Thury, Elisabeth (eigentlich Vukobrankovics, Milica von) #
* 01. 03. 1894, Korneuburg, N.Ö.
† 09. 06. 1973, Wien
Journalistin
Die spätere „Madame APA“ wurde am 1. März 1894 als Milica von Vukobrankovics in Korneuburg geboren. Schon früh weihte sie der Vater, ein hoher Beamter, in die Geschichte ihres Geschlechts ein. Eigentlich wäre sie, sein einziges Kind, eine serbische Prinzessin. Er verschwieg ihr auch nicht, dass die Familie mit einem Fluch belegt worden war, weil der Ahnherr Fürst Vuk Brankovic in der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 sein Volk verraten haben soll.
Zur Schule geht Milica in die Bürgerschule in der Hegelgasse 14. Nach der Matura wird sie Lehrerin – damals die jüngste Österreichs. Ihr Fürsprecher heißt Rudolf Piffl, Direktor der Lehrerinnenbildungsanstalt. Der Bruder von Friedrich Gustav Kardinal Piffl beauftragt sie mit Nachhilfeunterricht für seinen Ziehsohn Albert Zelenka Piffl. Auf „Familien-Urlaub“ auf Schloss Kranichberg, der Sommerresidenz Seiner Eminenz, verliebt sich die Junglehrerin in den Familienvater. Nur wenig später wird Antonie Piffl, die Gattin des Direktors, krank. Die Ärzte sprechen von Vergiftungen, doch niemand wagt auch nur, das Undenkbare auszusprechen. Erst viel später – Antonie Piffl ist jetzt schon schwer gezeichnet – fällt der Verdacht auf Milica. „Ungeschickterweise“ erhärtet sie diesen auch noch, als sie versucht, ihrem Nachhilfeschüler Albert die Schuld in die Schuhe zu schieben. Es kommt zum Bruch mit der Familie Piffl, es folgt ein spektakulärer Indizienprozess.
Namensänderung und Comeback
War sie’s oder war sie’s nicht? In den letzten Tagen der Monarchie kann der „Giftprinzessin“ zwar kein Mordversuch nachgewiesen werden – sie plädiert stets auf „Unschuldig!“ –, wegen Verleumdung wird sie allerdings zu drei Jahren schweren Kerkers verurteilt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten findet sie sich in der „Liesl“, dem Gefangenenhaus an der Elisabeth-Promenade, heute: Roßauer Lände, schließlich doch zurecht. Aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen wird sie – die „Giftprinzessin“, der der Adel von der Republik entzogen worden war – zur glühenden Sozialistin. Wieder in Freiheit, tritt Milica Vukobrankovics in den Verlag Konegen ein. Sie schafft es bis zur Stellvertreterin des Eigentümers Ernst Stülpnagel. Auch dieser führt die reizende Dame in seine Familie ein. Ein Fehler? Auch hier: Gift gegen die Gattin, Verdacht, Indizienprozess, ja: Weltsensation (sogar die „New York Times“ berichtet), und zuletzt: Inhaftierung.
Als sie 1925 wieder frische, ungesiebte Wiener Luft atmen darf, reissen sich die Wiener Blätter förmlich um sie. Sie entscheidet sich für die „Wiener Allgemeine Zeitung“ und gibt sich einen neuen Namen: Elisabeth Thury (nach ihrem Grätzel am Alsergrund). Schnell wird sie eine bedeutende Journalistin. So berichtet sie in „Reportergängen durch das entfesselte Wien“ etwa auch über den Justizpalastbrand von 1927. Als Antifaschistin schreibt sie gegen die aufstrebenden Nationalsozialisten an. Aber auch ihrer eigenen Partei, der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SDAP), ist sie ein Stachel im Fleisch.
Stolz und Zivilcourage
In der vorliegenden Biografie wird eine Korrespondenz erstveröffentlicht, die ein völlig neues Licht auf Julius Deutsch, den Obmann des Republikanischen Schutzbundes, wirft. Elisabeth Thury wird in die „Technische Leitung“, ein Beratergremium, kooptiert. Sofort kritisiert sie den schwachen Führungsstil Deutschs und kehrt das Oben und das Unten um. Ziemlich undiplomatisch schreibt sie ihm im August 1931: „Sie könnten der mächtigste Mann der Partei sein, Sie müssten es sogar sein: Aber sind Sie es wirklich? Sie sind zu gut. Werden Sie energischer, härter, rücksichtsloser. Im eigenen Interesse und im Interesse der Partei.“
Ab 1934 arbeitet Elisabeth Thury für ausländische Nachrichtenagenturen, wie die US-amerikanische „United Press“. Sie ist es, die die Weltöffentlichkeit von den Geschehnissen rund um das Rosenkranzfest von 1938 unterrichtet. Es war der NS-Pöbel, der das Churhaus am Stephansplatz stürmte und Domkurat Johannes Krawarik aus dem Fenster des ersten Stocks warf. Dieses Ereignis kommuniziert Thury nach außen. In der Ausübung ihrer beruflichen Pflicht kommt auch sie nicht ungeschoren davon: Sie berichtet live aus einer Telefonkabine auf dem Stephansplatz, die Nazis entdecken und verprügeln sie; Die Gestapo deportiert sie dann im August 1940 ins Konzentrationslager Ravensbrück bei Berlin. In den folgenden Jahren rettet sie als „Lagerälteste“ vielen ihrer Leidensgenossinnen das Leben. Im Buch sind zahlreiche Fälle dokumentiert. Sehr berührend ist die Aussage der Irma Trksak: Elisabeth Thury geht zur Lagerleitung und holt das junge Mädchen – kraft ihrer Persönlichkeit – aus einem Nebenlager heraus. Thury rettet Trksak buchstäblich in letzter Sekunde.
Gott und Österreich
Elisabeth Thury überlebt das KZ und beginnt in ihrem geliebten Wien – wieder – ein neues Leben. An der Gründung der Austria Presse Agentur (APA) ist sie wesentlich mitbeteiligt; Bis zu ihrem Tod 1973 mengt sie sich in Anliegen des öffentlichen Interesses ein. So wird berichtet, dass es in Wahrheit sie – und nicht die Löwelgasse – war, die die Maiaufmärsche dirigiert hätte. Sie kennt „Gott und die österreichische Welt“, es werden ihr auch Verhältnisse mit Felix Slavik, dem Wiener und einem Badener Bürgermeister nachgesagt. Leider haben das offizielle Österreich, aber gerade auch die SPÖ auf ihre Versprechungen vergessen: Elisabeth Thury geriet in Vergessenheit. „Die Thury – Mit Gift und Feder“ bringt sie dagegen wieder ins Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit. In der Tat gebührt Elisabeth Thury ein Platz in unseren Geschichtsbüchern, denn all das, was das Schöne an unserer Republik ist, hat sie nicht unwesentlich beeinflusst.
Literatur#
- Rudolf Preyer, Die Thury – Mit Gift und Feder, Edition Steinbauer, Wien 2010
Quellen#
- AEIOU
Redaktion: Rudolf Preyer