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Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine
Lebensskizze18
selbstverständnis die weitgehende fehleinschätzung seiner eigenen und der
allgemeinen situation, die sich wie ein roter faden durch seine nachrevolu-
tionären versuche zieht, im öffentlichen leben österreichs fuß zu fassen.
er hielt sich für diesen Posten für vollauf kompetent, aber weder die Zeit
noch die umstände für gekommen, um ihn zu übernehmen. er sage unter
„dem jetzigen so unpopulären Bundestage nein,“ wäre aber „unter veränder-
ten umständen“ bereit, die stelle zu übernehmen. gleichzeitig fühlte er sich
aber zu noch höherem befähigt und rechnete mit der Berufung in eine neue
österreichsche regierung. „in wenigen Wochen wird wohl ein neues cabinett
fomirt werden, und ich fürchte, daß ich sehr bald von frankfurt werde abge-
rufen werden.“1
in frankfurt selbst – Andrian hatte am 13. mai Wien verlassen und traf
am 17. mai, einen tag vor der feierlichen eröffnung der nationalversamm-
lung, ein – wurde er als einer der prominentesten österreichischen Abgeord-
neten hofiert und erhielt mehrere parlamentarische ehrenstellen. Am 31.
mai erfolgte seine Wahl zum Zweiten vizepräsidenten, „eine äußerst ehren-
hafte“ ernennung, die „meinen nahmen vor ganz deutschland hinstellt und
ihn unauflöslich mit dem großen deutschen verfassungswerke verbindet.“
Andrian behielt diese funktion bis zur neuwahl des Präsidiums am 31. Juli,
„und da haben wir ausgemacht, daß dießmahl ein Preuße […] vicepräsident
an meiner stelle werden soll.“2 Auch war er vorsitzender der reichsverwe-
serdeputation, die erzherzog Johann in Wien feierlich abholte und nach
frankfurt begleitete.
Politisch dagegen blieb Andrian blass und weitgehend bedeutungslos.
Zwar gehörte er mit dem verfassungsausschuss einem der entscheidenden
gremien des Parlaments an, doch weder verstand er es, koalitionen zu bil-
den, noch war er als parlamentarischer redner geschult. Auch hatte er sich
frühzeitig vom wesentlichen Ziel der nationalversammlung, der schaffung
eines deutschen einheitsstaates, innerlich verabschiedet, ja ein bedin-
gungsloses Aufgehen österreichs in demselben von Anfang an abgelehnt.
einzig in der frage der Wahl und etablierung von erzherzog Johann als
reichsverweser und der Bildung des ersten reichskabinetts im Juli 1848
scheint er nach eigenen Aussagen entscheidenden einfluss genommen zu
haben. deshalb war es ihm sicherlich nicht unangenehm, am 10. August
zum gesandten der Provisorischen Zentralgewalt in london ernannt zu
werden und somit von der parlamentarischen Bühne ab- und in die von
ihm schon mehrfach angestrebte diplomatische karriere überzutreten,
1 ebda, eintrag v. 12.5.1848.
2 ebda, einträge v. 1.6. und 28.7.1848. tatsächlich wurde mit friedrich hermann ein baye-
rischer Abgeordneter gewählt.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien