Seite - 1303 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Sturm, Andrej
Valentin Lesjak, Andrej
Sturm, Katarina geb. Sturm
vereh. Polzer, Andrej Polzer
vulgo Lazar, Tomaž Holmar
(v.l.n.r.) nationale Druck und die deutschnationale Propa-
ganda hatten weite Bevölkerungsteile eingeschüchtert
und aufgehetzt (→ Deutschnationale Vereine). Die
Heimatgemeinde und Pfarre von S. waren diesen Ten-
denzen massiv ausgesetzt, vor allem auch deshalb, weil
sie nördlich an deutschsprachiges Gebiet grenzten
und im damals noch durchwegs slowenischen, unmit-
telbaren nordöstlichen Umland der Landeshauptstadt
Klagenfurt/Celovec lag (→ Sprachgrenze, → Pfarr-
karte der Diözese Gurk/Krška škofija 1924). Die
deutschnationale Seite wollte sie »eindeutschen« und
das Slowenische auch aus Kirche und Religionsun-
terricht eliminieren. Dagegen wehrte sich sowohl der
Pfarrer Jan → Brabenec als auch S., der die slowe-
nische Sprache in der Kirche mit einem sehr beachte-
ten Memorandum an das fürstbischöfliche Ordinariat
verteidigte, das im liber memorabilium der Pfarre belegt
ist. Auch sein Bruder Michael forderte bei persönli-
chen Vorsprachen bei Bischof → Rohracher für
seine Kinder Josef und Maria den Religionsunterricht
auf Slowenisch ein.
Auf der Ebene der Standesvertretung war S. be-
reits im Landeskulturrat (dieser war der Nachfolger
der ehemaligen k. k. Landwirtschaftsgesellschaft und
war mit dem Gesetz vom 3. September 1910, LGBl.
Nr. 36, errichtet worden) tätig gewesen. Als mit dem
Gesetz vom 23. Februar 1932 der Landeskulturrat in
die Landwirtschaftskammer übergeführt wurde, kan-
didierte er bei den ersten Wahlen dieses Standesgremi-
ums am 20. November 1932 für den Bezirksausschuss.
Es hatten sechs Parteien kandidiert : der Landbund, der Christliche Bauernbund, die →
Kmečka zveza
[Slowenischer Bauernbund], die Nationalsozialistische
Bauernschaft, die Sozialdemokraten und die Kommu-
nisten (die Kommunisten bekamen kein Mandat). Von
den insgesamt 19.005 abgegebenen Stimmen fielen
auf die Kmečka zveza 2.572 Stimmen und 27 Man-
date. Von den von der Landwirtschaftskammer für das
interne Gremium zu vergebenden 24 Mandaten fie-
len auf die Kmečka zveza 3 Mandate (Franz Maier,
Feistritz i. R./Bistrica v Rožu ; Anton →
Gril Blas-
nitzenberg/Plaznica, Schwager von S ; und Vinko
[Vinzenz] → Poljanec St. Kanzian/Škocjan). Für
den landwirtschaftlichen Bezirksausschuss Klagen-
furt/Celovec wurden S. und Lorenz Kramer aus
Techelweg/Holbiče Gemeinde Schiefling/Škofiče ge-
wählt. Im § 33 der Geschäftsordnung der landwirt-
schaftlichen Bezirksausschüsse wurde ausdrücklich
die deutsche Sprache als Geschäftssprache festgelegt.
Auf kommunaler Ebene war S. in der Gemeindepo-
litik tätig. Mit 4. Mai 1936 Zl. 37.921-2/1936-VI. ist
das Dekret datiert, mit dem S. vom Landeshauptmann
Hülgert zum Mitglied des Gemeindetages der Ge-
meinde St. Thomas am Zeiselberg/Šenttomaž pri Ce-
lovcu ernannt wurde. Nach 1945 wurde er als parteilo-
ser Slowene wieder Mitglied des Gemeinderates, das
Mandat wurde ihm aber entgegen den Protesten ande-
rer Gemeinderatsmitglieder von der Landesregierung
1947 entzogen. S. lebhafte, aktive identitätsstiftende
Tätigkeit zum Wohle seiner slowenischen Sprach- und
Kulturgemeinschaft wurde von den Nationalsozialis-
ten 1938 durch das Sprachverbot radikal unterbro-
chen. 1941 musste er auch die Hranilnica in posojilnica
Senttomaž [Spar- und Darlehenskasse St. Thomas] an
die Raiffeisenkasse ausfolgen. Eine Steigerung der Er-
niedrigung eines Menschen wegen seiner sprachlichen
und kulturellen Zugehörigkeit aber sollte am 14. Ap-
ril 1942 erfolgen, als er »zum Staats- und Volksfeind
erklärt und enteignet« wurde und mit seiner Fami-
lie, bestehend aus vier Kindern zwischen sieben und
zweieinhalb Jahren, seiner Frau und seinen zwei un-
verheirateten Schwestern, zur Zwangsarbeit deportiert
wurde (→ Deportation 1942). Seine älteste damals
8-jährige Tochter Veronika kam im Lager Eichstätt im
März 1943 gewaltsam zu Tode.
S. steht in dieser Enzyklopädie für viele Kärntner
Slowenen, die nach 1920, als fast die gesamte slowe-
nische Intelligenzia aus Kärnten/Koroška vertrieben
wurde (→ Vertreibung 1920), als Bauern mit mini-
maler staatlicher Ausbildung, meist mit zweiklassigen
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602