Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast
vom 09.12.2021, aktuelle Version,

Českoslovanská strana agrární

Die Českoslovanská strana agrární (deutsch: Tschechoslowakische Agrarpartei, bis 1905 Česká agrární strana/Tschechische Agrarpartei) war eine Bauernpartei in Österreich-Ungarn und später in der Tschechoslowakei. Sie wurde 1899 gegründet.

Geschichte

Die tschechischen Parteien der Alttschechen und Jungtschechen hatten lange Zeit den Anspruch auf die politische Vertretung der gesamten Nation gestellt. Dennoch vertraten sie politisch vor allem die Interessen der städtischen Bevölkerung. Die Bauern kritisierten zwar diese Tatsache, jedoch kam es während der 1870er und 1880er Jahre lediglich zu vereinzelten Vorschlägen zur Gründung einer Bauernpartei. Zudem gelang es den Jungtschechen sich Mitte der 1880er Jahre als Sprecher für die Bauen zu positionieren, was die Jungtschechen bei den Landtagswahlen 1889 bzw. der Reichsratswahl 1891 zur stärksten tschechischen Partei machte. Da sich die Zusammenarbeit zwischen Jungtschechen und Bauernvertreten schwierig gestaltete, wurden in den 1890er Jahren mehrere Bauernvereine und -parteien gegründet. Zu ihnen gehörte die südböhmische, konservative „Böhmisch-mährische Landwirtschaftspartei“ (Českomoravská strana hospodářská), die aus dem „Landesbauernbund für das Königreich Böhmen“ (Zemská selská jednota pro království české) von Alfons Ferdinand Šťastný hervorgegangen war. Nachdem im Februar 1896 Stanislav Kubr in Mittelböhmen den Verein „Mittelböhmischer Bauerngau“ (Středočeská selská župa) gegründet hatte, entstand einige Monate später in Ostböhmen auf Betreiben von František Udržal der „Politische Bauernverein“ (Politická selská jednota). Während Kubr und Udržal anfangs noch in Übereinstimmung mit den Jungtschechen agierten, trennte sich Kubr in der Folge von Udržal und den Jungtschechen und benannte seine Organisation in „Vereinigung tschechischer Landwirte für das Königreich Böhmen“ (Sdružení českých zemědělců pro království České) um. Aus diesem Verband entstand in der Folge 1899 die Tschechische Agrarpartei, die als Rahmenorganisation verschiedener Interessenvereinigungen diente und das politische Programm formulierte. Im Jahr 1900 schloss sich schließlich auch der Landesbauernbund für das Königreich Böhmen der Tschechischen Agrarpartei an.

Zählte die Vereinigung tschechischer Landwirte 1897 noch 2.000 Mitglieder, so steigerten sich die Mitgliederzahlen durch die Gründung der Tschechischen Agrarpartei 1897 bereits auf 18.000 Personen, 1900 hatte die Partei 20.000 Mitglieder, 1912 hatte die mittlerweile in allen Ländern der böhmischen Krone agierende Partei 91.000 Mitglieder. Um ihren Einfluss auszudehnen gründete die Agrarpartei zudem Zweigorganisationen wie den Zentralverband der Rübenbauern oder den Zentralverband der tschechischen landwirtschaftlichen Genossenschaften, die Agrarbank (Agrání banka) und eine druck- und Verlagsgenossenschaft, die unter anderem das Wochenblatt „Obrana zemědělců“ (Verteidigung der Landwirte) und ab 1906 die Tageszeitung „Venkov“ (Land) publizierte. Nachdem sich im Mai 1905 die Tschechischen Agrarpartei mit den Vertretern der Bauernparteien aus Mähren und Schlesien zusammengeschlossen hatte, trat die Partei in allen böhmischen Ländern als Tschechoslowakische Agrarpartei auf. 1906 trat schließlich auch Udržals Bauernverein der Partei bei. Im Jahr 1909 wurde Antonín Švehla der Vorsitzende der Partei und blieb das bis 1933.

Das Parteiprogramm der Agrarpartei stand ganz im Zeichen der Bedeutung der landwirtschaftlichen Gesellschaftsschicht für das Leben der tschechischen Nation und der Volkswirtschaft. Hierzu verfolgte die Agrarpartei eine gesellschaftliche und kulturelle Durchdringung der Landbevölkerung mittels einer eigenen Agrarideologie. Auf staatlicher Ebene stand die Agrarpartei für eine Schwächung der Zentralisierung, eine Stärkung der Selbstverwaltung, einen Kompetenzgewinn für die Landtage und für die Weiterentwicklung des Schulwesens. Hierbei trat die Agrarpartei auch für einen Gleichberechtigen Zugang der Frauen zu Bildung ein. War die Agrarpartei der Ausdehnung des Wahlrechts erst negativ gegenüber gestanden, so bekannten sich die Parteimitglieder schließlich doch zur Reform der Reichsratswahlordnung 1906, die sie schließlich bei der Reichsratswahl 1907 auch zur stärksten tschechischen Partei werden ließ. Diese Position konnte die Tschechische Agrarpartei bei der Reichsratswahl 1911 noch ausbauen.

Nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 hat sich die Partei in Republikánská strana zemědělského a malorolnického lidu (RSZML, Republikanische Partei des landwirtschaftlichen und kleinbäuerlichen Volkes, kurz Agrarpartei) umbenannt und wurde zeitweise zur stärksten Partei der Republik. Obwohl sie tschechisch dominiert war, stieg die Partei in den 1920er Jahren auch zur stärksten Partei in der Slowakei – neben der HSĽS – auf.[1]

Letzter Vorsitzender der Partei vor dem Münchner Abkommen war Milan Hodža, der Anfang der 1920er Jahre die slowakische Sektion der Partei geführt hatte.[2]

Literatur

  • Jiří Pokorný: Vereine und Parteien in Böhmen. In: Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie. 1848–1918. Band 8: Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Teilband 1: Vereine, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2006, ISBN 3-7001-3540-8, S. 609–703.

Anmerkungen

  1. David X. Noack: Breaking Up the Fortress on the Danube? German Policy towards Slovakia and Ruthenia, 1919–1933, in: Aliaksandr Piahanau/Bojan Aleksov (Hrsg.): Wars and Betweenness: Big Powers and Middle Europe, 1918–1945, Budapest: Central European University Press 2020, S. 141–160 (hier: S. 149). Hier abrufbar.
  2. Stefano Bianchini: Eastern Europe and the Challenges of Modernity, 1800–2000, Hoboken: Taylor and Francis 2015, S. 65. Hier abrufbar.