieser Frage.
Leipzig 1843 ; K. v. Czoernig : Ethnographie der österreichischen Mon-
archie. Wien 1857 ; Österreichisches Statistisches Zentralamt : Volks-
zählung 1934. Textband. Wien 1935 ; T. Veiter : Die Sprach- und Volks-
zugehörigkeit in Österreich nach den Ergebnissen der Volkszählung von
1939. In : Europa Ethnica 22 (1965) 109–123 ; M. Glettler : Die Wiener
Tschechen um 1900. München 1972 ; E. Brix : Die Umgangssprachen in
Altösterreich zwischen Agitation und Assimilation. Die Sprachenstatis-
tik in den cisleithanischen Volkszählungen 1880–1910. Wien 1982 ; W.
Gamerith : Ethnizität und ihr zeitlich-räumlicher Wandel anhand von
Volkszählungsergebnissen. Das Beispiel der Kärntner Slowenen (= Kla-
genfurter Geographische Schriften ; 12). Klagenfurt 1994 ; T. Priestly :
The Slovene Minority Population in Carinthia and Styria in 1927 : Some
new Data. In : ÖOH 39 (1997) 263–278 ; A. F. Reiterer : Minderhei-
ten wegzählen ? Methodische und inhaltliche Probleme amtlicher Spra-
chenzählungen. In : R. Vospernik, M. Pandl (Hg.) : Ortstafelkonflikt
– Krise oder Chance ? Dokumentation. Klagenfurt 2004 ; A. Malle :
Wohin verschwinden die Kärntner Slowenen ? In : Historicum. Zeit-
schrift für Geschichte (Winter 2004/2005) 23–29 ; M. Klemenčič, V.
Klemenčič : Die Kärntner Slowenen und die Zweite Republik – zwischen
Assimilierungsdruck und dem Einsatz für die Umsetzung der Minder-
heitenrechte. Klagenfurt/Celovec [e. a.] 2010, 39–51 (Volkszählungen
bis 1939) 105–130, (Volkszählungen 1951–1971) 155–226 (Volks-
zählungen 1976–2001).
Albert F. Reiterer
Spracherwerb, vgl. Sachlemmata : →
Bildungssprache,
→
Goldene Bulle aus 1356 ; →
Immersion ; →
Kulturver-
eine ; →
Laienspiel ; →
Lingua franca ; →
Mischsprache ;
→
Muttersprache ; →
Schulwesen ; →
Schulwesen unter
jugoslawischer Verwaltung in der Zone A ; →
Theater.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602