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März 1841
miliarität lästig; Donnerstag Früh 6 Uhr waren wir vor Livorno, nach 7 fuhr
ich mit finetti ans land, frühstückte, dann gingen wir zu einigen Bilder und
Alterthümerhändlern, worauf ich ihn seinen weiteren speculationen über-
ließ, welche, wie er mir später erzählte, ziemlich befriedigend ausfielen; ich
las einen haufen Zeitungen, ging später auf den corso, die via ferdinando,
spazieren, und vertrieb mir die Zeit so gut ich konnte; leider war gerade Fey-
ertag und daher alle läden geschlossen, sonst hätte ich diese, und unter an-
dern meinen alten freund Arbib besucht. gegen 1 uhr fuhr ich wieder an
Bord, und um 1/2 4 dampften wir ab; das Meer war heute etwas bewegter,
weßhalb ich mich, ohne etwas zu genießen, gleich niederlegte und mit ei-
ner kurzen unterbrechung bis den andern morgen 7 uhr liegen blieb, da
wir in Civitavecchia anlangten; nur gegen Abend kam ich heraus, gerade da
wir zwischen den inseln corsica und elba fuhren. in civitavecchia erwarte-
ten uns eine Menge Plackereyen; zuerst kam die Polizey, die uns wie Schafe
hintereinander défiliren ließ, um uns abzuzählen, dann die sanität, etc. so
daß wir erst gegen 9 Uhr ans Land konnten; auf der Doyana aber waren sie
ziemlich gnädig; ich accordirte gleich einen Vitturino für mich allein, da ich
mit der dilligence nicht fahren wollte, nahm aber dann meinen mahler mit,
was ich aber bereute, da derselbe mit seinen 100.000 Bildern etc., die er mit
hatte, und mit seinem ewigen hin und herlaufen meine Abfahrt bis 11 uhr
verzögerte, so daß ich ihn schon im Stiche lassen wollte; zuletzt kam ihm
gar noch sein mantel abhanden, worüber dann beiderseits großes geschrey
und Wüthen entstand; beym débarquiren umringten uns ein Dutzend fac-
chini, die sich um unsere sachen rauften und ein jeder ein stück erwischte,
so daß wir mit einer förmlichen Procession in civitavecchia einzogen, dafür
aber auch für die Paar Schritte 10 Paoli, 6 frs. bezahlen mußten; „ebbene e
a me non vuoi lasciare nemmeno uno chiodo?“ sagte der Eine; Strilla, strilla,
strilla pure, höhnte der Andere; mich amusirten die Kerle prächtig.
ich nahm ein elendes déjeuner à la fourchette in der europe zu mir, ließ
mich rasiren, etc. es sitzt hier ein berüchtigter räuberhauptmann stefanelli
von frosinone gefangen, der 100 menschen mit eigener hand und mit grau-
samen martern ermordete, u.a. einem suo compadre, den er als spion in ver-
dacht hatte, schnitt er lebend das Herz aus und fraß es gebraten; jetzt strickt
[er] strümpfe und handschuhe, die er den fremden, die ihn sehen kommen,
verkauft; Morgen werden 4 Mörder guillotinirt, perché hanno fatto una man-
canza, sagte mein Barbier; e che cosa? fragte ich; „Eh! hanno ammazzato un
loro compagno in carcere.“
es ist merkwürdig, wie in diesen theilen italiens gegen den Beutel des
Fremden conspirirt wird; nebst den ewigen Taxen, etc. kommen auch noch
die Consuln mit ihren vidirungen dazu; mich kosten diese seit Mailand
schon über 20 frs.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Band I
- Titel
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Untertitel
- Tagebücher 1839–1858
- Band
- I
- Autor
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Herausgeber
- Franz Adlgasser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 744
- Schlagwörter
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Kategorie
- Biographien