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Die Austria-Statue von Czernowitz und ihre Vorgeschichte#


Anlässlich der Landesfeier zum 100-jährigen Jubiläum der Zugehörigkeit der Bukowina zu Österreich und der Gründung der Universität von Czernowitz wurde am 4. Oktober 1875 am damaligen Hauptplatz der Stadt eine große Austria-Statue enthüllt. Nach den zeitgenössischen Zeitungsberichten sollte sie über die ganze Stadt blicken. Die Linke der allegorischen Figur umfasste ein mit Efeu umwundenes Schwert, die Rechte hielt einen Palmzweig, der auf dem 1905 aufgenommenen Foto bereits fehlt.

Landesfeier 1875
Landesfeier 1875

Statue der Austria am Austria-Platz (1875-1918)
Statue der Austria am Austria-Platz (1875-1918)

Zum Vergrößern anklicken - Statue der Austria am Austria-Platz (1875-1918)
Austria-Platz

--> Bericht zur Landesfeier am 4. Oktober 1875


Das Denkmal wurde von dem in Wien geborenen Bildhauer Karl Peckary (1848-1896) geschaffen. Nach Arbeiten für das Wiener
Arsenal und die Weltausstellung 1873 wurde Peckary im Alter von 24 Jahren zum Professor an der k.-k. Staatsgewerbeschule in Czernowitz ernannt. Ein genauer Bericht über die Beschaffenheit des Denkmals wurde am 29.September 1875 nach Wien telegrafiert und erschien am 2. Oktober 1875 in der "Neuen Freien Presse". Hier der Wortlaut (neue Rechtschreibung und Hervorhebungen vom Verfasser):
... Die Stadt Czernowitz, ihrer Anlage und Bauart nach eine der weitläufigsten und unregelmäßigsten Europas, besaß vor kurzem und besitzt im Grunde auch heute nur noch einen einzigen vollständig regulierten und ausgebauten Platz, den Ringplatz. Er allein ist von hübschen Häusern eingefasst und macht durch seine Größe, Regelmäßigkeit und Umgebung einen großstädtischen Eindruck. Er liegt überdies im Zentrum der Stadt, und hier erhebt sich auch das städtische Rathaus. Hier, im Zentrum allen Verkehrs, war der einzig richtige Platz für das Denkmal. Wird doch die Austria-Statue der einzige wertvolle künstlerische Schmuck der jungen Stadt sein und voraussichtlich für lange Zeit hinaus bleiben. Und seinem Schmuck, seinem Stolz und seiner Zierde pflegt man doch sonst den besten Platz anzuweisen und ihn an jene Stelle zu setzen, wo er am meisten gesehen werden kann...
Leider war die Majorität der Stadtväter - allerdings eine Majorität, welche die Minorität nur um eine Stimme überwog - anderer Ansicht. Geht man anderwärts von dem Grundsatze aus, ein Denkmal dahin zu stellen, wo die Umgebung seiner architektonisch würdig ist, so rückte man diesmal unser Denkmal als einen Vorkämpfer des Schönen in einer wüste Umgebung, damit diese hierdurch um so rascher schön werde. Außer dem Ringplatz besitzt Czernowitz nämlich noch einige unregulierte Plätze. Der größte unter ihnen ist der "Criminalplatz", so genannt von dem düstern Gebäude der Strafjustiz, welches sich da erhebt. Der größte, aber auch der abgelegenste und bis vor wenigen Jahren auch der wüsteste. In letzterer Zeit ward freilich einiges dafür getan. So ward dort das prächtige und stilvolle Regierungsgebäude gebaut, welches freilich mit seinen Nachbarn, elenden Hütten und Häuschen, in überaus schroffer Weise kontrastiert. Nun erhebt sich dort, ein noch grellerer Kontrast gegen die armseligen Baracken, das Austria-Denkmal. Der "Criminalplatz" wurde reguliert und in "Austriaplatz" umgetauft. Das erstere hat ihn wenig, das letztere gar nicht verschönert. Hoffentlich haben jene Herren mindestens richtig kalkuliert, und die Besitzer der Baracken gehen in sich und bauen an deren Stelle europäische Häuser hin. Hoffentlich!
Das Austria-Denkmal würde wenigstens diese Verschönerung seiner Umgebung redlich verdienen. Denn es ist ein schönes und wenn auch nicht geradezu meisterhaftes, so doch sehr gelungenes Werk. Das Erstlingswerk eines vielversprechenden Talents. Der Meister, Karl Peckary, Professor an der hiesigen, nebenbei bemerkt, ganz trefflichen Gewerbeschule, ist ein sehr junger Mann. Er ist 1848 in Wien geboren.
Das Monument, welches sich in der Mitte des Platzes erhebt und so gestellt ist, dass die Austria auf die Stadt, welche zu ihren Füßen den Bergabhang bedeckt, herabblickt, hat eine Gesamthöhe von etwa 26 Fuß (8,2 m). Es besteht aus einem Postamente, einem Basrelief und der Hauptfigur. Das Postament ist aus Bukowiner Schleifstein, einem genügend widerstandsfähigen Gestein, welches, anfangs grau, später unter dem Einfluss der Temperatur einen satten grünen Farbenton anzunehmen pflegt. Das Basrelief ist aus Bronze, die Hauptfigur aus trefflichem, feinkörnigen Carrara-Marmor. Diese Verschiedenheit des Materials und darum auch der Färbung lässt das Werk ganz eigenartig, aber durchaus nicht buntscheckig, sondern ernst und würdig wirken. Die Farben einen sich glücklich und harmonisch.
Die Hauptfigur, etwa 7 ½ Fuß (2,37 m) hoch und aus einem prächtigen, 184 Zentner (9,2 t) schweren Marmorblock herausgehauen, ist eine Arbeit, welche volles und fast uneingeschränktes Lob verdient. Peckary hat die Austria als eine edle, schlanke, jugendliche Frauengestalt gefasst - schlanker und jugendlicher, als man die Figur gewöhnlich zu zeichnen und zu malen pflegt. Das Antlitz ist mehr lieblich als schön und hat den Ausdruck eines milden, hoheitsvollen Ernstes, der dabei fern von alles Düsterkeit bleibt. Die Züge sind durchgeistigt und schön belebt - in dieser Richtung unterscheidet sich das Werk des jugendlichen Meisters sehr glücklich von anderen Erzeugnissen moderner Bildhauerkunst. Die Gestalt steht schön und frei aufrecht und blickt sinnend vor sich hinab. Die Linke ruht, ganz leicht aufgestützt, auf dem Schild, auf welchem der Reichsadler prangt. In derselben Hand ruht das lorbeerumrankte Schwert. Die Rechte hält die Friedenspalme segnend über die Stadt gebreitet. Wie das Antlitz, so ist auch die Figur bei aller monumentalen Würde leicht und ungezwungen belebt.
Die Figur steht auf einem runden Sockel, um den sich ein Basrelief schlingt. Samt Deckgesims und Fuß aus Bronze ist das Basrelief etwa vier und einen halben Fuß hoch (1,42 m). Zehn, teils historische, teils symbolische Figuren, etwa drei Fuß (95 cm) hoch, sind darauf dargestellt. Das Basrelief, welches den Anschluss der Bukowina an Österreich behandelt, ist vortrefflich. Der Künstler hat jenes historische Ereignis durch folgende Figuren und in folgender Gruppierung vorgetragen: Maria Theresia, auf dem Throne sitzend, eine stattliche Frauengestalt mit majestätischen, porträttreuen Zügen, stellt die Bukowina (durch eine liebliche Kindergestalt verbildlicht) unter den Schutz der Austria, einer ernsten, anmutigen Gestalt, welche liebreich auf das Kind herabblickt. Am Throne der Kaiserin steht eine schlanke, stolze Mannesgestalt, Joseph II., als Mitregent, mit jugendlichen, gleichfalls ziemlich porträttreuen Zügen. Dies die Hauptgruppe. Daran schließen sich (im Gefolge der Austria) jene Gewalten, denen die Erwerbung gelungen: die geistige Gewalt (ernste Frauengestalt, der ein Stern über dem Haupte glänzt) und die materielle Gewalt (ein sehr, vielleicht etwas zu kräftiger Herkules mit der Keule), ferner die Figuren der Gerechtigkeit und der Geschichte, Themis und Klio*), endlich jene der Kunst und Wissenschaft. Sie sind paarweise zu einander in Beziehung gebracht und schreiten, wie erwähnt, gleichsam im Gefolge der Austria einher.
Auf der Hauptfront des Denkmals steht auf der großen Schriftplatte in deutscher Sprache: "Der Vereinigung der Bukowina mit Oesterreich." In den kleinen Platten sind die Jahreszahlen der Erwerbung und des Jubiläums eingefügt: 1775, 1875. Dieselbe Inschrift wiederholt sich auf der rechten und linken Seitenfront in ruthenischer und rumänischer Sprache. Auf der vierten Seite steht die Jahreszahl und der Name des Meisters: Professor Karl Peckary fecit.
Die Gerechtigkeit erfordert es, auch derjenigen zu gedenken, welche ihm als Hilfsarbeiter zur Seite gestanden. Die Hauptfigur wurde nach dem halb naturgroßen Hilfsmodelle von Peckary selbst in Marmor punktiert und ausgeführt von dem Bildhauer Carl Worak aus Wien. Architekt Carl Hofer übernahm nach einer Zeichnung des Meisters die architektonische Gliederung des Postaments, welches von dem Steinmetz Carl Hoffmann sauber ausgeführt wurde. Das Basrelief wurde nach einem naturgroßen Modell in der Gießerei von Carl Turbain zu Wien trefflich gegossen und ziseliert.
Themis, eine der Titaninnen, galt als Göttin der gesetzlichen Ordnung und des Rechts. Als erste Gattin des Zeus war sie Mutter der Horen (Göttinnen der Jahreszeiten) und der drei Moiren (Schicksalsgöttinnen). Sie wohnt mit auf dem Olymp und beruft hier auf Befehl von Zeus die Götter zur Versammlung, empfängt sie bei dem Göttermahle und hält auf Ordnung und Sitte, außerdem ordnet sie die Volksversammlungen und löst sie auf. Als Beschützerin über die göttliche und natürliche Ordnung kennt sie aber auch die Zukunft und verkündet sie den Menschen. Sie soll deshalb einst Inhaberin des delphischen Orakels gewesen sein.
Klio
(die Rühmerin), eine der neun Musen, war die Muse der Heldendichtung und Geschichtsschreibung.

Karl Peckary hatte kein leichtes Schicksal. Er gewann den ersten Preis der anlässlich der 100. Wiederkehr des Todes von Mozart 1891 veranstalteten Ausschreibung für das Mozartdenkmal am Albertinaplatz (seit 1953 im Burggarten). Das von ihm eingereichte Modell war eine 68 cm hohe, 25 kg schwere, von Carl Turbain (siehe oben) gegossene Bronzestatuette, die den dirigierenden Mozart stilvoll darstellt. Wie dies in Wien öfters der Fall ist (vergleiche die Geschichte des Renner-Denkmals im Rathauspark), wurde nach politischen Interventionen ein Freund und Kollege Peckarys, der damals sehr beliebte Viktor Tilgner (1844-1896) mit der Ausführung betraut. Nach einer Biographie Peckarys erkannte Tilgner, dass ihm zwar der Kopf, nicht aber die Figur Mozarts gelungen war und erlitt noch vor der Einweihung des Denkmals einen Schlaganfall, an dessen Folgen er fünf Tage vor der Enthüllung verstarb. Peckary wiederum, der später in Graz das Kaiser-Josef-Denkmal geschaffen hatte, konnte die Schmach der Zurücksetzung nicht verwinden und nahm sich das Leben, wozu auch der Tod seines noch nicht ein Jahr alten Kindes beigetragen haben mag.

Das Austria-Denkmal von Czernowitz wurde 1918 von den rumänischen Besatzern entfernt, der Torso der Statue tauchte jedoch im Mai 2003 bei Kanalarbeiten unter dem Betonboden im Hof eines Bankgebäudes (früher Gewerbemuseum) wieder auf.

Torso 'in situ'
Torso "in situ"

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nach der Bergung

Detail (Collane des Ordens vom Goldenen Vlies)
Detail (Collane des Ordens vom Goldenen Vlies)

beim Abtransport
beim Abtransport

Fotos: Abbé Libansky und Barbara Zeidler


Zwei bildende Künstler, Abbé Libansky und Barbara Zeidler, haben eine internatonale Aktion gestartet, die die Bedeutung dieser Statue als Brücke zwischen den Völkern und Kulturen mit modernen Mitteln darstellen soll. Näheres findet sich auf der Website des Instituts für kulturresistente Güter.

Aktion Brücken:Schlag

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Bild 'eu'
Bild 'flagge_ua_kl'


Die wieder aufgefundene "Austria von Czernowitz" wird heute als historisches Symbol der freundschaftlichen Verbundenheit zwischen Wien und Czernowitz angesehen. Sie soll mithelfen, Brücken in die Zukunft zwischen der Ukraine, Österreich und dem westlichen Europa zu schlagen.

Foto: Barbara Zeidler
Foto: Barbara Zeidler


10 Kopien der "Austria" traten ihre Reise zur Bearbeitung durch internationale KünstlerInnen an.
2007 wurden sie als völkerverbindende Installationen der Hauptstadt der Ukraine übergeben.

Wo befindet sich der Torso heute?#

Professor Sergij Osatschuk: Die Figur steht in der Werkstatt von Vasyl Krawtschuk in der Selena-Strasse beim alten Friedhof. Man ist in Czernowitz unschlüssig, was mit der Figur geschehen soll. Hier die aktuellen Fotos:

Die Austria von Czernowitz heute
Foto: Sergij Osatschuk
Das Atelier - gegenwärtige Hreimat der Austria von Czernowitz heute
Das Atelier von Vasyl Krawtschuk Foto: P. Diem
Die Austria von Czernowitz heute
Foto: Sergij Osatschuk

Lageplan#

Standort der Austria-Statue
Standort der Austria-Statue

Friedhof mit Selena-Straße


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Marktplatz
Der Markt auf dem Austria-Platz

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Die Austria in situ
Ursprüngliches Denkmal
Torso der Austria-Statue
Torso im Atelier
Präsentation einer Replik
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