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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Band I
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70 Tagebücher gerne die cour machen möchte, wenn es anginge. Bei lerchenfeld endlich fühle ich mich wie im kreise der meinigen und bin sehr gerne und oft dort. Mit Gräfin Esterhazy, mit welcher ich sonst am engsten liirt und welche mich auch jetzt höchst freundschaftlich wieder aufnahm, bin ich bisher nur in salons zusammengetroffen, so daß ich unser voriges verhältniß noch nicht wieder habe erneuern können. im ganzen wäre Wien durchaus der ort nicht, wo ich leben möchte, das leben ist mir hier viel zu kleinlich, zu kleinstädtisch, die Ansichten zu eng, zu beschränkt, kurz, ich fühle mich hier ganz déplacirt, und was ich am meisten fürchte, was überhaupt eine meiner hauptbesorgnisse ist, ist, nach und nach so zu werden wie die, die mich umgeben, so dumm und flach, wer weiß, ob ich nicht dem schon die ruhe zuzuschreiben habe, mit welcher ich meiner nächsten Zukunft entgegen sehe, welche mich noch vor kurzem außer mir gebracht hätte. Aber was war sonst zu thun? da es mit der diplomatie nichts ist, so blieb mir nur übrig zu quittiren – und dann? entweder mich auf die literarische letteratur zu werfen, aber das kann und will ich von Pisino aus ebenfalls thun, d.h. wenigstens meine sporen darin verdienen, oder aber als Aventu- rier auf eine reiche heirath ausgehen, aber wie unsicher wäre das gewesen! so aber gehe ich jetzt nach Pisino mit dem festen entschlusse, einige monate dort ruhig die fernere entwicklung meines schicksals abzuwar- ten. Zeigt sich mir bis dahin eine chance, zum vicekönig nach mailand zu kommen, tout mieux, wo nicht, so werde ich mich entweder in ein anderes gouvernement transferiren machen oder aber, was viel wahrscheinlicher und jetzt mein vollkommener vorsatz ist, quittiren. habe ich quittirt, dann steht mir die Welt offen, und erreiche ich dabei auch nicht hohe ehren und Würden, so erreiche ich doch ein bewegtes, ereignißreiches, thätiges leben und wenigstens, so hoffe ich, einen namen, der mich vor ewiger verges- senheit schütze, also ich gewinne nach meiner idee jedenfalls dabei. neben diesem hätte ich jetzt freilich einige kleine neben- und Zwischen-ideen, ob es nicht vielleicht möglich wäre, Beides zu vereinigen, mein streben nach einer (in meinem sinne) bewegten, thaten- und ruhmvollen existenz und mein natürlicher Wunsch, so spät als möglich mit der Wirklichkeit, mit meinen umgebungen, meinem vaterlande, meinen gewohnheiten etc. zu brechen. so beschäftigt mich denn wieder mein alter gedanke, eine Zeit- schrift zu gründen, welche in der Art des Berliner politischen Wochenblat- tes als vernünftiger, gemäßigter, aber entschiedener vorkämpfer des Prin- cipes, welches österreich vertritt (oder eigentlich vertreten soll, denn eben was uns abgeht, ist ein Princip, wenn man nicht das der dummheit und des stillstandes für ein solches annehmen sollte), auftreten sollte. Wenn ich auch oft wider meine überzeugung sprechen müßte, so bin ich doch über-
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„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ Tagebücher 1839–1858, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Untertitel
Tagebücher 1839–1858
Band
I
Autor
Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
Herausgeber
Franz Adlgasser
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-78612-2
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
744
Schlagwörter
Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
Kategorie
Biographien

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort (Ffritz Fellner) 9
  2. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg (1813–1858) – eine Lebensskizze 11
  3. Überlieferung der tagebücher 37
  4. Editionsrichtlinien 41
  5. Tagebücher 1839–1847 43
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