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vom 04.01.2020, aktuelle Version,

Berittene Polizei in Österreich

Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, hier sollte die berittene Polizeieinheit während des Probebetriebes stationiert sein

Eine berittene Polizei in Österreich gibt es in der Gegenwart nicht. Es gab eine seit 2018 im Ausbildungsbetrieb stehende berittene Polizeieinheit der Bundespolizei Österreichs, die der Direktion für Spezialeinheiten im Bundesministerium für Inneres zugeordnet war. Als amtliche Bezeichnung für den geplanten Probebetrieb war Polizeireiterstaffel im Gespräch. Am 27. November 2019 gab das Innenministerium der Bundesregierung Bierlein jedoch bekannt, das unter der Vorgängerregierung initiierte Projekt der berittenen Polizei werde seinen Probebetrieb nicht aufnehmen, sondern aufgrund der hohen Kosten eingestellt.

Geschichte und Entwicklung

1869 bis 1950

Berittene Einheiten der Exekutive bestanden in Österreich bereits ab Einrichtung der Sicherheitswache im Jahr 1869 in Wien. Auch bei der Gendarmerie gab es berittene Einheiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese jedoch nach und nach aufgelöst, bis schlussendlich im Jahr 1950 die letzte Reiterstaffel der Sicherheitswache in Graz ihren Dienst beendete.

Entwicklung seit den 2000er-Jahren

Von FPÖ und ÖVP wurde in den 2000er- und 2010er-Jahren immer wieder die Einrichtung einer berittenen Polizeieinheit für den Dienst in Wien (vor allem auf der Donauinsel) gefordert. Die Landespolizeidirektion Wien setzt für den Streifendienst auf der Donauinsel und in anderem entsprechenden Gelände anstelle von Pferden bisweilen Fahrräder, im Jahr 2016 insgesamt 50, ein.[1] Zuletzt prüfte im Jahr 2010 die damals amtierende Innenministerin Maria Fekter die Einrichtung einer Reiterstaffel, das Projekt wurde aber nicht weiter verfolgt.[2]

Beschaffung unter Herbert Kickl (Innenminister, Dezember 2017 – Mai 2019)

Innenminister Herbert Kickl beim Besuch der Reiterstaffel in München im Februar 2018

Kurz nach dem Amtsantritt Herbert Kickls als Innenminister in der Bundesregierung Kurz I im Dezember 2017 wurde im Jänner und Februar 2018 intensiv die Einrichtung der berittenen Polizei diskutiert, Ausgangspunkt dafür bildete ein Anfang Jänner veröffentlichter Bericht der Tageszeitung Kurier.[3] Einen vorläufigen Höhepunkt bildete der Besuch von Herbert Kickl bei der Reiterstaffel der Bayerischen Polizei in München. Dabei kündigte Kickl an, die Planungen für die Reiterstaffel in Wien bis Mitte 2018 abschließen zu wollen und spätestens im Sommer 2019 einen probeweisen Betrieb mit zunächst zwölf Tieren zu beginnen.[4]

Im Mai 2018 veröffentlichte der Kurier einen Bericht, wonach die jährlichen Kosten der Reiterstaffel bis zu 450.000 Euro betragen würden, was im Widerspruch zu den vom Innenministerium veranschlagten Kosten von rund 350.000 bis 400.000 Euro und den von der FPÖ geschätzten Kosten von ca. 45.000 Euro stand. Das Innenministerium erklärte dazu, es handele sich um ein veraltetes Papier der Wiener Polizei, und kündigte einen Gegenvorschlag an.[5] Details aus diesem überarbeiteten Papier wurden im Juli 2018 ebenfalls vom Kurier veröffentlicht. In der sehr detaillierten Planung waren neben möglichen Einsatzgebieten auch die Größe der Reiterstaffel, der Standort, Anforderungen an die Reiter und die Kostenfrage behandelt. Das Innenministerium veranschlagte als Kosten für den Probebetrieb rund 500.000 Euro, allerdings ohne die Kosten für die Stallungen einzubeziehen.[6]

Im Juni 2018 wurde das erste von insgesamt zwölf für die Einheit vorgesehenen Pferden angekauft,[7] zwei Pferde erhielt das Innenministerium vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als Geschenk.[8] Die beiden geschenkten Rappen Zalan und Zadar waren jedoch gesundheitlich angeschlagen, ein Pferd musste später ausgetauscht werden.[9][10]

Ursprünglich war die Errichtung der Einheit bei der Landespolizeidirektion Wien geplant; im August 2018 wurde jedoch angekündigt, dass die Einheit der Direktion für Spezialeinheiten im Innenministerium unterstellt werden sollte. Zum Ausbildungsleiter wurde per 1. September 2018 neben Bundesheer-Oberstleutnant Roland Pulsinger der Polizei-Oberstleutnant Thomas Maier bestellt.[11]

Im September 2018 begann die Ausbildung der zehn bereits angekauften Pferde sowie 19 Reiter in der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Bereits im Sommer 2018 war es bei der Reitausbildung zu einem Unfall gekommen, bei dem eine Polizistin schwer verletzt wurde.[10] Im Endausbau sollten 12 bis 14 Pferde für den Probebetrieb der Reiterstaffel zur Verfügung stehen.[12]

Kickl wurde im Mai 2019 während der durch die Ibiza-Affäre ausgelösten Regierungskrise als Innenminister entlassen. Die FPÖ verlor in weiterer Folge die Regierungsverantwortung. Die Regierung Bierlein wurde als Übergangsregierung eingesetzt und im November 2019 erfolgte eine vorgezogene Nationalratswahl.

Auflösung unter Regierung Bierlein (ab November 2019)

Von der Regierung Bierlein wurde am 27. November 2019 bekanntgegeben, dass das Projekt aufgrund zu hoher Kosten noch vor Aufnahme des Probebetriebs eingestellt und die berittene Polizei nicht eingeführt wird. Die bereits angeschafften Pferde sollen an eine Tierschutzorganisation abgegeben werden.[10]

Bis Sommer 2019 sind laut Kurier rund 2,5 Millionen Euro an Aufwendungen entstanden.[13]

...

Kritik

Seitens der Tierschutzorganisationen Vier Pfoten und Pfotenhilfe wurde kritisiert, dass der Einsatz von Pferden im Exekutivdienst dem natürlichen Fluchtinstinkt der Tiere widerspräche und die Tiere unnötigen Belastungen aussetze.[14][15]

Die Klubs der Parteien SPÖ, Grüne und Neos im Wiener Gemeinderat verabschiedeten eine Resolution gegen die berittene Polizei in Wien. Kritisiert wurden auch hier die fehlende Berücksichtigung von Tierschutzaspekten, Kosten für die Beseitigung von Verunreinigungen durch die Pferde und Gefahren für Polizisten und Dritte, die durch die Pferde zu Schaden kommen könnten. Außerdem wurde Bezug auf den Wiener Justizpalastbrand im Juli 1927 genommen, als unter anderem berittene Polizei bei den Unruhen in Wien gegen die demonstrierende Menge vorging. Besonders Einsätze berittener Polizeikräfte bei Demonstrationen seien darum ein sensibles und historisch belastetes Thema.[16]

Ebenso kritisierte der ÖVP-Bezirksvorsteher des Bezirkes Innere Stadt, Markus Figl, den Einsatz von Pferden aufgrund der hohen Reparatur- und Instandhaltungskosten, die durch Beschädigungen am Straßenbelag verursacht würden.[17]

Standort und Organisation

Der Probebetrieb sollte von der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt aus organisiert werden, obwohl dieser Standort nach Einschätzung des Innenministeriums nur als bedingt tauglich bewertet wurde. Zum Start der Ausbildung Anfang September 2018 waren der berittenen Polizei 19 Beamte sowie zehn Pferde zugeordnet. Die Auswahl der Tiere und Beamten erfolgte durch eine aus drei Personen bestehende Kommission.

Zur geplanten Organisationsstruktur der berittenen Polizei gab es keine Verlautbarungen. Auf Nachfrage, ob sie auch außerhalb von Wien eingesetzt werden sollte, betonte das Innenministerium noch im Juli 2018, dass es sich um ein österreichweites Projekt handeln sollte.[18]

Die berittene Polizei sollte wie jede andere Polizeieinheit einen eigenen Funkrufnamen und ein Einheitenabzeichen erhalten.

Aufgaben

Die geplanten Aufgabenbereiche für den Probebetrieb waren der Streifendienst, vorgesehen auf der Mariahilfer Straße, dem Prater sowie dem Praterstern und der Donauinsel. Ebenso sollte die Einheit bei Sportveranstaltungen, im Objektschutz, bei der Personenfahndung und zu repräsentativen Anlässen eingesetzt werden. Entgegen ersten Annahmen war von einem Einsatz bei Demonstrationen nicht die Rede.[6][19]

Einzelnachweise

  1. Andreas Edler: FPÖ fordert berittene Polizisten auf der Donauinsel. In: meinbezirk.at. 25. April 2016, abgerufen am 7. September 2018.
  2. Fekter prüft berittene Polizei für Wien. In: oe24.at. 29. Juni 2010, abgerufen am 7. September 2018.
  3. Minister prüft berittene Polizei für Wien. In: wien.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 4. Januar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  4. Berittene Polizei: Kickl schwingt sich in den Sattel. In: kurier.at. 15. Februar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  5. Dominik Schreiber, Lisa Rieger: Berittene Polizei wird teurer als geplant. In: kurier.at. 24. Mai 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  6. 1 2 Michaela Reibenwein: 150-Seiten-Konzept für Berittene: „Kernige Reiter“ gesucht. In: kurier.at. 9. Juli 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  7. Berittene Polizei hat ihr erstes Pferd. In: wien.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 22. Juni 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  8. Orban schenkt Kickl zwei Pferde. In: kleinezeitung.at. 27. Juli 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  9. Berittene Polizei: Lahmende Orban-Pferde vor Austausch. In: Der Standard. 29. März 2019, abgerufen am 19. März 2019.
  10. 1 2 3 Berittene Polizei wird nicht eingeführt. In: orf.at, 27. November 2019, abgerufen am 28. November 2019.
  11. Dominik Schreiber: Nach Pannenserie: Neuer Chef für die berittene Polizei. In: kurier.at. 1. August 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  12. Es geht los für die berittene Polizei. In: news.at. 1. September 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  13. „Berittene Polizei“: Herbergssuche für Pferde orf.at, 28. November 2019, abgerufen 29. Dezember 2019.
  14. Berittene Polizei: Vier Pfoten startet Online-Petition gegen FPÖ-Pläne. In: vienna.at. 18. Januar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  15. Berittene Polizei in Wien: Pfotenhilfe sieht in geplantem Vorhaben Tierquälerei. In: vienna.at. 8. Januar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  16. Gemeinderat: Resolution gegen Polizeipferde. In: wien.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 24. Februar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  17. Wiens Polizei wird bald auf Trab gehalten. In: nachrichten.at. 12. Februar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  18. Berittene Polizei: Runde zwei bei menschlichen Bewerbern. In: diepresse.com. 7. August 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  19. derstandard.at – „Berittene Polizei: Ausbildungsstart mit zehn Pferden und 19 Reitern“