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TIGR
polo di Trieste). Vom 1.–5. September 1930 kam es zum
ersten großen Prozess in Trieste/Trst/Triest, bei dem
vier Mitglieder des TIGR zum Tode verurteilt und
daraufhin in Basovizza/Bazovica erschossen wurden
(Ferdo Bidovec, Fran Marušič, Zvonimir Miloš,
Alojz Valenčič). Zwölf weitere Personen erhielten
langjährige Haftstrafen. Im Prozess am 4. und 5. De-
zember 1931 in Rom, der eine Fortsetzung des ersten
Prozesses war, wurden 16 Angeklagte zu Haftstrafen
verurteilt. In der Folge lag der Schwerpunkt der Akti-
vitäten des TIGR vor allem auf antifaschistischer Pro-
paganda in Italien und im Ausland. Der TIGR setzte
gemeinsame Aktionen mit demokratischen Italienern
und unterzeichnete 1936 einen Vertrag mit der kom-
munistischen Partei Italiens, nachdem die Kommunis-
tischen Parteien Italiens, Österreichs und Jugoslawiens
im April 1934 eine gemeinsame Erklärung über den
Kampf für die Vereinigung und Unabhängigkeit der
Slowenen angenommen hatten. Aus einer illegalen
Organisation mit 2.000–3.000 vernetzten Mitgliedern
entstand eine Bewegung mit einem Netzwerk aus Ver-
trauensleuten.
Im Rahmen ihrer Bemühungen, die Staatsgrenzen
zugunsten des slowenischen ethnischen Territoriums
gegen Westen zu verschieben (was nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges auch tatsächlich geschah),
sammelten die Mitglieder der TIGR-Bewegung (slow.
tigrovci) zumindest seit 1938 Informationen über itali-
enische militärische Objekte : Nach längerer Untersu-
chungshaft wurden aus diesem Grund Anton Gržina,
Vincenc Hrvatin, Franc Vičič, Josip Rojc und Josip
Čeferin am 24. Oktober 1942 in Forte Bravetta bei
Rom erschossen. Nach dem Ausbruch des Krieges er-
neuerten die Leiter des TIGR aus Zentralslowenien
ihre Sabotageaktivitäten, diesmal jedoch mit Unterstüt-
zung von jugoslawischen, britischen und französischen
Nachrichtendiensten. Agenten waren auch in dem dem
Deutschen Reich angeschlossenen Österreich, u. a. in
Klagenfurt/Celovec (der Konsulatsangestellte und
Schriftsteller Karl Širok) und in Wien (der Triesti-
ner Rudolf Koren), stationiert. Aus der Grenzstadt
Jesenice sandte die TIGR antinazistisches Propagan-
damaterial vor allem sozialistischen und kommunisti-
schen Gruppen im Reich (angeblich bis nach Berlin),
doch auch britisches Material, das pro-habsburgisch
orientiert war. Die Kärntner Slowenen, unter ihnen ab
Ende 1939 in einer führenden Rolle Alojz → Knez,
schickten und leiteten Sabotagematerial an slowe-
nisch-, deutsch- und italienischsprachige Eisenbahner weiter, die in Kärnten/Koroška, in der Steiermark und
im damals schon italienischen → Val Canale/Kanaltal/
Kanalska dolina den Transport von Militärgütern und
Kohle zwischen Deutschland, Italien und Jugoslawien
behindern wollten.
Den Höhepunkt der Aktivitäten des TIGR auf ös-
terreichischem Boden war im Frühjahr 1940, als am
Abend des 15. April 1940 bei Judenburg eine Mine
unter einem Güterzug explodierte. Noch in derselben
Nacht, am 16. April 1940, explodierte auf derselben
Bahnstrecke zwischen Judenburg und Thalheim eine
zweite Mine. Am 19. Mai 1940 explodierte zwischen
den Stationen Thalheim und Judenburg eine dritte
Mine. Der Schaden war jedes Mal gering, die Detona-
tionen führten nicht zu Entgleisungen der Züge, doch
nahmen die deutsche Polizei und die höchsten Vertre-
ter des Reiches die Sache sehr ernst, handelte es sich
dabei doch um die ersten Bombenattentate auf dem
Gebiet Österreichs als Teil des im Krieg befindlichen
Deutschen Reiches bzw. handelte es sich um die bis
dahin größten Sabotageakte auf dem Gebiet des Deut-
schen Reiches überhaupt. Die Gestapo identifizierte
im Juni 1940 23 Mittäter. Vom 17.–25. Juni 1941 kam
es am Klagenfurter Landesgericht vor dem 3. Senat
des Reichskriegsgerichtes unter dem Vorsitz des SS-
Obergruppenführers Dr. Karl Schmauser zum Pro-
zess gegen 13 Personen : Martin Čemernjak, Engel-
bert Glitzner, die Brüder Anton und Franc Ivančič,
Franc Knez (Knes) und Konrad Lipuš (Lipusch)
wurden zum Tode verurteilt und am 4. November 1941
in Brandenburg bei Berlin enthauptet. Die anderen
Frauen und Männer aus der Gruppe um Knez wurden
zu längeren Kerkerstrafen verurteilt (auch dessen Mut-
ter Terezija und Schwester Ana Knez). Franc Mel-
cher, Mitglied der Gruppe, starb am 13. September
1941 im Krankenhaus in Klagenfurt/Celovec. Später
wurden noch weitere drei Mitstreiter der Sabotage-
gruppe umgebracht : Kilian Schauss wurde im Juni
1942 in Wien enthauptet, Anton Tuder starb am 27.
August 1942 im KZ Gusen und Josef Knez starb am
2. Juni 1943. Ohne Prozess erschossen die Nazis noch
drei weitere Personen, die mit den Sabotageakten in
Verbindung gebracht wurden : Lavoslav Planišček
und Nikolaj Loncner wurden in Draga bei Begunje
am 30. Dezember 1941 erschossen, Karel Širok (wahr-
scheinlich) am 2. Jänner 1942 ebendort.
Am 5. Juni 1940 fand man auf dem Eisenbahn-
gleis zwischen Tarvisio/Travis/Trbiž und Camporosso/
Saifnitz/Žabnice im Val Canale/Kanaltal/Kanalska
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602