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Wahlordnungen und Nationalitätenpolitik vor dem Ersten Weltkrieg
bedeuteten die Landtagswahlen von 1902. Trotz der
Wahlrechtsreform verlor die KSS zwei der drei → Ab-
geordneten der Bauernkurie im Landtag. Die Folge
dieser Rückschläge und der fast vollkommenen Isola-
tion, in der sich die slowenische politische Bewegung in
Kärnten/Koroška befand, war die stärkere Anbindung
an die Krainer Katoliška narodna stranka [Katholische
Nationalpartei] (seit 1905 Slovenska ljudska stranka
[Slowenische Volkspartei], SLS). Diese politische und
zum Teil auch ideologische Neuorientierung wurde
im Wesentlichen vom Rechtsanwalt Janko → Brejc
getragen, der 1903 von Ljubljana nach Klagenfurt/
Celovec übersiedelte und 1904 die Führungsrolle im
KPGDSK übernahm. Janko Brejc brachte zweifel-
los neuen Schwung in die politischen Strukturen der
Kärntner Slowenen. Obwohl es wegen der Wahlkrei-
seinteilung 1906/7 in Kärnten/Koroška zu schweren
Unstimmigkeiten zwischen der Krainer und Kärnt-
ner politischen Führung gekommen war, setzte Brejc
schließlich auch die Vereinigung der KSS mit der Kra-
iner, Görzer und istrischen Slowenischen Volkspartei
sowie des untersteirischen slowenischen Bauernbundes
in der Vseslovenska stranka [Allslowenische Partei] im
Jahre 1909 durch. Brejc wurde zum Vizepräsidenten
der Vseslovenska stranka gewählt. Parallel zur Anleh-
nung an die konservative gesamtslowenische politische
Bewegung wurden die Kärntner slowenischen Kredit-
anstalten und Genossenschaften aus der Zentralkasse
der Kärntner Genos senschaften in Klagenfurt/Celovec
sowie des slowenischen Genossenschaftsverbandes in
→
Celje herausgelöst und dem Genossenschaftsver-
band in Ljubljana, der unter der Kontrolle der SLS
stand, eingegliedert (→ Genossenschaftswesen).
Die Umstrukturierung in der slowenischen politi-
schen Organisation brachte 1905 bei den Ersatzwahlen
zum Reichsrat im Wahlbezirk Klagenfurt-Völkermarkt/
Celovec-Velikovec einen ersten politischen Erfolg. Die
Wahlen fanden noch nach dem alten Kurienwahlsys-
tem statt, doch wurden die Kandidaten direkt gewählt.
Mit einem hauchdünnen Vorsprung von 84 Stimmen
konnte der deutschnationale Kandidat Seifritz die
Wahlen zwar für sich entscheiden, die KSS jedoch legte
nach den Wahlrückschlägen zu Beginn des Jahrhun-
derts erstmals wieder zu und stellte ihre Mobilisie-
rungskraft unter Beweis.
Bei den Reichsratswahlen 1907 kam zum ersten Mal
das allgemeine Wahlrecht für Männer zur Anwendung.
Die Wahlkurien wurden abgeschafft und die Kärntner
Reichsratsmandate in insgesamt 10 Wahlbezirken er- mittelt, wobei die Wahlbezirkseinteilung die Kärntner
Slowenen krass benachteiligte. Die KSS hatte nur im
sog. slowenischen Wahlbezirk Ferlach – Eberndorf
– Eisenkappel – Bleiburg / Borovlje – Dobrla vas –
Železna Kapla – Pliberk reelle Chancen, ein Mandat
zu erringen, alle anderen slowenischsprachigen Gebiete
wurden den mehrheitlich deutschsprachigen Wahlbe-
zirken zugeschlagen. Im »slowenischen« Wahlbezirk
konnte sich dann auch der slowenische Kandidat Franc
→ Grafenauer mit absoluter Mehrheit bereits im
ersten Wahlgang durchsetzen. In den anderen Wahl-
bezirken mit slowenischem Bevölkerungsanteil musste
die KSS eine jeweils unterschiedliche Wahltaktik ein-
schlagen. Die potenziellen slowenischen Wähler wähl-
ten je nach politischer Konstellation eine jeweils andere
Partei (slowenisch-katholische Sammelpartei, deutsche
christlichsoziale Partei, sozialdemokratische und sogar
deutschnationale Partei), was sich auf das slowenische
politische Bewusstsein verheerend auswirken musste.
Nach den Berechnungen von Janko Pleterski waren
in Kärnten/Koroška durchschnittlich 3.142 Stimmen
für ein Reichsratsmandat notwendig, den Empfehlun-
gen der KSS folgten rund 9.441 Wähler, was für drei
Mandate ausgereicht hätte. Die KSS jedoch konnte nur
ein Mandat erlangen.
Im gleichen Jahr wurde der Versuch unternommen,
eine slowenisch-liberale politische Ausrichtung in
Kärnten/Koroška zu etablieren – die Initiative dazu
kam mit der Gründung der slowenischen Zeitung
→ Korošec [Der Kärntner] aus dem liberalen Lager in
→ Krain/Kranjska –, dieser Versuch musste jedoch we-
gen der starken nationalen Polarisierung in Kärnten/
Koroška, die gleichbedeutend für slowenisch-konser-
vativ bzw. -national und deutsch-liberal bzw. -national
war, und der kaum vorhandenen liberalen Gruppe unter
den Kärntner Slowenen zwangsläufig scheitern.
Bei den Landtagswahlen 1909 und den Reichsrats-
wahlen 1911 kam wiederum die krasse Benachteiligung
der slowenischen Wählerschaft durch das Wahlgesetz
und die Wahlkreiseinteilung zum Ausdruck. Die Wah-
len wurden von immer heftigeren nationalen Gegen-
sätzen begleitet, vor allem im slowenischen Wahlbezirk,
in dem die deutschnationale politische Ausrichtung
verstärkt zu punkten versuchte (→ Deutschnationale
Vereine).
Die Gemeinderatswahlen waren ausgesprochene
Steuerwahlen. Je nach Höhe der bezahlten direkten
Steuern wurde die Steuer zahlende Bevölkerung in drei
(teilweise auch zwei) Klassen aufgeteilt. Das Wahlrecht
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602