Seite - 1567 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Žolger, Ivan
Das Untere Gailtal/Spodnja Ziljska dolina kenn-
zeichnete weitestgehend eine klein- bis mittelbäuer-
liche Besitzstruktur. Der bäuerliche Besitz wurde von
den Grundherrschaften im Freistiftrecht ausgege-
ben. Freibauern gab es in geringer Zahl. Deren Le-
benswirklichkeit unterschied sich nicht von der ihrer
grunduntertänigen Nachbarn. Besondere Bedeutung
für die ökonomische Position der Untergailtaler Bau-
ern hatte ihre Tätigkeit als Säumer, Fuhrleute und
Händler, im Rahmen derer sie bis zum Bau der Ei-
senbahnen den Warenverkehr von Oberitalien und
→ Krain/Kranjska in den salzburgisch-bayerischen
Raum besorgten und dabei gute Mittel lukrieren
konnten. Diese Einnahmen bestimmten auch das
Verhältnis gegenüber den einzelnen Grundherrschaf-
ten, so dass die für Grundholden an und für sich sehr
ungünstige Besitzform des Freistiftrechtes im Unteren
Gailtal/Spodnja Ziljska dolina bereits in der Frühen
Neuzeit in stark modifizierter Form auftritt und die
Forschung sogar von einer Sippenerblichkeit bei der
Weitergabe der einzelnen Hofstellen spricht. Tatsäch-
lich trat jeweils ein mehr oder weniger umfangreicher
familiärer Verband, die Ž., in den Quellen zumeist als
Freundschaft bezeichnet, als Verhandlungspartner ge-
genüber der Grundherrschaft auf. Gelegentlich waren
auch mehrere Verbände daran beteiligt, insbesondere
dann, wenn Ansprüche mehrerer Familien, von Wit-
wen oder unmündigen Erben abgegolten und berück-
sichtigt werden mussten oder die wirtschaftliche Lage
des Hofes schwierig war. Abstiftungen, also der Ent-
zug des Gutes infolge schlechter Wirtschaftsführung
und starker Verschuldung, kamen so gut wie nicht vor.
Ein solcher Umstand rief stets die Freundschaft oder
Ž. auf den Plan, die dann einen geeigneteren Kan-
didaten präsentierte oder eine für die Entschuldung
günstige Heirat vereinbarte, wie überhaupt Heiraten
in dieser bäuerlichen Gesellschaft als geeignetes Mit-
tel angesehen wurden, um Ansprüche einzelner Sip-
pen untereinander abzugleichen. Heiratsverabredun-
gen für Kinder oder Minderjährige waren im 17. Jh.
im Unteren Gailtal/Spodnja Ziljska dolina durchaus
üblich, ebenso wie bis ins ausgehende 18. Jh. ein sehr
frühes Heiratsalter bei Mädchen, insbesondere aus
den führenden Säumerfamilien im Raum Achomitz/
Zahomec, Feistritz/Bistrica und Vorderberg/Blače
(→ Prvi rej, → Kufenstechen/štehvanje).
Die Frage nach der nationalen Identität wurde erst
im Zuge des nationalen Differenzierungsprozesses, der
im Unteren Gailtal/Spodnja Ziljska dolina in der zwei- ten Hälfte des 19. Jh.s einsetzte und fortan die lokale
und regionale Politik bestimmte, von Bedeutung, wobei
die nationale Ein- und Zuordnung nicht ausschließlich
vom familiären Verband bestimmt war und der Diffe-
renzierungsprozess nicht selten quer durch Familien
sowie familiäre und soziale Verbände verlief (→ As-
similation, → Assimilationszwang, → Deutschtümler,
→ Germanisierung).
Lit.: H. Michor : Die wirtschaftliche Lage der Untertanen der Herrschaft
Wasserleonburg in der Frühen Neuzeit (Phil. Diss.). Graz 1949 ; H.
Michor : Geschichte des Dorfes Feistritz an der Gail. Nötsch–Feistritz/
Gail 1950/1951 ; W. Fresacher : Der Bauer in Kärnten. II. Teil. Das
Freifstiftrecht. Klagenfurt 1952 ; A. Eichwalder : Geschichte der Katas-
tralgemeinde St. Stefan im Gailtal von 1830 bis zur zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts. Sozialwirtschaftliche Entwicklung und nationaler Dif-
ferenzierungsprozess (Dipl.-Arb.). Klagenfurt 1988 ; H. Grafenauer :
Geschichte der Katastralgemeinde Vorderberg/Blače von 1830 bis zur
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sozialwirtschaftliche Entwicklung
und nationaler Differenzierungsprozess (Dipl-Arb.). Klagenfurt 1988 ;
A. Moritsch : Der nationale Differenzierungsprozess am Beispiel länd-
licher Gemeinden Südkärntens. In : A. Moritsch (Hg.) : Vom Ethnos
zur Nationalität. Wien 1992, 44–91, hier 44–78 (= Wiener Beiträge
zur Geschichte der Neuzeit 18) ; E. M. Millonig : Soziale, wirtschaft-
liche, politische und kulturelle Entwicklung der Gemeinde Emmersdorf/
Nötsch unter besonderer Berücksichtigung der Katastralgemeinde Saak
im Gailtal (Dipl.-Arb.). Klagenfurt 1997 ; P. Wiesflecker : Feistritz an
der Gail. Ein Dorf im Schnittpunkt dreier Kulturen. Klagenfurt 2003 ;
P. Wiesflecker : Poroka in zakonska zveza pred dvesto leti. Narodopisna
skica iz Spodnje Ziljske doline / Heirat und Ehe vor 200 Jahren. Eine
volkskundliche Skizze aus dem Unteren Gailtal. In : KMD 2005 Celovec
2004, 69–77 ; P. Wiesflecker : Ziljski furmani. Konjereja kot glavni vir
dohodkov ziljskih kmetov od poznega srednega veka do konca 19. stoletja.
In : KMD 2009, Klagenfurt/Celovec [e. a.] 2008, 78–85 ; P. Wiesfle-
cker : Hohenthurn. Geschichte eines Lebensraumes seiner Menschen. Kla-
genfurt 2009.
Peter Wiesflecker
Žolger, Ivan (von Žolger, * 22. Oktober 1867 De-
vina [Slovenska Bistrica, Štajerska], † 16. Mai 1925
Lassnitzhöhe, Steiermark/Österreich), Jurist, einziger
Slowene im Ministeramt in Österreich-Ungarn, ju-
goslawischer Diplomat und Teilnehmer an der Pariser
Friedenskonferenz 1919.
Ž. besuchte die Volksschule in Slovenska Bistrica, das
Gymnasium in → Maribor und studierte Rechtswis-
senschaften in Graz und Paris. 1895 promovierte Ž. in
Graz »sub auspicis imperatoris«. 1906 heiratete er Eli-
sabeth Friedmann, Tochter eines Wiener Großindu-
striellen. Seine drei Kinder schickte er nach →
Maribor
zur Schule. Nach dem Studium war er Konzipient an
der Bezirkshauptmannschaft Ptuj (Pettau) und arbei-
tete danach in der Statthalterei in Graz. Ab 1898 kam
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602