Marcell Salzer
Marcell Salzer, eigentlich Moritz Salzmann (* 27. März 1873 in Sankt Johann an der March; † 17. März 1930 in Berlin) war ein österreichisch-deutscher Vortragskünstler.
Leben
Salzer kam als Jugendlicher nach Wien und absolvierte dort eine kaufmännische Lehre. Nach erfolgreichem Abschluss wirkte er auch einige Zeit in diesem Beruf. Bereits in dieser Zeit begann er aufzutreten – meist im Familien- und Freundeskreis.
Als Salzer 1901 erfuhr, dass der Schriftsteller Ernst von Wolzogen in Berlin ein Kabarett gründen wollte, kündigte er seine Stellung und schloss sich diesem an. Bis zur Schließung von Wolzogens Kabarett Überbrettl Ende 1902 trat Salzer dort regelmäßig auf. Der Mecklenburg-Strelitzer Großherzog ernannte ihm zum Inhaber des Ordens für Kunst und Wissenschaft. 1904 stand er auf der Bühne im Berliner Varieté Wintergarten ; in Wien trat er im Apollo-Theater auf.
Salzer machte den Vortrag literarischer Texte zu einem eigenständigen künstlerischen Beruf in der Stellung zwischen Schauspielbühne und Kabarett.[1]
Salzer konvertierte vom jüdischen zum evangelischen Glauben. Er war in Berlin verheiratet und hatte vier Kinder. Er starb zehn Tage vor seinem 57. Geburtstag in Berlin und fand dort auch seine letzte Ruhestätte. Ein Nachruf erschien im Berliner Tageblatt.[2]
Rezeption
Salzers Markenzeichen war seine markant pointierte Sprechweise und seine unnachahmliche Art, Texte in den verschiedensten deutschen Dialekten vorzutragen. Große Erfolge konnte er mit seinen Programmen „Willis Werdegang“[3] und „Erlebnisse eines böhmischen Fremdenführers“ erzielen.
Salzer wird mehrfach in Karl Kraus' Weltkriegsdrama Die letzten Tage der Menschheit erwähnt:
„1. Schieber: Sie, gestern war ich beim Vortragskünstler Marcel Salzer im Apollo. Ich sag Ihnen meine Herrn, das sollten Sie wirklich nicht versäumen. 2. Schieber: Soo guut? 1. Schieber: Ja! Sie, da trägt er Ihnen ein Gedicht vor. Also, da kommt vor die Schlacht von Tannenberg, wie General Hindenburg die Russen hereintreibt in die masurischen Sümpfe – Sie ham doch in der Presse gelesen damals die packende Schilderung – 2. Schieber: Ich weiß noch den Titel: »Umfassung der russischen Truppen durch die deutsche Armee und Hereinwerfen in die masurischen Sümpfe.« 1. Schieber: Ja, also das kommt genau vor, aber mehr komisch, und da macht er gluck-gluck und gluck-gluck, wie sie alle ersticken, die Soldaten. Ich sag Ihnen und dabei das betamte Gesicht, was er macht, Salzer, die Äuglein – es is sein Geld wert.“
Seine fünfbändige Textkollektion Das lustige Salzer-Buch, die nicht allein Werke der deutschen Klassiker, sondern auch solche von Wilhelm Busch, Ludwig Thoma, Rideamus oder auch Roda Roda versammelte, erreichte in Deutschland höchste Auflagen.
Werke (Auswahl)
- Das lustige Salzer-Buch. Heitere Lektüre- und Vortrags-Stücke. 5 Bände. Verlag: Anton J. Benjamin, Hamburg 1911–1929.
Film
- 1927: Das Mädchen mit den fünf Nullen (Rolle: Arnold Lebbecke)
Schallplatten (Auswahl)
- Grammophon 41 291 (mx. 3168 ab) : Die Musik kommt (Text: Detlev von Liliencron)
- Grammophon 41 292 (mx. 3169 g) : Legende vom heiligen Sebastian
- Grammophon 041000 (mx. 210 y) : Willi als Abiturient, aus Rideamus: Willis Werdegang
- Grammophon 041001 (mx. 211 y) : Willis 16. Geburtstag, aus Rideamus: Willis Werdegang
- Odeon 50 092 (mx. XB 1377) : Die Begegnung der Familie im Theater (Text: Rideamus)[4]
- Odeon 50 087 (mx. XB 1378) : Abiturienten-Bummel (Text: Rideamus)[5]
- Odeon 50 088 (mx. XB 1383) : Die Franzer (Text: Henry F. Urban)[6]
- Odeon 50 080 (mx. XB 1396) : Der Stiefelknecht (Text: Peter Rosegger)[7]
Abbildungen
- Edmund Edel : Plakat zu einem “Lustigen Abend” mit Marcell Salzer.
- Annonce des Kasino-Saals, Friedrichstr. 22 vom 2.Mai 1911 (© Karlheinz Everts) für einen Rezitations-Abend mit Salzer.
- Titelseite von “Das lustige Salzer-Buch” mit dem Bilde Salzers.
Literatur
- Heinz Büttner, Klaus Krüger, Rainer E. Lotz und Christian Zwarg (Hrsg.) : Deutsche National-Diskographie: Volume 6. Diskographie der deutschen Kleinkunst. Bonn: Birgit Lotz, 2006. ISBN 978-3-9805808-7-8.
- Georg Herlitz, Bruno Kirschner (Hrsg.): Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden. Band 4, 2: S – Z. Jüdischer Verlag, Berlin 1930 (2. Auflage. Jüdischer Verlag bei Athenäum, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-633-54033-4).
- Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898-1945. Göttingen, im Selbstverlag, 1992. Zahlr. Abb., unpag.
- Rainer E. Lotz, Axel Weggen: Discographie der Judaica-Aufnahmen (= Deutsche National-Discographie, Serie 6, Bd. 1), Bonn: Birgit Lotz, 2006.
- Theo Stengel, Herbert Gerigk: Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke (= Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage. Bd. 2, ZDB-ID 279909-1). Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP. Auf Grund behördlicher, parteiamtlicher geprüfter Unterlagen. Hahnefeld, Berlin 1940.
- Salomon Wininger: Große jüdische National-Biographie mit mehr als 8000 Lebensbeschreibungen namhafter jüdischer Männer und Frauen aller Zeiten und Länder. Ein Nachschlagewerk für das jüdische Volk und dessen Freunde. Band 5: Pereira – Steinhaus. „Orient“ Druckerei u. a., Czernowitz 1931 (Nachdruck. Kraus-Reprint, Nendeln 1979, ISBN 3-262-02108-3).
- Christian Zwarg : ODEON Matrix Numbers — B/xB/xxB/xxxB (Berlin), PDF, S. 51 / 52.
Einzelnachweise
- ↑ Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898-1945. Göttingen, im Selbstverlag, 1992
- ↑ Berthold Leimbach: Tondokumente der Kleinkunst und ihre Interpreten 1898-1945. Göttingen, im Selbstverlag, 1992, leider ohne Beleg.
- ↑ d. i.: Dr. Fritz Oliven (Rideamus), Willis Werdegang. Scenen aus dem Familienleben. M. Ill. v. Edmund Edel. Bln. (um 1910). Großoktav, 60 S. (= Bunte Brettl- und Theater-Bibl., 7).
- ↑ label von ODEON Platte X 51 024 abgeb. bei ebay.at (aufgerufen 27.02.19)
- ↑ label von ODEON Platte X 51 023 abgeb. bei ebay.at (aufgerufen 27.02.19)
- ↑ Henry F. Urban: Die Franzer. Recitation Marcell Salzer, Berlin. Odeon Record No. 25937, aufgen. Juli 1906, anzuhören auf youtube.com ; „Die Franzer“ war der volksläufige Spitzname des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2, das 1870/71 an der Verfolgung der französischen Truppen und der Belagerung von Paris beteiligt war.
- ↑ Der Stiefelknecht (P. Rosegger) Recitation Marcell Salzer, Berlin. Odeon Record No. 25921, aufgen. Juli 1906, anzuhören auf youtube.com
Personendaten | |
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NAME | Salzer, Marcell |
ALTERNATIVNAMEN | Salzmann, Moritz (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch-deutscher Vortragskünstler |
GEBURTSDATUM | 27. März 1873 |
GEBURTSORT | Sankt Johann an der March |
STERBEDATUM | 17. März 1930 |
STERBEORT | Berlin |
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Das Grab des deutschen Kabarettisten Marcell Salzer und seiner Ehefrau Gisela geborene Holländer auf dem Parkfriedhof Lichterfelde in Berlin. | Eigenes Werk | Harvey Kneeslapper | Datei:Grab Marcell Salzer.jpg | |
Marcell Salzer, eigentlich Moritz Salzmann (1873-1930), österreichisch-deutscher Vortragskünstler. | Zeitschrift "Berliner Leben", Heft 12 (1907). | Unbekannter Fotograf der Epoche. | Datei:Marcell Salzer (BerlLeben 1907-12).jpg |