Seite - 1446 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Volksabstimmungspropaganda
bzw. jugoslawische Verwaltung in knapp eineinhalb
Jahren nicht wettmachen. Angeführt sei zudem, dass
in der Zeit der jugoslawischen Verwaltung in der
Zone A keine Wahlen abgehalten wurden. Eine ge-
wisse negative Auswirkung hatten auch die Internier-
ten und Flüchtlinge, die allerdings auf beiden Seiten
zu verzeichnen waren (→ Internierungen 1919). Ei-
nen Einfluss auf die Entscheidung der Wähler hatten
auch das öffentliche Schreiben des Generalvikars für
Kärnten/Koroška Matthias → Randl, in dem er eine
Stimme für den neuen jugoslawischen Staat begründet
sowie das Rundschreiben des Gurker Bischofs Adam
→ Hefter, in dem dieser Randls Schreiben ablehnt
und die Unterschiede zwischen den Katholiken und
den Orthodoxen betont. Der Ausgang der Volksab-
stimmung ist nicht gleichzusetzen mit der ethnischen
Struktur der Einwohner der Zone A. Besonders ist die
Rolle der Kärntner Sozialdemokratie hervorzuheben,
die hinsichtlich der ethnischen Struktur und der rea-
len Verhältnisse im Land jenen entscheidenden Faktor
darstellte, der die Abstimmung zugunsten Österreichs
ausgehen ließ. Angeführt seien auch die parteiische Tä-
tigkeit der Volksabstimmungskommission und einige
Ereignisse in Ljubljana und in Jugoslawien, die auf die
Geburtswehen des neu errichteten Staates zurückzu-
führen waren, der sich nicht mit einem gut eingelau-
fenen Verwaltungs- und Staatsapparat messen konnte.
Bereits am 20. Oktober 1920 offenbarte der Landes-
verweser Arthur Lemisch seine grundrechtsverach-
tende Interpretation der leeren Propagandaverspre-
chungen hinsichtlich der Achtung und Förderung
der slowenischen Sprache und Kultur in der Republik
Österreich. In einem Beitrag in der Kärntner Lands-
mannschaft schrieb er über jene Slowenen, die gegen
den Verbleib bei Österreich gestimmt haben : »Nur ein
Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum
Kärntnertum zurückzuführen. Mit deutscher Kultur
und Kärntner Gemütlichkeit wollen wir in einem Men-
schenalter die Arbeit geleistet haben.« Noch deutlicher
etwas weiter : »Ehe wir aber das Werk der Liebe begin-
nen, lasst uns erst jenes der Vergeltung vollenden. Los
und ledig wollen wir sein all derjenigen, die den heili-
gen Frieden unserer Heimat schändeten.« Im Rahmen
der feierlichen Sitzung des Kärntner Landtages am 25.
November 1920 erklärte Lemisch, dass bei der Erneu-
erung der Heimat nicht die 15.279 Personen vergessen
werden dürften, die bei der Volksabstimmung für den
Anschluss an Jugoslawien gestimmt hätten. Davon seien,
so glaube man, mehrere Tausende Verführte, die wieder für Kärnten gewonnen werden sollten … Nur ein Men-
schenalter sei Zeit, dass diese Verführten wieder zurück
zum Kärntnertum geführt würden ; im Zeitraum einer
Generation sei die Arbeit zu vollenden. Diese würden
nicht die Behörden oder Regierungen vollbringen kön-
nen, dafür müsse die Kärntner Bevölkerung selbst sor-
gen ; Heim, Schule und Kirche müssten bei der Heilung
mitarbeiten … (»Pri obnovi domovine ne smemo poza-
biti tistih 15279, ki so pri plebiscitu glasovali za priklju-
čitev k Jugoslaviji. Mislimo, da je od teh gotovo več tisoč
zapeljancev, ki jih hočemo pridobiti zopet za Korošce
… Samo obdobje enega človeškega življenja imamo časa,
da te zapeljance pripeljemo nazaj h koroštvu ; v času ene
generacije moramo dovršiti vzgojno delo. Opraviti ga ne
bodo mogle oblasti in vlade, za to bo moralo poskrbeti
koroško ljudstvo samo ; dom, šola in cerkev bodo morali
sodelovati pri zdravljenju …«).
Archive : ARS, 1164, Podserija IV, Zgodovinski arhiv, 1. Del : Avstrija
– Koroška I. (1905–1979) ; Zbirka INV, škatla 77, Propagandni mate-
rial ; ARS 1164, Zbirka INV, škatla 82, Koroški plebiscit 1920.
Lit.: ES (J. Pleterski : Koroški plebiscit). – Kärntern Landsmannschaft,
Nr. 80, 20.10.1920 ; J. Pleterski, T. Zorn : Slovenska Koroška v plebis-
citnem obdobju (Manuskript). Ljubljana 1967 ; J. Pleterski, L. Ude,
T. Zorn (ur.) : Koroški plebiscit. Ljubljana 1970 ; H. Rumpler (Hg.) :
Kärntens Volksabstimung 1920. Wissenschaftliche Kontroversen und
historisch-politische Diskussionen anläßlich des internationalen Symposi-
ons Klagenfurt 1981. Klagenfurt 1980 ; Kärnten Volksabstimmung 1920.
Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. Wien/München/Kleinenzersdorf
1981 ; M. Kos (ur.) : Koroški plebiscit, Razstava in simpozij. Slovenj
Gradec 1990 ; J. Stergar : Koroški plebiscit. In : Slovenska kronika XX.
stoletja, 1900–1941. Ljubljana 1995, 247–249 ; H. Valentin, S. Hai-
den, B. Maier (Hg.) : Die Kärntner Volksabstimmung 1920 und die Ge-
schichtsforschung. Leistungen. Defizite, Perspektiven. Klagenfurt 2002 ;
J. Pleterski : Koroški plebiscit 1920. Poskus enciklopedične razlage gesla o
koroškem plebiscitu/Kärntner Volksabstimmung 1920. Versuch einer en-
zyklopädischen Auslegung des Stichwortes »Kärntner Volksabstimmung«.
In : Zbirka Zgodovinskega časopisa 27 ; Ethnicity 5. Ljubljana 2003.
Danijel Grafenauer ; Üb.: Bojan-Ilija Schnabl
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602