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Weigl, Vally#

* 11. 9. 1894, Wien

† 25. 12. 1982, New York (USA)

Komponistin und Musiktherapeutin


Vally Weigl wurde 1894 als Tochter des k. k. Gerichtsadvokaten Dr. Josef Pick und Charlotte, geb. Rubinstein, geboren.


Die musikalische Begabung Vally Weigls zeigte sich schon in frühester Jugend. Sie erhielt Klavierunterricht, belegte nach der Matura in Wien musikhistorische Studien bei Guido Adler und nahm Kompositionsunterricht bei Karl Weigl, den sie 1921 heiratete. Vally trat 1921 aus der israelitischen Kultusgemeinde aus und konvertierte zum evangelischen Glauben.


1938 gelang es der Künstlerin mit Ehemann und Sohn über die Schweiz und England in die USA auszuwandern, im Exil komponierte sie hauptsächlich für Chöre, ab 1955 etablierte sie sich als "Chief Music Therapist" am "New York Medical College" und wurde als Musiktherapeutin international bekannt.


Text aus aus: Illustrierte Neue Welt, April/Mai 2008#


Vally Weigl
Vally Weigl

MUSIK IST MEINE BESTIMMUNG


Erst im Jahre 2001 war es möglich geworden, die Komponistin und spätere Begründerin der Musiktherapie Vally Weigl ihrer Geburtsstadt Wien ins Gedächtnis zu rufen - einige ihrer Werke: "Songs of Remembrance", "New England Suite", "Lyrical Suite", "Three Dialogues" und einige andere gelangten durch Mitglieder des "böszen Salonorchesters" im "Herbert von Karajan Centrum" zur Aufführung. Die Forschung geht davon aus, dass nur drei Werke von Vally Weigl an die 190 Kompositionen umfassenden OEuvres vor ihrer Emigration 1938 in Wien enstanden sind. "An die Schönheit"(1936), "Hoffnungsschimmer" (1937) und "Old Time Burlesque" (1937).

Vally Weigl wurde 1894 als Tochter des k. k. Gerichtsadvokaten Dr. Josef Pick und Charlotte, geb. Rubinstein, geboren. Charlotte war ursprünglich aus Czernowitz und entstammte einer Bankiers- familie. In einem französischen Kloster erzo- gen, war sie mit deutscher und französischer Literatur vertraut, schrieb Gedichte und spielte ausgezeichnet Klavier. Josef Picks Fa- milie hingegen hatte ihr Vermögen in der in Böhmen angesiedelten Textilindustrie erworben.

Die Picks fühlten sich dem liberalen Bürgertum zugehörig, welches die Kultur des Wien der Jahrhundertwende entscheidend mitprägte. Vally und ihre Schwester Käthe lernten jedoch durch Großvater Pick die jüdischen Gebräuche kennen.

Bereits als Fünfjährige zeigte Vally auffallende Musikalität. Sie verblüffte die Mutter, indem sie frei nach Gehör die von ihr am Klavier vorgetragenen Stücke am Klavier nachspielte.

Gemeinsam mit ihrer Schwester Käthe, die ebenfalls ihre Musikalität von der Mutter geerbt hatte, erhielt sie den ersten Klavierunterricht durch Bertha Low. Kurzfristig streikte Vally und brach den Unterricht ab und wandte sich der Malerei zu. Ihre Schwester Käthe beschrieb diesbezüglich die Eigenwilligkeit Vallys in ihren Lebenserinnerungen. 1981 hatte die Künstlerin ihre Erinnerungen "Early Childhood Recollections" verfasst und bemerkte, dass, wenn sie in dieser Zeit gefragt wurde, was sie werden wolle, sie mit: "Musikerin, Malerin und Mutter" antwortete.

Als sie 15 Jahre alt war, wusste sie: "Musik ist meine Bestimmung". 1912, nach bestandener Matura am Lyzeum für Beamtentöchter in der Josefstadt, nahm sie ihr unterbrochenes Studium bei Julius Wolfsohn wieder auf, wechselte 1913 zu Richard Robert und schloss 1919 bei ihm ab. Parallel dazu studierte sie bei Guido Adler am "Musikhistorischen Institut" der Universität Wien, wo sie auch als Mitarbeiterin von Priv. Doz. Wilhelm Fischer die Prüfungsvorbereitung der Studenten übernahm. Zusätzlich belegte sie Kontrapunkt und Komposition bei Karl Weigl.

Es blieb nicht allein bei musikalischer gemeinsamer Arbeit - die beiden entdeckten ihre Leidenschaft für Bergwandern und Schifahren. Ihr erstes Einkommen verdiente sich Vally sowohl mit Klavierunterricht in der Stadtwohnung in Wien als auch während der Festspielzeit in Salzburg, wo sie ausländische Studenten unterrichtete. 1921 gab es ein kurzes Intermezzo als Sekretärin und Übersetzerin bei einer Transportfirma in Amsterdam.

Nach ihrer Rückkehr (1921) heiratete sie ihren Lehrer Karl Weigl und engagierte sich im Wiener Volksbildungsverein und Frauenchor. 1926 wurde die Künstlerin Mutter eines Sohnes (Wolfgang). Hier sei erwähnt, dass Vally die Schwester der Politikerin Käthe Leichter (1895-1942) war. Diese war Gründungsmitglied der illegalen Organisation der Revolutionären Sozialisten (RS) (1934- 1938) - im Ständestaat aktiv im Widerstand, nach ihrer Verhaftung 1938 durch die Gestapo wegen Hochverrats angeklagt und auf einem Transport vom KZ-Ravensbrück in ein unbekanntes KZ - im März 1942 ermordet.

Vally war 1921 aus der israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten und zum evangelischen Glauben konvertiert. Nicht bekannt ist, wie weit die Komponistin die politische Entwicklung Österreichs vor 1938 mitverfolgt und ob sie sich selbst als gefährdete Person realisiert hatte.

In ihrem späteren Exil verneinte sie stets, ihrer jüdischen Herkunft wegen diskriminiert worden zu sein. Immer wieder betonte sie aus politischen Gründen aus Österreich vertrieben worden zu sein. Hinzuzufügen ist, dass auch sie laut Definition der Nürnberger Rassegesetze (wie oben) als Volljüdin galt.

1938 gelang es der Künstlerin mit Hilfe der Quäker mit Ehemann und Sohn über die Schweiz und England in die USA zu gelangen. Übrigens war es Vallys Verdienst überlebt zu haben, da sie mit großer Energie ihren um einige Jahre älteren Mann überredete, die Flucht in die USA zu wagen und ein neues Leben anzufangen.

In New York angekommen, gestaltete sich der Neubeginn für Vally und Karl Weigl alles andere als einfach. Karl konnte seinen in Wien erworbenen Ruf als "anerkannter" Lehrer und "geschätzter" Komponist in Amerika nicht aufrechterhalten. Auch 1943, nach Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft, gelang es Karl nicht, sich im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" zurechtzufinden, er empfand sich als "ein Fremdling überall", obwohl er an verschiedenen Schulen (Chicago Summer School, Hort School of Music, Connecticut) Komposition unterrichtete und zusätzlich in der Musikabteilung der New York Public Li- brary arbeitete.

Sein Tod am 11.8.1949 war ein traumatischer Einschnitt in Vallys Leben. Die Komponistin selbst hingegen erlebte die produktivste Zeit ihres Schaffens im amerikanischen Exil - einen Großteil ihrer Werke komponierte sie in der Emigration. Vorerst fand sie bei den Quäkern, in deren Schule, in der Nähe von Philadelphia, Arbeit. Die meisten ihrer Chorkompositionen entstanden von 1941-1949 (Society of Friends, Westtown School in Pennsylvania, Zentrum der Quäker). Vally komponierte nun in erster Linie für die in dieser religiösen Gemeinschaft stattfindenden Zusammenkünfte - vorzugs- weise A-capella- und gemischte Chöre mit Instrumentalbegleitung (Hymnen, Psalmen und Christmas Songs).

Von 1955-1965 etablierte sie als "Chief Music Therapist" am "New York Medical College" eine Musik- und Tanztherapie und wurde als Musiktherapeutin international bekannt. Sie entwickelte eine noch bis heute patentierte Hilfsklaviatur für Körperbehinderte. Neben dem Komponieren machte die Arbeit als Musiktherapeutin nun den Hauptteil ihrer Tätigkeiten aus.

Die geistlichen und weltlichen Vokalwerke bilden den Schwerpunkt des Schaffens der Künstlerin, mit Ausnahme einiger Kammer- musik und Klavierwerke. Als "durchgängig kammermusikalisch konzipiert" bezeichnet die Musikforschung ihre Kompositionen. Es überwiege eine "polyphone Schreibweise", am Anfang der Stücke finde man "charak- teristische Motive", die im späteren Verlauf immer wieder aufgenommen wurden.

In Vally Weigls Musik zeige sich "deutlich ihre Wiener Herkunft - die spätromantische Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts". Die Komponistin wurde in den USA mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen anerkannt (American Composervs Alliance, Mark Rothko Foundation sowie 1976 durch den Fellowship Grand des National Endown- ment). Sie starb im Alter von 88 Jahren - aktiv bis ins hohe Alter - 1982 in New York. Am Beispiel Vally Weigls zeigt sich, dass manche Frauen den zahlreichen Schwierig- keiten im Exil mit großer Flexibilität und Ofenheit begegneten. Die Komponistin nutzte die sich ihr bietenden unerwarteten Chancen und Möglichkeiten.

Andrea Schwab

Aus: Illustrierte Neue Welt, April/Mai 2008


Hörprobe#


Hörprobe Österreichische Mediathek


Vermont Nocturne aus: New England Suite;
Interpreten: Adelicia Ensemble; © Gasparo Records GSCD-236, 1992 (Ausschnitt)

Musik spielen

Quellen#


Redaktion: H. Maurer, I. Schinnerl