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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Seite - 1281 -
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Seite - 1281 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž

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1281 Sprachverfall ten aber fortbestand. Im 16. Jh., beim Entstehen der Schriftsprache, waren die slowenischen Dialekte nahe am Umkippen zugunsten des Bairischen. Das sprachliche Mischmasch der →  Minnesänger, dort, wo sie ihre Windisch-Kenntnisse zeigen, wie Os- wald von Wolkenstein, ist eher artifizielle Spielerei, wiewohl sie alle mehrsprachig waren und →  windisch, d. h. Slowenisch konnten. Die Sprache der Texte der →  Klagenfurter Handschrift und die →  Trubars und →  Dalmatins (beide lebten übrigens in Deutschland) zeigen deutlich die slowenisch-»deutsche« Bilingualität des 14., 15. und 16. Jh.s und den literarischen Einfluss des prestigehaften Vorbilds der Luther-Bibel : gnada/ die Gnade, večni leben/das ewige Leben, žegen/der Se- gen, jogri/die Jünger, martra/die Marter, brumna žena/ die fromme Frau. Charakteristisch für jene Zeit sind farmošter/Pfarrer, pridiger/Prediger, šulmajster/Lehrer, gmajna/Gemeinde, škof/Bischof, grof/Graf, wobei nicht immer das Wort genau in der bairischen Form oder Aussprache übernommen, sondern irgendwie verändert wird, wie heute der Bezirkshauptmann als gospod becirk bezeichnet wird (→  Entlehnungen). Gravierender ist die Aneignung strukturell gramma- tikalischer Elemente wie der Gebrauch des bestimm- ten und unbestimmten Artikels (ta žena »die Frau«, ta mož »der Mann«, an pild »ein Bild«, anu kratku podučene »eine kurze Unterweisung«, an duh tiga lebna »ein Hauch des Lebens«, taku je ta človik postal ana živa duša »so ist der Mensch geworden eine lebende Seele«). Oder das Passiv (posvečena bodi tuje ime »geheiligt werde dein Name«, ta bode verdamnan »der werde verdammt«), oder syntaktische Parallelen wie sturimo človeka an pild de bo nam glih »machen wir den Menschen ein Bild, dass er werde uns gleich« und idiomatische Wendungen wie grehe štrajfati na sebe »Sünden auf sich nehmen«, seslužon lon »der verdiente Lohn« bis zu en zauber fant »ein fescher Kerl« im Volkslied. Ebenso die Zählweise »zweiundzwanzig« dvaindvajset. Auch die Aneignung kleiner Partikel wie le im Zusammenhang mit dem be- rühmten kärntnerbairischen lei lei. Vieles davon ist im 19. Jh. in der Schriftsprache nor- mativ beseitigt oder durch »erfundenes oder anderes Slawisch« ersetzt worden. Umgekehrt ist infolge von S. auch im steirischen Bairisch vieles dem Slowenischen nachgemacht worden. Besonders reizvolle, wenig beach- tete Spuren des Slowenischen finden sich im Bairisch der Almerinnen und in Liedern, wo der alte Dialekt an einzelnen Wörtern noch erkennbar ist. Das berühmte Juchhe und juchatzn »Juchhe schreien« kommt vom (von der Almhütte auf die Alm hinaus geschrieenen) juha je »die Suppe (das Essen) ist fertig« oder das Dulieh von dole je »er ist unten (im Tal ; ich wär allein)«. In einem der schönsten alpinen Liebeslieder heißt es : »Und i seh di ned wischpln und hör di ned schrein, da Bua wird schon längst iwa Granitzn sein…«. Wischpln ist slowe- nisch vipašljati/vipasti »das Vieh (aus-)weiden«. Das soziale Prestige der anderen Sprache im Mit- telalter ist auch an den →  Personennamen erkennbar. Statt Kinder mit slowenischen Namen zu benennen, gibt man ihnen einen modischeren germanisch-bairi- schen. Eine Zeit lang erwähnt man noch die sprach- liche Zugehörigkeit. In der Steiermark Sifridus sclavus, Gertrudis cognomine Ljuba, Ians mit czunam Maligoj. Solang es nur Dialekte und keine darauf aufbauende Schriftsprache gibt, bleibt S. unbeachtet (→  Spracher- halt). Erst mit der Schrift- bzw. →  Standardsprache beginnt die programmierte Nicht-Sprachmischung : die Beseitigung und Ächtung des Fremden durch Purismus im Glauben an eine wieder zu erreichende, verloren ge- gangene Sprachreinheit. Die ironische Ambivalenz der Selbsteinschätzung der sprachlichen Zugehörigkeit bei Zweisprachigen gipfelt in Aussagen wie : mutteršpraha je daič, a doma govorimo slovensko (unsere Mutterspra- che ist Deutsch, aber daheim reden wir slowenisch). Der Schutz vor S. zugunsten des →  Spracherhalts ist die konsequente Zweisprachigkeit ab dem Kindergar- ten und eine möglichst deutliche Repräsentanz in der Öffentlichkeit. S. hat nach keiner Seite hin eine Grenze. Lit.: H. Schuchardt : Slawo-Deutsches und Slawo-Italienisches. Graz 1884 ; O. Kronsteiner : Mehrnamigkeit in Österreich. In : Österreichische Namenforschung 2 (1975) 5–17 ; L. Spitzer (Hg.) : Hugo Schuchardt- Brevier. Ein Vademecum der allgemeinen Sprachwissenschaft. Darmstadt 1976 (1. Auflage 1921) ; O. Kronsteiner : Die Slowenen – das zweisprachig(st)e Volk Europas. In : Die Slawischen Sprachen 27 (1991) 165–198 ; W. Mayerthaler : Substratsedimente oder Sprachkon- takt. Der bairische Fall. In : Die Slawischen Sprachen 4 (1983) 31–35 ; W. und E. Mayerthaler : Aspects of Bavarian Syntax or Every Language has at least two parents. In : Die Slawischen Sprachen 35 (1994) 53–111 ; B.-I. Schnabl : Inkulturacija, fenomen kulturnih procesov na Koroškem. In : SMS XV (2012) 231–246. Otto Kronsteiner Sprachname, →  Glottonym. Sprachnorm, slowenische, vgl. →  Dialekt, →  Stan- dardsprache. Sprachverfall, →  Assimilation ; →  Germanisierung ; →  Mischsprache.
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Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Untertitel
Von den Anfängen bis 1942
Band
3 : PO - Ž
Autoren
Katja Sturm-Schnabl
Bojan-Ilija Schnabl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79673-2
Abmessungen
24.0 x 28.0 cm
Seiten
566
Kategorien
Geographie, Land und Leute
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
  2. Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
  3. Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
  4. Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
  5. Verzeichnis der Abbildungen 1580
  6. Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
  7. Biographien der Herausgeber 1602
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