Scherzer, Karl von#
* 1. 5. 1821, Wien
† 19. 2. 1903, Görz
Forscher
Erforscher von Teilen Nord- und Südamerikas
Scherzer nahm an der "Weltumsegelung der "Novara" als Geograph und Naturkundler teil. In Chile schiffte er sich aus und reiste auf dem Landweg von Peru nach Panama.
Er war anerkannter Naturwissenschafter und Anthropologe. In den Jahren 1852 bis 1855 bereiste er Nord- und Mittelamerika und erforschte die Lebensweise verschiedener Indianerstämme. 1857 bis 1859 nahm er an der "Novara"-Weltumsegelung teil und befasste sich bei seiner Exkursion von Chile bis Panama vor allem mit der Kultur des Coca-Strauches. 1869 war er Mitglied der österreichisch-ungarischen Ostasienexpedition.
Im zweitgenannten Buch schildert Scherzer, wie die tüchtige Mannschaft und die nicht minder seetüchtige "Novara" einen Taifun bezwangen:
[...] Der 18. August, der Geburtstag unseres Kaisers, sollte auch im fernen Meere, in Mitte der chinesischen See feierlich begangen werden. Alles war für den Gottesdienst vorbereitet, welcher um zehn Uhr morgens in der Batterie der Fregatte in Gegenwart des Stabes und der ganzen dienstfreien Mannschaft abgehalten werden sollte. Der Kommodore hatte viele Herren des Stabes für diesen Tag zur Tafel geladen. Am Lande pflegt man die Elemente nicht erst viel zu konsultieren, wenn es sich um ein ähnliches Fest handelt, und um Wind, Regen und hohe See kümmern sich die Gäste wenig, die bei einem derartigen Anlass im geschmückten Saale sich versammeln. Zur See dagegen gestalten sich die Verhältnisse anders. Wind und Wellen sind hier die Herrscher, vor deren Machtgebot sich der Seemann beugen muss. Dies war auch beim Fest am 18. August der Fall.
Schon das Hochamt musste unterbleiben, indem der Seegang zu heftig war und die Stückpforten der Batterie, wo diese religiöse Handlung gewöhnlich gefeiert wird, geschlossen bleiben mussten, um die hereinschlagenden Wellen abzuwehren. Als die Stunde des Festmahles nahte, hatten sich die Elemente in ihrer feindlichen Opposition bereits klar ausgesprochen - es blieb kein Zweifel mehr übrig, dass es einen Kampf mit einem der berüchtigten Taifune des chinesischen Meeres zu bestehen galt.
Der Wind hatte um Mittag dermaßen an Kraft zugenommen, dass man die Segel teils bergen, teils reefen musste. Die See bäumte sich und schüttete zeitweise ihre hochaufsteigenden Wellen über Bord. Das Schiff wurde so gewaltig hin und her geworfen, dass alles, was nicht festgeschraubt oder seefest gestaut war, von einer Seite auf die andere geschleudert wurde. Nichtsdestoweniger setzte man sich zur Tafel, band Stühle und Tisch fest, und wer von den Geladenen nicht am See übel litt, nahm heiter und lustig am Mahle teil. Aber selbst diese Vorsichtsmaßregeln hinderten nicht manchen unliebsamen Zwischenfall. Von einem fürchterlichen Ruck des Schiffes überrascht, verschwand plötzlich ein Teil der Gesellschaft mit Gläsern, Flaschen und Tellern vom Tische und lag im wilden Durcheinander auf dem nicht minder schwankenden Boden. Stühle und Fauteuils hatten die Beine verletzt, alles Zerbrechbare war in Trümmer und Scherben gegangen, aber die Gäste waren glücklicherweise ohne Beschädigung davongekommen. Man nahm neuerdings an der großen festgeschraubten Tafel Platz, auf welcher nichts mehr als das leere Tischtuch sicher war und jeder suchte nun noch sorglicher als zuvor seine Position zu behaupten. Als am Schluss des Mahles der Befehlshaber der Expedition den üblichen Trinkspruch ausbrachte und die Gäste ihre Gläser auf das Wohl des erhabenen Regenten leerten, dessen Geburtsfest an Bord der Novara eben in so seltsamer Weise gefeiert wurde, spielte die Musikband, so gut als es die heftige Schiffsbewegung zuließ, die Volkshymne, und ein lautes "Hoch" übertönte das Gekrache des Schiffes, das Heulen des Windes und das dumpfe Gebrülle der immer mächtiger gegen die Schiffsplanken rollenden Wogen [...]
[...] Die Nacht vom 8. auf 9. August war im vollsten Sinne des Wortes eine Sturmnacht. Gegen Mitternacht wurde das tiefgereefte Vormarssegel wieder in die Schoten gesetzt, um im Kurs West zu Süd einigen Weg zurückzulegen. Hatten wir den Gang des Zyklonen-Zentrums richtig berechnet, so musste der Wind, sobald wir vorwärts kamen, schralen, da wir uns nun wieder auf der linken Seite seiner Bahn befanden. Die Bewegung des Schiffes war eine so gewaltige, daß die Seitenboote beständig Wasser schöpften und dieses beim Rollen der Fregatte wieder stromweise aufs Verdeck gossen. Zuweilen füllten sie sich dermaßen mit Wasser, daß durch ihr Gewicht die Krahne zu zerbrechen drohten, an welchen sie festgemacht waren. Die Batterie war von den Sturzwellen überschwemmt, welche an der Schiffs wand zerschellten und deren Schaum der Sturmwind bis hoch in die Masten jagte. Die Wellen kreuzten sich in allen Richtungen, fast konische Wellenberge erhoben sich plötzlich, soweit man es zu schätzen vermochte, bis zu 25 und 30 Fuß Höhe und versanken wieder ebenso schnell. Es war die wahre pyramidale See der Zyklonen, von welcher die Schiffe, welche in den Bereich dieser Wirbelstürme kommen, fast noch mehr zu fürchten haben als von der Festigkeit und Gewalt des Orkanes selbst [...]
[...] Am 20. bei Tagesanbruch zeigten sich Masten und Tauwerk der Fregatte bis hoch hinauf mit einer Kruste von Seesalz überzogen und gaben Zeugnis von der gewaltigen Höhe, zu welcher der Wasserstaub der tobenden Fluten emporgetrieben worden war [...]
Historische Bilder zu Karl von Scherzer (IMAGNO)
Literatur#
- Scherzer und Wagner, M, Reisen in Nordamerika, 3 Bde., 1854
- Scherzer, Reise der österreichischen Fregatte "Novara" um die Erde, 3 Bde., Wien 1864-1866
- Smyrna, Wien 1873
Quellen#
- H.&W. Senft, Aufbruch ins Unbekannte, Stocker Verlag, Graz, 1999
Redaktion: Hilde und Willi Senft
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