Die Austria-Statue von Czernowitz und ihre Vorgeschichte#
Anlässlich der Landesfeier
zum 100-jährigen Jubiläum der Zugehörigkeit der Bukowina zu Österreich
und der Gründung der Universität
von Czernowitz wurde am 4. Oktober 1875 am damaligen
Hauptplatz der Stadt eine große Austria-Statue enthüllt. Nach den
zeitgenössischen Zeitungsberichten sollte sie über die ganze Stadt
blicken. Die Linke der allegorischen Figur umfasste ein mit Efeu
umwundenes Schwert, die Rechte hielt einen Palmzweig, der auf dem 1905
aufgenommenen Foto bereits fehlt.
Bericht zur Landesfeier am 4. Oktober 1875
Das
Denkmal wurde von dem in Wien geborenen Bildhauer Karl
Peckary (1848-1896) geschaffen. Nach Arbeiten für
das Wiener
Arsenal und die Weltausstellung
1873 wurde Peckary im Alter von 24 Jahren zum Professor an
der k.-k. Staatsgewerbeschule in Czernowitz ernannt. Ein
genauer Bericht über die Beschaffenheit des Denkmals wurde am
29.September 1875 nach Wien telegrafiert und erschien am 2.
Oktober 1875 in der "Neuen Freien Presse". Hier der Wortlaut
(neue Rechtschreibung und Hervorhebungen vom Verfasser):
... Die Stadt Czernowitz,
ihrer Anlage und Bauart nach eine der weitläufigsten und
unregelmäßigsten Europas, besaß vor kurzem und besitzt im Grunde auch
heute nur noch einen einzigen vollständig regulierten und ausgebauten
Platz, den Ringplatz. Er allein ist von hübschen Häusern eingefasst und
macht durch seine Größe, Regelmäßigkeit und Umgebung einen
großstädtischen Eindruck. Er liegt überdies im Zentrum der Stadt, und
hier erhebt sich auch das städtische Rathaus. Hier, im Zentrum allen
Verkehrs, war der einzig richtige Platz für das Denkmal. Wird doch die
Austria-Statue der einzige wertvolle künstlerische Schmuck der jungen
Stadt sein und voraussichtlich für lange Zeit hinaus bleiben. Und
seinem Schmuck, seinem Stolz und seiner Zierde pflegt man doch sonst
den besten Platz anzuweisen und ihn an jene Stelle zu setzen, wo er am
meisten gesehen werden kann...
Leider war die
Majorität der Stadtväter - allerdings eine Majorität, welche die
Minorität nur um eine Stimme überwog - anderer Ansicht. Geht man
anderwärts von dem Grundsatze aus, ein Denkmal dahin zu stellen, wo die
Umgebung seiner architektonisch würdig ist, so rückte man diesmal unser
Denkmal als einen Vorkämpfer des Schönen in einer wüste Umgebung, damit
diese hierdurch um so rascher schön werde. Außer dem Ringplatz besitzt
Czernowitz nämlich noch einige unregulierte Plätze. Der größte unter
ihnen ist der "Criminalplatz", so genannt von dem
düstern Gebäude der Strafjustiz, welches sich da erhebt. Der größte,
aber auch der abgelegenste und bis vor wenigen Jahren auch der
wüsteste. In letzterer Zeit ward freilich einiges dafür getan. So ward
dort das prächtige und stilvolle Regierungsgebäude gebaut, welches
freilich mit seinen Nachbarn, elenden Hütten und Häuschen, in überaus
schroffer Weise kontrastiert. Nun erhebt sich dort, ein noch grellerer
Kontrast gegen die armseligen Baracken, das Austria-Denkmal. Der
"Criminalplatz" wurde reguliert und in "Austriaplatz"
umgetauft. Das erstere hat ihn wenig, das letztere gar nicht
verschönert. Hoffentlich haben jene Herren mindestens richtig
kalkuliert, und die Besitzer der Baracken gehen in sich und bauen an
deren Stelle europäische Häuser hin. Hoffentlich!
Das
Austria-Denkmal würde wenigstens diese Verschönerung seiner Umgebung
redlich verdienen. Denn es ist ein schönes und wenn auch nicht geradezu
meisterhaftes, so doch sehr gelungenes Werk. Das Erstlingswerk eines
vielversprechenden Talents. Der Meister, Karl Peckary,
Professor an der hiesigen, nebenbei bemerkt, ganz trefflichen
Gewerbeschule, ist ein sehr junger Mann. Er ist 1848 in Wien geboren.
Das
Monument, welches sich in der Mitte des Platzes erhebt und so gestellt
ist, dass die Austria auf die Stadt, welche zu ihren Füßen den
Bergabhang bedeckt, herabblickt, hat eine Gesamthöhe von etwa
26 Fuß (8,2 m). Es besteht aus einem Postamente, einem
Basrelief und der Hauptfigur. Das Postament ist aus Bukowiner
Schleifstein, einem genügend widerstandsfähigen Gestein, welches,
anfangs grau, später unter dem Einfluss der Temperatur einen satten
grünen Farbenton anzunehmen pflegt. Das Basrelief ist aus Bronze, die
Hauptfigur aus trefflichem, feinkörnigen Carrara-Marmor. Diese
Verschiedenheit des Materials und darum auch der Färbung lässt das Werk
ganz eigenartig, aber durchaus nicht buntscheckig, sondern ernst und
würdig wirken. Die Farben einen sich glücklich und harmonisch.
Die
Hauptfigur, etwa 7 ½ Fuß (2,37 m) hoch und aus einem
prächtigen, 184 Zentner (9,2 t) schweren Marmorblock herausgehauen, ist
eine Arbeit, welche volles und fast uneingeschränktes Lob verdient.
Peckary hat die Austria als eine edle, schlanke, jugendliche
Frauengestalt gefasst - schlanker und jugendlicher, als man die Figur
gewöhnlich zu zeichnen und zu malen pflegt. Das Antlitz ist mehr
lieblich als schön und hat den Ausdruck eines milden, hoheitsvollen
Ernstes, der dabei fern von alles Düsterkeit bleibt. Die Züge sind
durchgeistigt und schön belebt - in dieser Richtung unterscheidet sich
das Werk des jugendlichen Meisters sehr glücklich von anderen
Erzeugnissen moderner Bildhauerkunst. Die Gestalt steht schön und frei
aufrecht und blickt sinnend vor sich hinab. Die Linke ruht, ganz leicht
aufgestützt, auf dem Schild, auf welchem der Reichsadler prangt. In
derselben Hand ruht das lorbeerumrankte Schwert. Die Rechte
hält die Friedenspalme segnend über die Stadt gebreitet. Wie
das Antlitz, so ist auch die Figur bei aller monumentalen Würde leicht
und ungezwungen belebt.
Die Figur steht auf einem runden
Sockel, um den sich ein Basrelief schlingt.
Samt Deckgesims und Fuß aus Bronze ist das Basrelief etwa vier und
einen halben Fuß hoch (1,42 m). Zehn, teils historische, teils
symbolische Figuren, etwa drei Fuß (95 cm) hoch, sind darauf
dargestellt. Das Basrelief, welches den Anschluss der Bukowina an
Österreich behandelt, ist vortrefflich. Der Künstler hat jenes
historische Ereignis durch folgende Figuren und in folgender
Gruppierung vorgetragen: Maria Theresia, auf dem
Throne sitzend, eine stattliche Frauengestalt mit majestätischen,
porträttreuen Zügen, stellt die Bukowina (durch
eine liebliche Kindergestalt verbildlicht) unter den Schutz der
Austria, einer ernsten, anmutigen Gestalt, welche liebreich auf das
Kind herabblickt. Am Throne der Kaiserin steht eine schlanke, stolze
Mannesgestalt, Joseph II., als Mitregent, mit
jugendlichen, gleichfalls ziemlich porträttreuen Zügen. Dies die
Hauptgruppe. Daran schließen sich (im Gefolge der Austria) jene
Gewalten, denen die Erwerbung gelungen: die geistige Gewalt (ernste Frauengestalt, der ein Stern über dem
Haupte glänzt) und die materielle Gewalt (ein sehr,
vielleicht etwas zu kräftiger Herkules mit der Keule), ferner die
Figuren der Gerechtigkeit und der Geschichte,
Themis und Klio*), endlich jene
der Kunst und Wissenschaft.
Sie sind paarweise zu einander in Beziehung gebracht und schreiten, wie
erwähnt, gleichsam im Gefolge der Austria einher.
Auf
der Hauptfront des Denkmals steht auf der großen Schriftplatte in
deutscher Sprache: "Der Vereinigung der Bukowina mit
Oesterreich." In den kleinen Platten sind die Jahreszahlen
der Erwerbung und des Jubiläums eingefügt: 1775, 1875. Dieselbe
Inschrift wiederholt sich auf der rechten und linken Seitenfront in ruthenischer
und rumänischer Sprache. Auf der vierten Seite
steht die Jahreszahl und der Name des Meisters: Professor Karl Peckary
fecit.
Die Gerechtigkeit erfordert es, auch
derjenigen zu gedenken, welche ihm als Hilfsarbeiter zur Seite
gestanden. Die Hauptfigur wurde nach dem halb naturgroßen Hilfsmodelle
von Peckary selbst in Marmor punktiert und ausgeführt von dem Bildhauer
Carl Worak aus Wien. Architekt Carl Hofer
übernahm nach einer Zeichnung des Meisters die architektonische
Gliederung des Postaments, welches von dem Steinmetz Carl
Hoffmann sauber ausgeführt wurde. Das Basrelief wurde nach
einem naturgroßen Modell in der Gießerei von Carl Turbain
zu Wien trefflich gegossen und ziseliert.
Themis, eine der Titaninnen, galt als Göttin der gesetzlichen Ordnung und des
Rechts. Als erste Gattin des Zeus war sie Mutter der Horen (Göttinnen
der Jahreszeiten) und der drei Moiren (Schicksalsgöttinnen). Sie wohnt
mit auf dem Olymp und beruft hier auf Befehl von Zeus die Götter zur
Versammlung, empfängt sie bei dem Göttermahle und hält auf Ordnung und
Sitte, außerdem ordnet sie die Volksversammlungen und löst sie auf. Als
Beschützerin über die göttliche und natürliche Ordnung kennt sie aber
auch die Zukunft und verkündet sie den Menschen. Sie soll deshalb einst
Inhaberin des delphischen Orakels gewesen sein.
Klio
(die Rühmerin), eine der neun Musen, war die Muse der
Heldendichtung und Geschichtsschreibung.
Karl
Peckary hatte kein leichtes Schicksal. Er gewann den ersten Preis der
anlässlich der 100. Wiederkehr des Todes von Mozart 1891 veranstalteten
Ausschreibung für das Mozartdenkmal am Albertinaplatz (seit
1953 im Burggarten). Das von ihm eingereichte Modell war eine 68 cm
hohe, 25 kg schwere, von Carl Turbain (siehe oben) gegossene
Bronzestatuette, die den dirigierenden Mozart stilvoll darstellt. Wie
dies in Wien öfters der Fall ist (vergleiche die Geschichte des Renner-Denkmals im Rathauspark), wurde nach politischen Interventionen ein Freund und
Kollege Peckarys, der damals sehr beliebte Viktor Tilgner
(1844-1896) mit der Ausführung betraut. Nach einer
Biographie Peckarys erkannte Tilgner, dass ihm zwar der Kopf, nicht
aber die Figur Mozarts gelungen war und erlitt noch vor der Einweihung
des Denkmals einen Schlaganfall, an dessen Folgen er fünf Tage vor der
Enthüllung verstarb. Peckary wiederum, der später in Graz das
Kaiser-Josef-Denkmal geschaffen hatte, konnte die Schmach der
Zurücksetzung nicht verwinden und nahm sich das Leben, wozu auch der
Tod seines noch nicht ein Jahr alten Kindes beigetragen haben
mag.
Das
Austria-Denkmal von Czernowitz wurde 1918 von den rumänischen Besatzern entfernt, der Torso
der Statue tauchte jedoch im Mai 2003 bei Kanalarbeiten unter dem
Betonboden im Hof eines Bankgebäudes (früher Gewerbemuseum) wieder
auf.
Fotos: Abbé Libansky und Barbara Zeidler
Zwei bildende Künstler, Abbé
Libansky und Barbara Zeidler, haben eine
internatonale Aktion gestartet, die die Bedeutung dieser Statue als
Brücke zwischen den Völkern und Kulturen mit modernen Mitteln
darstellen soll. Näheres findet sich auf der Website des Instituts für
kulturresistente Güter.
Die wieder aufgefundene "Austria von Czernowitz" wird heute als historisches Symbol der freundschaftlichen Verbundenheit zwischen Wien und Czernowitz angesehen. Sie soll mithelfen, Brücken in die Zukunft zwischen der Ukraine, Österreich und dem westlichen Europa zu schlagen.
10 Kopien der "Austria" traten ihre Reise zur Bearbeitung durch
internationale KünstlerInnen an.
2007 wurden sie
als
völkerverbindende Installationen der Hauptstadt der Ukraine übergeben.
Wo befindet sich der Torso heute?#
Professor Sergij Osatschuk: Die Figur steht in der Werkstatt von Vasyl Krawtschuk in der Selena-Strasse beim alten Friedhof. Man ist in Czernowitz unschlüssig, was mit der Figur geschehen soll. Hier die aktuellen Fotos:
Lageplan#