Seite - 1504 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Wiegele, Franz
KS, 4. 9. 1940
Wiegele, Franz (* 23. Februar 1887 Nötsch im Gailtal/
Čajna, † 17. Dezember 1944 ebd.), expressionistischer
Maler des sog. Nötscher Kreises (Čajnska šola umetni-
kov oder Čajsnki krog) mit slowenischen Wurzeln und
Wegbereiter der modernen Malerei in Österreich.
W. wuchs als drittes von vier Kindern des Schmie-
des Franz Wiegele sen. (1858–1912) und seiner Frau
Gertrud (1855–1944) im damals noch weitgehend slo-
wenischen Unteren → Gailtal/Spodnja Ziljska dolina
auf (→ Sprachgrenze ; → Pfarrkarte der Diözese Gurk/
Krška škofija), wobei der sprachlich-kulturelle Aspekt
in den kunsthistorischen Biografien W.s selten bis gar
nicht thematisiert wird. Anzunehmen ist, dass das all-
gemeine gesellschaftliche Ambiente jener Zeit, das in
Europa den Expressionismus in der Malerei hervorge-
bracht oder beeinflusst hatte, welches die expressionis-
tische Malerei auf ihre Art wiederum verarbeitete und
spiegelte und das in Kärnten/Koroška pronociert min-
derheitenfeindlich war, auch im Bezug auf die Kärntner
Malerei durchaus relevant war, wobei sich überregionale
und regionale gesellschaftliche Strömungen in ihren
Auswirkungen überlappten (vgl.: → Kulturgeschichte
[= Einleitung, Band 1]).
So finden sich nur wenige Erwähnungen des sprach-
lichen Aspektes in W.s. Biografien. Pilgram/Mau-
rer und Hirtenberger/Steiner folgend, soll er
sich in der Nazi-Zeit »öffentlich und demonstrativ des
Slowenischen bedient« haben. Dass W. zum Sloweni-
schen eine besondere Beziehung hatte und dass er es
im Alltag sprach, bestätigt Katharina Herzmansky in
einem 2013 gegebenen Interview, in dem sie die Ju-
genderinnerungen ihrer mit W. verwandten Großmut-
ter zitiert.
Seine Verankerung in der Gailtaler (slowenischen)
Tradition bestätigt die Tatsache, dass er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Alfred (1892–1979) zwischen
1897–1900 in → Trieste/Trst/Triest die Unterstufe der
Mittelschule besuchte und erst 1900 an die Realschule
in Klagenfurt/Celovec wechselte, wo er 1905 matu-
rierte.
Auf Anraten seines Nötscher Jugend- und Maler-
freundes Sebastian Isepp (1884–1954) begann er 1907
sein Studium an der Akademie der bildenden Künste
in Wien und erhielt in der Folge ein Staatsstipendium
sowie 1909 den Dessauer-Preis, wobei er sich laut
Lachnig zwischen 1907 und 1911 »weitgehend vom
offiziellen Lehr- und Studienbetrieb absentierte« und
sich die »Natur, gute Bilder und Freunde« als »Lehrer«
erwählte. An der Akademie freundet er sich mit seinem
Studienkollegen Anton Kollig (1. Juli 1886 Nový
Jičín in Mähren – 17. Mai 1950 Nötsch/Čajna) an, was
nach Lachnig angesichts der Ablehnung des Akade-
mismus »das positivste Ereignis, der größte Gewinn der
Zeit« gewesen sei. Zusammen mit Anton Mahringer
(1902–1974) bilden diese vier Maler den sog. Nötscher
Kreis (Čajnska šola umetnikov oder Čajsnki krog). Lach-
nig diskutiert allerdings die Kategorisierung in Be-
zug auf die darunter subsumierten Künstler – weitere
Künstler werden in diesem Kontext erwähnt – sowie
deren unterschiedliche Ausrichtungen. 1909 beteiligte
sich W. an der Gründung der »Neukunstgruppe« unter
der Führung von Egon Schiele als Ausdruck »einer
gemeinschaftlichen Protesthaltung gegen den Akade-
mismus, gegen den etablierten Kunstbetrieb und den
als obsolet empfundenen Formalismus des ausklin-
genden Jugendstils« (Lachnig). 1911 nahm W. an
der als bahnbrechend eingestuften »Sonderausstellung
für Malerei und Plastik« in den Räumen des Wiener
Hagenbundes teil. 1911 heiratete W.s Schwester, Ka-
tharina, Anton Kollig. 1912 und 1913 folgten Studi-
enreisen nach Paris und Holland, die durch Stipendien
und Mäzene ermöglicht wurden. Während einer Reise
nach Nordafrika wurde er bei Ausbruch des Ersten
Weltkrieges 1914 im damals französischen Algerien
festgenommen und kam erst 1916 nach einer schweren
Lungenerkrankung im Zuge eines Gefangenenaustau-
sches frei. Nach der Überstellung in die Schweiz blieb
er bis 1925 in der Schweiz und malte in jener Zeit
hauptsächlich Porträts und Stillleben. Danach wurde
wieder Nötsch/Čajna zu seinem Lebensmittelpunkt.
1926 erwarb die Österreichische Galerie Belvedere ein
in Paris geschaffenes und von den Geschwistern Maria
und Bohdan Herzmansky zurückgeholtes Bild des
Künstlers. In jener Zeit widmete er sich auch der Bild-
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602