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Bernatzik, Hugo#

* 26. 3. 1897, Wien

† 9. 3. 1953, Wien


Ethnologe
Begründer der angewandten Völkerkunde


Bernatzik_Hugo
Hugo Bernatzik. Foto, um 1935.
© Öst. Inst. f. Zeitgeschichte, Wien - Bildarchiv, für AEIOU

Hugo Bernatzik wurde am 26. März 1897 als Sohn des Staatsrechtlers Edmund Bernatzik in Wien geboren.

Er besuchte in Wien das Gymnasium und begann ein Medizinstudium, das er aber nach dem Tod des Vaters 1919 abbrach und ging für die nächsten Jahre auf ausgedehnte Reisen. Nach Reisen in Afrika widmete er sich dem Studium der Völkerkunde.


Auf seiner ersten Afrikareise 1927 begab er sich in die Landstriche zwischen Weißem Nil und Belgisch-Kongo. Anfang der dreißiger Jahre erforschte er vor allem die westafrikanischen Länder. Weiters befasste Bernatzik sich mit der zu seiner Zeit noch unbekannten Kultur der Salomoninseln und dokumentierte in seinem Buch "Omara" als erster das soziale Verhalten dieser Südsee-Insulaner. Als Ergebnis seiner Forschungen unterbreitete er der britischen Kolonialregierung mehrere Vorschläge gegen das sich damals abzeichnende Aussterben der Melanesier.

Bernatzik_Hugo
Hugo Bernatzik.
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien



1930 begann Bernatzik ein Philosophie-Studium an der Universität Wien und schloss es 1932 mit Promotion ab. In den Jahren 1936 und 1937 unternahm er gemeinsam mit seiner Gattin Emmy († 1977) seine wohl wichtigste Expedition nach Hinterindien und erforschte jene Bergvölker, die sich vor der Zivilisation immer mehr in die unzugänglichen Regionen der Ausläufer des Himalaja zurückgezogen und ihre archaischen Sitten beibehalten hatten. So entdeckte er etwa die bis dahin unbekannten Völkerschaften der Akha und Meau.


Bernatzik untersuchte auf seinen zahlreichen Forschungsreisen die Gründe des raschen Bevölkerungsrückgangs kolonisierter Naturvölker, wandte sich als einer der ersten öffentlich gegen die kulturzerstörende Tätigkeit mancher Missionare und riet zu einer Politik der Verwaltung, welche die Eingeborenen stärker berücksichtigt.

1939 wurde er Professor für Ethnologie an der Universität Graz, litt aber schon damals an einer Tropenkrankheit, an der er 1953 verstarb.

Er gilt heute als Begründer der angewandten Völkerkunde. Untersuchte auf zahlreichen Forschungsreisen die Ursachen des rapiden Bevölkerungsrückgangs der kolonisierten Naturvölker und riet zu einer Verwaltungspolitik, die die Eigenart der Eingeborenen stärker berücksichtigt.



Leseprobe:#

Schilluk-Frau
Schilluk-Frau beim Handeln
© Archiv Senft

In seinem Buch "Gari Gari" beschreibt er u. a. seine Erlebnisse bei einem Totenfest der Schilluk in der Gegend des Weißen Nil:

Mit freundlicher Genehmigung des Stocker Verlags, Graz, aus dem Buch "Aufbruch ins Unbekannte"

... Schon am Abend vorher wurden die Trommeln in das Dorf gebracht. Sie müßten dort schlafen, wird uns erklärt. Die Verwandten des Scheech, dessen Totenfeier heute abgehalten wird, wohnen weit von hier entfernt in anderen Dörfern. Auch sie sind bereits am Vorabend erschienen und übernachten im Dorf. Vor Sonnenuntergang wurden drei Ochsen geschlachtet, alle Hütten sind vollbesetzt mit Gästen aus den Nachbardörfern, die sich Fleisch und Hirsebier vorerst gut schmecken lassen. Endlich gegen zehn Uhr beginnen die Trommeln in Tätigkeit zu treten, die von Männern geschlagen werden. Drei alte Weiber fangen den Tanz an, zu ihnen gesellen sich nach und nach viele Frauen. Inzwischen treffen aus allen Himmelsrichtungen Abteilungen von Kriegern ein, denn jedes befreundete Dorf sendet solche ab. Die Krieger sind in voller Kriegsausrüstung, der Umhang wurde meist zuhause gelassen. Statt dessen tragen sie bunte Felle von Leoparden, Servalen, Geparden um den Leib geschlungen. Die Körper sind festlich mit rotem Ton gepudert. Manche haben ihr Gesicht reich mit Spiralen verziert. Viele tragen FeIlstreifen um die Fußgelenke gewunden. Die wunderlichsten Haartrachten, mit Straußenfedern oder anderem Material geschmückt, erhöhen das farbenprächtige Bild.

Schilluk-Krieger
Schilluk-Krieger bei der Mahlzeit
© Archiv Senft
Die geschmückten Krieger ziehen singend mit Schilden und blitzenden Lanzen im Kreis um das Dorf und den Tanzplatz. Am Grab schlagen sie unter lautem Gesang an ihre Schilde und grüßen so den Toten, indem sie in die Knie gehen. Das Grab ist mit einem Fell bedeckt, daneben sind Lanzen, ein Schild und Tonkrüge aufgestellt, der Besitz des Verstorbenen, der ihm nun ins Grab mitgegeben werden soll. jetzt naht eine große Kriegerabteilung, und es beginnt der eigentliche Tanz. Die Mädchen drehen sich um die Trommeln. Die Abteilungen der Krieger bleiben geschlossen, eine zieht, nachdem sie im Tanzschritt mehrere Male die Mädchen umkreist hat, in die Steppe zurück, während eine andere Abteilung dasselbe Spiel beginnt. Das Singen und das Kriegsgeschrei der Schilluk, jenes im hohen Diskant angesetzte tremolierte "Li Li", wird nur von Zeit zu Zeit übertönt durch das Dröhnen der Schilde, an welche alle Krieger im gleichen Augenblick mit ihren Speeren schlagen.

Hugo Bernatzik
Bidyogo mit Rindermaske,Westafrika
© Archiv Senft

Stundenlang geht es so fort, bis auf einmal der Großscheech den Befehl gibt, die Ochsen zu opfern. Etwas abseits von den Tanzenden stehen drei prächtige fette Ochsen an Bäume gebunden. Sobald der Befehl gegeben ist, stürzen sich mehrere Krieger auf die Tiere. Im Nu sind sie losgebunden. Durch einige starke Schläge und durch das Johlen der Menschenmenge scheu geworden, fliehen die Ochsen im Galopp der Steppe zu. Die Krieger geben ihnen einen kleinen Vorsprung und jagen dann unter lautem Kriegsgeschrei hinter ihnen her. Die Lanzen schwirren durch die Luft, die Rinder stürzen tödlich getroffen zu Boden. Die Opfer bleiben zunächst liegen, und alles kehrt zum Tanz zurück.


Nun treten Frauen an das Grab heran. Eine von ihnen wirft sich der Länge nach auf den Boden und stimmt ein langgezogenes Klagelied an. Männer heben neben dem Grab tiefe Gruben aus. Die Frauen bilden einen langen Zug und tragen die aufgestellten Habseligkeiten des Verstorbenen durch die Reihen der Tanzenden. Sie kehren zurück und legen die Gegenstände neben den frisch gegrabenen Löchern nieder. Auch ein Schaf wird gebracht. Plötzlich stoßen alle Frauen einige laute jammernde Klagelaute aus und sinken vornübergebeugt, mit allen Zeichen des Schmerzes, in die Knie. Einige haben Holzkeulen ergriffen und schlagen die Töpfe entzwei. Die Lanzen werden zerbrochen, und ein alter Mann tötet mit einem Holzstück das Schaf welches er am Seile hält. Nun wird alles in die Gruben geworfen, zuletzt das tote Schaf Besitz des Toten und Opfer. Die Gruben werden zugeschüttet, das Totenfest ist zu Ende. Die getöteten Ochsen werden mit dem Fell zerteilt und die Stücke an die Anwesenden verteilt ...


--> Historische Bilder zu Hugo Bernatzik (IMAGNO)

Werke (Auswahl)#

Malerei an einem westafrikanischen Lehmhaus
Malerei an einem westafrikanischen Lehmhaus
© Archiv Senft
  • Albanien, 1930
  • Gari Gari. Der Ruf der afrikanischen Wildnis. Bilder, Leben und Abenteuer zwischen Nil und Kongo, 1930
  • Die Geister der gelben Blätter, 1938
  • Die große Völkerkunde 1939 (Hg.). 3 Bde.
  • Zwischen Weißem Nil und Kongo, 1943
  • Im Rech der Bidyogo. Geheimnisvolle Inseln in Westafrika, 1944
  • Afrika, Handbuch der angewandten Völkerkunde, 2 Bände, 1947.
  • Gari Gari. Leben und Abenteuer bei den Negern am oberen Nil
  • Jagd am blauen Nil, 1956

Literatur#

  • D. Byer, Der Fall H. A. Bernatzik. Ein Leben zwischen Ethnologie und Öffentlichkeit, 1999

Quellen#

  • AEIOU
  • H.&W. Senft, Aufbruch ins Unbekannte, Stocker Verlag, Graz, 1999


Redaktion: Hilde und Willi Senft