Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!

unbekannter Gast

Muehl, Otto#

* 16. 6. 1925, Grodnau (Gemeinde Mariasdorf, Burgenland)

† 26. 5. 2013, Faro, Portugal


Maler, Aktionskünstler
Kommunengründer


Otto Muehl wurde am 16. Juni 1925 im burgenländischen Grodnau als Sohn eines Volksschullehrers und einer Hausfrau geboren.

Er besucht das Realgymnasium in Oberschützen, wurde aber 1940 zum Landdienst, später zum Reichsarbeitsdienst und 1943 zur Wehrmacht eingezogen, wo er sich sich freiwillig zur Offiziersausbildung meldete und als Leutnant die Ardennoffensive teilnahm.

Von 1948 bis 1952 absolvierte er ein Lehramtsstudium für Deutsch und Geschichte an der Universität Wien und machte auch ein Probejahr an einer Rrealschule. 1953 begann er ein Studium der Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste. Während des Studiums begann er als Zeichenlehrer und Maltherapeut in einem Kinder-Therapieheim zu arbeiten.

1961 – nur ein Jahr nach seiner ersten Einzelausstellung - wandte sich wieder von der Malerei ab und begann, die Leinwand aufzuschlitzen und Objekte einzuarbeiten ("Zerstörung des Tafelbildes") und Gebilde aus Schrott zu fertigen. Mit diesem von ihm so genannten "Gerümpelsculpturen" begannen seiner "Materialaktionen"; 1962 fand in seinem Atelier die erste aktionsähnliche Veranstaltung statt (Muehl ließ sich mit Nitsch und Frohner 3 Tage lang einmauern). Das im Zuge der Aktion/Ausstellung entstandene gemeinsame Manifest "Die Blutorgel" markiert den Beginn des "Wiener Aktionismus".


Von 1963 bis 1973 realisierte er eine Vielzahl privater und öffentlicher Aktionen, deren fotografische Dokumentation meist der Pressefotograf Ludwig Hoffenreich übernahm.

In dieser Zeit, in der sich ringsum alles ideologisch radikalisierte, wollten Künstler wie Otto Muehl, Günter Brus, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler u.a. mit ihren Aktionen - mit verstörender, radikaler Körperkunst - den traditionellen Kunstbegriff zertrümmern und die bürgerliche Gesellschaft attackieren.


1966 entwickelte Otto Muehl zusammen mit Günter Brus einen neuen Aktionstyp, bei dem der Körper dessen Funktionen als das eigentliche „Material“ begriffen werden.

1968 war er unter den Organisatoren der als "Uni-Ferkelei" berühmt-berüchtigt gewordenen Aktion "Kunst und Revolution", 1969 schlachteten Muehl und Nitsch bei einer Aktion ein Schwein und schütteten Blut, Urin und Kot über eine nackte Frau.

Bald jedoch wollte er sich und seine Aktionen von der entstehenden "Happening-Kunst" abgrenzen und fand sozusagen seine Berufung: die Gründung einer Kommune, der Aktionsanalytischen Organisation (AAO).
Zuerst trafen Muehl und seine Anhänger sich in seiner Wohnung, ehe er 1974 im Nordburgenland seine Kommune Friedrichshof gründete: mit eigener Schule, die später sogar Öffentlichkeitsrecht (!) hatte, verschiedenen Werkstätten und Landwirtschaft.

In ihrer Blütezeit um 1983 umfasste die Kommune am Friedrichshof und in 30 europäischen Stadtgruppen, sowie auf der 1986 auf der Kanarischen Insel La Gomera gegründeten Dependance mehr als 600 Personen und verzeichnete auch erstaunliche wirtschaftliche Erfolge.


Nach seiner Vorstellung – einer Mischung aus Wilhelm Reichs Charakterstudie, aus Verhaltens- und Urschreitheorie ging es um die Verwirklichung der "praktischen" Kunst - die Erschaffung des neuen Menschen. Freie Sexualität, Gemeinschaftseigentum, gemeinsames Aufziehen der Kinder und die Weiterentwicklung der künstlerischen Aktion zur Aktionsanalyse und in der Folge zur "analytischen Selbstdarstellung" waren Grundstrukturen der Kommune.

Doch das soziale Experiment scheiterte - statt Freiheit gab es autoritären Führerkult, Missbrauch, sexuelle und emotionale Gewalt.


In der Zeit von 1975 bis 1991 entstand eine große Zahl von Arbeiten (Malereien, Guachen, Aquarellen und Zeichnungen) – er stellte diese jedoch nicht außerhalb der Kommune aus.


1991 wurde Otto Muehl wegen einer Reihe von Sittlichkeitsdelikten (bis hin zur Vergewaltigung), Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz und Zeugenbeeinflussung schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auch seine Frau Claudia, die maßgeblich am Aufbau der Strukturen beteiligt gewesen war, saß ein Jahr wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses im Gefängnis. Während der Haft malte Muehl ca. 300 Bilder.

Nach seiner Freilassung zog er sich 1998 nach Faro in Portugal zurück, wo er in der "Art & Life Family"-Kommune, umgeben von einem Dutzend Getreuer und ihrer Kinder lebte.

Trotz seiner fortschreitenden Parkinson-Krankheit entwickelte er ab 2002 die sogenannten "Electric-painting"-Filme - am Computer bemalte Digitalfotos von Aktionen.

Am 26. Mai 2013 starb der umstrittene Aktionskünstler und Maler Otto Muehl in Portugal.


Die Einschätzung der künstlerischen Bedeutung des Werks von Otto Muehl ist ebenso unterschiedlich wie die von ihm gewählten Ausdrucksformen.

Nach seiner Haftentlassung wurde die von Claus Peymann initiierte Lesung Muehls im Wiener Burgtheater am 11. Februar 1998 zum Anlass heftiger kulturpolitischer Debatten. Fast keine internationale Aktionismus-Ausstellung kommt ohne seine Werke aus, das Leopold-Museum widmete ihm 2010 eine große Ausstellung (im Rahmen deren er sich erstmals - sehr spät und eher halbherzig - bei ehemaligen Mitgliedern der Muehl-Kommune entschuldigte). Während sein Kommunenprojekt gescheitert war, erlangte er in späteren Jahren Anerkennung als Maler.

2013 wurde durch den Film "Meine keine Familie" von Paul-Julien Robert, der 1979 am Friedrichshof geboren wurde, das gescheiterte Experiment wieder thematisiert. Die Sammlung Friedrichshof im burgenländischen Zurndorf ist seit 2010 nach einem Umbau mit einem Querschnitt von Arbeiten der Wiener Aktionisten Günter Brus, Hermann Nitsch, Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler sowie Wechselausstellungen für die Öffentlichkeit zugänglich.

Literatur#

  • O. Muehl, Arbeiten auf Papier aus den 60er Jahren, Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main 1992

Weiterführendes#

Quellen#



Redaktion: I. Schinnerl