Seite - 1445 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Volksabstimmungspropaganda
wurde die slowenische sozialdemokratische Agitation
vernachlässigt und teilweise abgelehnt ; teilweise war
ihr wegen der schlechten bzw. nicht eingerichteten
Strukturen der jugoslawischen bzw. slowenischen so-
zialdemokratischen Partei kein Erfolg beschieden, die
in diesem Gebiet mit der gut ausgebildeten und ein-
gespielten Organisation der Kärntner sozialdemokra-
tischen Partei in Wettbewerb treten musste. Für die
Gewinnung der sog. »Zauderer« (omahljivec/omahljivci)
trat die jugoslawische Agitation mit nationalen Slo-
gans auf, mit Apellen zur Treue zum eigenen Volk, mit
Warnungen vor dem wirtschaftlich darniederliegenden
und verarmten Österreich sowie mit Slogans über das
wirtschaftliche Aufblühen Jugoslawiens. Beide Staaten
verteilten im Rahmen ihrer Agitation Nahrungsmittel
und gewisse weitere Bedarfsgüter, für die die jugosla-
wische Propaganda behauptete, sie seien in Österreich
Mangelware, was sich nach der Öffnung der Demarka-
tionslinie teilweise als unwahr herausstellte. Dabei gilt
es hervorzuheben, dass die österreichische Propaganda
über beträchtlich mehr finanzielle Mittel verfügte als
die slowenische. Ein Großteil der slowenischen Agi-
tation war eine sog. negative Propaganda, d. h., dass die
→
»Deutschtümler« verhöhnt und moralisch verurteilt
wurden und dass gleichzeitig mit Drohungen und Ver-
ängstigungen operiert wurde, welche Folgen diese im
neuen Staat zu erwarten hätten. Ein bedeutender Akt
der jugoslawischen Verwaltung im Sinne der Propa-
ganda war die Einziehung und temporäre Teilung von
Großgrundbesitz, was eine bedeutende soziale und na-
tionale Auswirkung hatte, da es sich dabei vornehmlich
um deutschen Besitz handelte. Die Wirkung wurde
stark abgeschwächt, als die Abstimmungskommission
auf Wunsch Österreichs die Maßnahme im August
1920 aufhob. Die slowenische Agitation antwortete auf
die Gegenpropaganda betreffend die republikanische
Staatsordnung Österreichs und den langen Wehrdienst
im Königreich SHS mit Behauptungen von einem baldigen Ausbruch eines Bürgerkrieges, einer sozia-
len (roten) Revolution sowie mit nicht überzeugenden
Antworten auf die Aussagen über die Modernität und
Attraktivität der österreichischen Sozialgesetzgebung.
Auf die österreichischen Behauptungen, die Zone A
könnte ohne die Wirtschafts- und Handelszentren von
Klagenfurt/Celovec und Villach/Beljak nicht überleben,
antwortete die slowenische Seite offensichtlich erfolg-
los mit einer ähnlichen Behauptung, dass sich nämlich
die traditionellen Zentren der Slowenen in Kärnten/
Koroška selbst der Zone A anschließen würden (»Ne
želi Celovca, ker pride sam k nam !« [Wünsche nicht
Klagenfurt, weil es selbst zu uns kommt !]). Das Anse-
hen der jugoslawischen Verwaltung in der Zone A sank
nach dem Juli 1920 stark, als die internationale Volksab-
stimmungskommission ihre Tätigkeit aufnahm, die mit
einigen ihrer Beschlüsse das Vertrauen der Bevölkerung
in diese herabsetzte. Später wurde die Demarkations-
grenze abgeschafft, die jugoslawische Armee zog sich
zurück usw. Die österreichische Propaganda tat sich
stärker hervor und betonte den zeitlich beschränkten
Charakter der jugoslawischen Verwaltung. Besonders
erfolgreich war die Propaganda der Kärntner Sozialde-
mokratie, die auch die slowenischen Wähler ansprach.
Als Propagandamittel setzten beide Staaten alle
möglichen legalen Mittel ein : Plakate, Flugblätter,
Zeitungsartikel, Versammlungen usw. Es kamen jedoch
auch illegale Mittel zum Einsatz : Bestechung, physi-
sche Abrechnungen, verbale Gewalt usw.
In den beschriebenen Verhältnissen spiegelten sich
vor allem die Besonderheiten der historisch bedingten
Beziehungen zwischen den zwei Völkern in Kärnten/
Koroška (die kulturelle, wirtschaftliche, politische und
sprachliche Germanisierung der Slowenen im Land)
sowie allgemein die langfristigen Wirkungen des deut-
schen Verwaltungsapparates, der Beamtenschaft und
der traditionellen Anbindung an den deutschsprachig-
österreichischen Raum. Dies konnte die slowenische
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602