Seite - 1360 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Toponomastik
Toponomastik (Ortsnamensforschung), vgl. Sachlem-
mata : → Namenkunde ; → Bergname, → Flurname,
→ Flurnamen in St. Thomas am Zeiselber/Šenttomaž
pri Celovcu, → Gewässername, →
Ortsname ; → Orts-
repertorium ; →
Landes-Einteilungs-Erlass 1850, 1854,
→ Landes-Einteilungs-Verordnung 1854 ; → Orts-
verzeichnisse 1860, 1880/82, 1883, 1910/18 ; → Top-
onyme, karantanisch-slowenische in der Steiermark ;
→ Toponyme slawischer bzw. slowenischer Herkunft
in Osttirol und in Salzburg, → Vulgoname.
Toponyme, karantanisch-slowenische in der Steier-
mark. In der heutigen österreichischen Steiermark sind
über 600 Toponyme (erhoben auf Basis der Österrei-
chischen Karte 1 :50.000) slawischen Ursprungs.
Am Ende des 6. Jh.s waren die →
Slawen von Süd-
osten kommend vermutlich über die Täler der Save/
Sava, Drau/Drava und Mur/Mura in den Ostalpen-
raum vorgedrungen, wo es Berichten des langobardi-
schen Geschichtsschreibers Paulus Diaconus zufolge
zu Zusammenstößen mit den Baiern kam (→
Historia
Langobardorum, → Conversio Bagoariorum et Caranta-
norum). Nach dem entscheidenden slawischen Gegen-
schlag bei Aguntum 610 war der bairischen Machtaus-
breitung vorübergehend ein Ende gesetzt, die Slawen
begannen sich anzusiedeln und um die Mitte des 7. Jh.s
entwickelte sich als politischer Mittelpunkt des Ostal-
penraumes das Fürstentum → Karantanien mit Zent-
rum in → Karnburg/Krnski Grad am → Zollfeld/Gos-
posvetsko polje, zu dessen Territorium mit Ausnahme
des Ostens auch die Steiermark gehörte.
Wie die →
Gewässer-, → Berg-, → Orts- und Flur-
namen zeigen, war die gesamte Steiermark von Slawen
bevölkert, wobei sich die Täler der großen Flüsse Enns/
Aniža, Mur/Mura und Mürz/Murica samt Nebenar-
men mit einer Konzentration im Bereich des Aichfel-
des als bevorzugte Siedlungsgebiete erwiesen (→ Slo-
venia submersa). Während auch das weststeirische
Hügelland, der Sausal sowie das Laßnitz- und Sulmtal
dicht besiedelt waren, fällt das völlige Fehlen slawischer
Ortsnamen auf dem Grazer Feld und ihr geringes Vor-
kommen im Joglland und dem oststeirischen Hügel-
land bis zur Raab/Raba auf.
Die Toponyme weisen die phonetisch wie morpho-
logisch typischen → alpenslawischen Merkmale in ei-
ner älteren und einer jüngeren Form auf. Für die ältere
Phase charakteristisch sind die ursprüngliche Stellung
der Liquide l und r (*baltьna, Palten, 1080 Palta), das
Fehlen von prothetischem j (*ablanьnika, Afling, 1318 Avelinch ; *ablanьnica, Aflenz, 1025 locus Auelniz) und
epenthetischem l (*trěbjane, Trofaiach [ca. 1080 Treuia,
Triueiach], die Lautgruppe dl (*sedlьčane, Selzthal,
ca. 1080 Ediltscach, -sach), die Nasale eN (*VeNčьj-,
Fentsch, 1171 Venx) und oN (*adъmoNt-, Admont,
1005 Adamunta, Adamantis, Admunt) und ƙ als Reflex
für urslawisch *tj/kť (*Peƙane, Peggau, ca. 1050 Pecah)
sowie Hydronyme auf -ika (*lěštьnika, Liesing, 860, 890,
915, 982, 984 Liestnicha) und aus Personennamen ge-
bildete Ortsnamen (*Radigoj/ьj, Radiga, 1332 Ratigoy),
insbesondere jene auf -iƙi aus *-itji ( *Junoboriƙi zum
PN *Junobor, Judenburg, c. 1080 Judinburch) (→ Per-
sonennamen, karantanerslowenische). In der jüngeren
Phase ist die Liquidametathese vollzogen (*gradьcь,
Graz, 1128 Gracz), prothetisches j (*jedlьnika, Irdning,
ca. 1185 fluuius Jedenich) und epenthetisches l (*goN-
bljane, Gimplach, ca. 1155 Gomplach) treten auf, dl
geht in l über (*močilo, Mötschlach, 1293 Moetslach),
die Entnasalisierung der Nasale tritt ein (*kъneNzьja,
Gnas, 891 aqua Knesaha) und ƙ wird zum Sibilant
(*pečina, Pötschen, 1396 Pechen). Die jüngere Form
der Hydronyme lautet nun auf -ica (*bystrica, Feistritz,
1245 flumen Fystriz), Bewohnernamen auf -jane, zu-
meist in der Lokativform auf -jachъ (*doNbljane,
Diemlach, 1023 Domiahc) und suffixlose Ortsnamen
(*prěpuchъ, Präbichl, 1498 Prepuchel) werden häufig.
Eine klare Trennung in eine ältere und eine jüngere
slawische Namensschicht ist allerdings nicht möglich,
da in der Regel ältere und jüngere Merkmale gemein-
sam vorkommen. Aus diesem Grund können auch
keine Rückschlüsse auf Einwanderungswege oder ver-
schiedene slawische Migrationsströme im Bereich der
Steiermark gezogen werden.
Die Übernahme vorslawischen bzw. alteuropäischen
wie romanischen Namengutes lässt auf romanisch-sla-
wische Kontakte schließen (→
Altladinisch, → Inkul-
turation). Demnach waren die Slawen nicht in men-
schenleere Gebiete eingewandert (→
Kontinuität). Da
die Steiermark zu den ehemals römischen Provinzen
Noricum und Pannonien gehörte, trafen sie hier auf
eine noch romanisch sprechende Bevölkerung, die das
in Gebrauch stehende Namensgut an sie weitergab. Es
handelt sich dabei vornehmlich um Gewässernamen
(Mur, 890 Muora und Mürz, 860 Moriza, zum vorsl.
mor- ; Adning, ca. 1080 Arnich, zum vorsl. GewN *ar-
dantia ; Laufnitz, ca. 1080 Lufnitz, zum vorsl. GewN
*luben). Im Falle der häufigen Kulm-Namen wird die
Kreuzung von slawisch chъlmъ »Hügel« mit romanisch
culmen »Gipfel« angenommen.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602