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Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – Eine Lebensskizze 25
nachdem Andrian kurzzeitig alle hoffnungen auf eine sinnvolle Beschäf-
tigung in österreich verloren und mit einer Auswanderung nach deutsch-
land spekuliert hatte, gaben ihm die orientkrise und der krimkrieg neue
Aussichten, doch noch zu einer verwendung im öffentlichen dienst zu gelan-
gen, wobei sich seine Ambitionen nunmehr auf die diplomatie konzentrier-
ten. Während er selbst bei Außenminister graf karl ferdinand Buol-schau-
enstein vorsprach, erwähnte frh. karl ludwig von Bruck die möglichkeit
der leitung einer delegation zur Anbahnung von Beziehungen mit Persien
oder eine entsendung nach singapur.
tatsächlich waren es die politischen veränderungen ausgelöst durch die
orientkrise und vor allem die ernennung Brucks zum finanzminister, die
Andrian in einen neuen tätigkeitsbereich führten. Allerdings war dies nicht
die diplomatie und auch nicht die staatsverwaltung, sondern die Welt des
kapitalismus. ein versuch, in den verwaltungsrat der neu gegründeten
credit-Anstalt für handel und gewerbe gewählt zu werden, schlug zwar
fehl, was Andrian auf die „furcht […] einen bey hofe in ungnade stehenden“
aufzunehmen zurückführte.1 doch nahm er das Angebot des finanzminis-
ters an, als vermittler bei der Anbahnung der finanzierung der geplanten
eisenbahn von Wien zur bayerischen grenze bei salzburg und Passau zu
arbeiten, und verhandelte dabei mit britischen, französischen und deutschen
investoren. Aus dieser tätigkeit entwickelte sich Andrians Wahl in den ver-
waltungsrat der „kaiserin elisabeth-Westbahn“ und schließlich auch der
„Actien-gesellschaft der lombardisch-venetianischen eisenbahnen“, einer
der vorgängergesellschaften der späteren südbahn.2
obwohl sich Andrian schon seit langem am rande mit dem privaten
geld- und Aktienmarkt beschäftigte, häufig die Bewertung der österrei-
chischen Währung und staatsanleihen in seinem tagebuch verzeichnete
und bereits 1851 Aktien der kaiser ferdinand-nordbahn „auf specula-
tion“ kaufte und damit „sehr gute geschäfte“ machte,3 hatte er die Arbeit
in der Privatwirtschaft bis dahin nie in Betracht gezogen. Auch jetzt sah
er sich nur bedingt als teil dessen, was er in Anspielung auf die zeitgenös-
sische karrikatur des robert macaire als inbegriff des spekulanten und
Börsehais als „ekelhafte robert macairewirthschaft“ bezeichnete, und be-
dauerte mehrfach mit deutlich antisemitischer spitze, dass er „während die
Anderen große (oder auch kleine) Politik treiben oder ehrlich mit den Waf-
1 ebda, eintrag v. 21.11.1855.
2 Zur gründungsgeschichte der beiden gesellschaften vgl. hermann strach, geschichte der
Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns. Von den ersten Anfängen bis zum Jahre 1867; in: Ge-
schichte der eisenbahnen der österreichisch-ungarischen monarchie. 1. Bd. 1. teil (Wien
u.a. 1898) 73–503, v.a. 326–330 und 447–457.
3 tagebuch Andrian, eintrag v. 21.7.1851.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien