Seite - 1516 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Windisch St. Michael/Slovenji Šmihel
Windisch St. Michael/Slovenji Šmihel (dt. heute
St. Michael ob der Gurk, historischer Gemeinde-
sitz von Poggersdorf/Pokrče, heute Stadtgemeinde
→ Völkermarkt/Velikovec), vgl. → Grabinschriften ;
→ Hutter, Janez ; →
Švikaršič, Zdravko.
»Windische Ideologie«, auch Ideologie des → »win-
dischen« Erzherzogtums Kärnten/Koroška, slow. etwa
ideologija o Korotanu kot slovenji nadvojvodini, bezeich-
net eine Strömung im 16. Jh. zur Zeit des Humanismus
und der Reformation (→ Protestantismus) und ist Aus-
druck eines spezifischen Kärntner Landesbewusstseins,
das seine Eigenständigkeit durch die Hervorhebung des
slawischen/slowenischen Anteils an der Geschichte des
Landes betont. Nach Neumann ist der »Stolz auf das
›Windischsein‹ des Landes« »Ausdruck eines histori-
schen landschaftlichen Sonderbewusstseins des deut-
schen Kärntner Adels«. Sie wurzelte in der Zeremonie
am →
Zollfeld/Gosposvetsko polje beziehungsweise
im ihr verliehenen Inhalt, und wurde realpolitisch im
16. Jh. wirksam, als die Kärntner Stände bemüht wa-
ren, das Land politisch vollkommen zu integrieren. Ein
langwieriger Konflikt (1521–1535) entzündete sich um
die Rechtsstellung der bambergischen Besitzungen in
Kärnten/Koroška (unter anderem das obere Lavanttal,
die Gegend um Griffen/Grebinj, das Kanaltal sowie die
Städte → Villach/Beljak, Wolfsberg, Tarvisio/Tarvis/
Trbiž und Feldkirchen/Trg), das heißt um das Beharren
des Hochstiftes Bamberg auf Reichsunmittelbarkeit und
eigene Landeshoheit. Der Konflikt wurde mit einem
Kompromiss zwischen den Habsburgern und Bamberg
beigelegt, die eigentlichen Sieger waren jedoch die Ver-
fechter der Kärntner Landeseinheit. Die Erinnerung an
die die Spitzen des Landes bewegende Auseinanderset-
zung war einige Jahrzehnte später noch frisch.
Komprimiert kommt dieses Kärntner Landesbe-
wusstsein im Hauptwerk der Kärntner Geschichts-
schreibung des humanistischen Zeitalters zur Geltung,
in der im Jahre 1588 vollendeten Historia Carinthiaca
des protestantischen Prädikanten Michael Gotthard
→ Christalnick (um 1535–1595), die im Jahre 1612
von Hieronymus →
Megiser in einer redigierten und
gekürzten Fassung veröffentlicht wurde. M. G. Chris-
talnick, im Kärntner Zentralraum geboren und mög-
licherweise slowenischer Herkunft, war vom Wunsch
geleitet, »die verlorene ehr des erzherzogtums Kärnd-
ten herwider zu bringen«.
Einen hervorragenden Platz bei diesem Unterfangen
bildete die Schilderung der mittelalterlichen Landesge- schichte und hier wiederum die Hervorhebung seines
»windischen« Anteils (→
Kontinuität). Dazu gehört
nicht nur die traditionelle Betonung der erhabenen
Position der slowenischen Sprache bei der Zeremonie
der Herzogseinsetzung (→
Fürsteneinsetzung) und die
Anführung der angeblichen Ehrenpflicht des Kärntner
Herzogs, sich bei Anklage vor dem Reich nur in ihr ver-
antworten zu müssen (→
Johannes von Viktring). Um
die staatsrechtliche Sonderstellung von Kärnten/Koroška
(Erzherzogtumstheorie) zu untermauern, erdichtete er
(neben anderen) sogar die Existenz zweier →
Quellen-
schriften, der Collectanea etlicher windischer Taten und der
Farrago von den windischen herzogen in Kärnten. Beide
dienten ihm dazu, die Zeit zwischen der Mitte des 6. Jh.s
bis zum Jahre 800 plastisch schildern zu können.
Die »windische Ideologie«, das damals herrschende
und von den Ständen getragene Kärntner Landes-
bewusstsein, lebte also noch zur Zeit der Hochblüte
der slowenischen Reformation ungebrochen weiter
(Primož →
Trubar). Sie gab einen guten Nährboden
für die slowenische reformatorische Aktion ab, beson-
ders förderte sie bei den Kärntner Landständen die
Weckung der Bereitschaft, slowenische Buchprojekte
finanziell zu unterstützen. Am wichtigsten Buchpro-
jekt der slowenischen Reformation, an der Herausgabe
der → Dalmatinbibel, beteiligten sich auch die Kärnt-
ner Landstände. Auf der Zusammenkunft in Bruck im
Jahre 1578 entschlossen sie sich, gemeinsam mit den
Landständen von → Krain/Kranjska und der Steier-
mark/Štajerska für die Gesamtausgabe. Sie beteiligten
sich mit einem Betrag von rund 1.300 Golddukaten,
was etwas weniger als ein Fünftel der Gesamtkosten
darstellte und übernahmen dreihundert Exemplare der
slowenischen Bibel.
Lit.: W. Neumann : Michael Gothard Christalnick. Kärntens Beitrag
zur Geschichtsschreibung des Humanismus. Klagenfurt 1956, 21999 ;
W. Neumann : Wirklichkeit und Idee des ›windischen‹ Erzherzogtums
Kärnten. In : Südostdeutsches Archiv III (München 1961) 156 ; T.
Domej : Die Slowenen in Kärnten und ihre Sprache, mit besonderer Be-
rücksichtigung des Zeitalters von 1740 bis 1848, Wien, Phil. Diss. 1986
(VII, 562 S.) 85 f.; T. Domej : Sprachsoziologische Betrachtungen zum
Slowenischen in Kärnten an der Wende von der evangelischen Reforma-
tion zur katholischen Reform. In : F. M. Dolinar [e. a.] (Hg.) : Katho-
lische Reform und Gegenreformation in Innerösterreich 1564–1628,
Katoliška prenova in protireformacija v notranjeavstrijskih deželah
1564–1628. Klagenfurt [e. a.] 1994, 537–550.
Theodor Domej
Windische Kapelle (Dobratsch)/Slovenska cerkev
(Dobrač), → Gailtal/Ziljska dolina.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602