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Welan, Manfried #

* 13. 6. 1937, Wien
† 22. 5. 2024, Wien


Em. O. Univ.-Prof. Dr. Dr.hc. Manfried Welan

Jurist, Politologe, Rektor, Politiker


© Manfried Welan
© Manfried Welan

Manfried Welan wurde am 13. Juni 1937 in Wien geboren und legte 1955 die Matura mit Auszeichnung am Elisabethgymnasium in Wien ab.

Anschließend absolvierte er ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien, das er 1961 mit der Promotion zum Dr. jur. abschloss.
Darüber hinaus absolvierte er ein Studium der Politikwissenschaft als Autodidakt.

"Das goldene Wiener Herz ist ein Klischee, das goldene Wiener Hirn ist eine Realutopie, dieser Herausforderung muss man sich stellen."


1961/62 Rechtskundiger Verwaltungsdienst an der Technischen Universität Wien
1962-1966 Sekretär und Schriftführer im Verfassungsgerichtshof; Ministerialkommissär
1967-1969 Wirtschaftskammer Österreich, Mitarbeiter in der Wissenschaftlichen Abteilung als Verfassungs- und Verwaltungsjurist, weiters als Politologe und Lehrer für politische Bildung
1968/69 Professor für Rechtslehre – Institut für Rechtswissenschaften – Universität für Bodenkultur Wien
1975-1977 Prorektor der Universität für Bodenkultur Wien
1977-1981 Rektor (1. Amtsperiode: 1977-1979, wiedergewählt für die 2. Amtszeit 1979- 1981), dann Vizerektor bis 1984
1979-1981 Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz
1982-1986 Präsident der Akademie für Umwelt und Energie in Laxenburg
1986-1991 Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz (ÖGNU), Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Ökologie (ÖGÖ)
1983-1991 Politiker in Wien, Gemeinderat und Landtagsabgeordneter
1986/1987 Stadtrat und Mitglied der Landesregierung
1988-1991 Dritter Landtagspräsident
1991-1993 Rektor der Universität für Bodenkultur Wien (3. Amtsperiode Manfried Welans als BOKU-Rektor)
1994-2000 Gastprofessor für Politik – Europäische Journalistenakademie Krems/Wien
1994-2001 Vizerektor
1991-2000 Vizepräsident der Österreichischen UNESCO-Kommission
Seit 2003 Präsident der UNESCO-Gemeinschaft Wien
2005 Emeritierung


Manfried Welan. Foto, 1985, © Die Presse/Michaela Seidler, für AEIOU
Manfried Welan. Foto, 1985
© Die Presse/Michaela Seidler, für AEIOU

Darüber hinaus hatte Prof. Welan verschiedenste Funktionen inne, so u.a.

  • Präsidium Demokratiezentrum Wien
  • Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW) 1971
  • Präsidium in der Österreichischen Gesellschaft für Agrar- und Umweltrecht (ab 1972)
  • Jury der Margaretha Lupac-Stiftung
  • Mitglied des Präsidiums des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)
  • Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz sowie Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Ökologie (1986 bis 1991)
  • Vizepräsident der Österreichischen UNECO-Kommission und im Vorstand des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung in Schlainig (1993 bis 2003)
  • Präsident der UNESCO-Arbeitsgemeinschaft in Wien (ab 2003)
  • Ehrenamtliche Tätigkeit im Naturschutzbund Österreich

Neben rund 30 Büchern verfasste er etwa 300 Beiträge in Fachbüchern und Fachzeitschriften und zahlreiche Kleinbeiträge in verschiedensten Medien.

Ab 1982 war Manfried Welan zusammen mit Christian Brünner und Wolfgang Mantl Herausgeber der "Studien zu Politik und Verwaltung" (bisher rund 100 Bände, Böhlau-Verlag) und ist u.a. Mitherausgeber des "Journal für Rechtspolitik" (Springer-Verlag). Lange Zeit war er Herausgeber der "Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft" (ÖZP).

Wissenschaftliche Hauptarbeitsgebiete: #

  • Demokratie und Parlamentarismus
  • Staatsoberhaupt und Regierung
  • Politisches System
  • Verfassung in Österreich und Verfassungsgerichtsbarkeit
  • von den Grund- und Freiheitsrechten vor allem Eigentum und Gleichheit
  • Universität und Umwelt (vor allem Agrarumweltrecht)

Prof. Welan brachte Intellektualität auch in die Wiener Stadtpolitik. Gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Jörg Mauthe und Alfred Worm zählte Manfried Welan in den 1980er-Jahren zu Erhard Buseks Gruppe der sogenannten "bunten Vögel", die der Wiener ÖVP ein neues, lebensfrohes, junges und dynamisches Erscheinungsbild verliehen.

Auszeichnungen (Auswahl)#

  • Ehrenring der Universität für Bodenkultur, 1981
  • Dr. hc. der Westungarischen Universität Mosonmagyaróvár, 1993
  • Wissenschaftspreis der Bundeshauptstadt Wien für Geistes- und Sozialwissenschaften, 2003
  • Ehrenmitgliedschaft des Demokratiezentrums Wien, 2019
  • Ehrenmitgliedschaft der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft, 2019

Werke (Auswahl)#

  • Der Mensch in Gesellschaft und Staat (gem. m. Leitner u. Tomandl; mehrere Auflagen), 1969
  • Der Bundeskanzler im österreichischen Verfassungsgefüge, 1971 (mit H. Neisser)
  • Demokratie und Verfassung in Österreich (mit A. *), 1971
  • Theorie und Praxis des Bundesstaates, 1974
  • Das österreichische Staatsoberhaupt, 1986
  • Streit Hainburg, Verwaltungsakten (Hg.), 1988
  • Was die Kanzler sagten, 1989
  • Aus dem Elfenbeinturm, 1989
  • Der Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien, Orac Verlag, 1992
  • Der Bundespräsident, 1992
  • Umwelt und Recht in Österreich, 1995
  • Recht in Österreich, 1999
  • Aus dem Elfenbeinturm II - eine Fortsetzung, 1999
  • Demokratie auf österreichisch-die erstarrte Republik, Czernin Verlag 1999,
  • Regierungsbildung; insbesondere 1999/2000, 2000
  • Heldenplatz - der europäische Verfassungsstaat in Wien, 2000
  • Austria Revisited, Demokratie und Verfassung in Österreich (gemeinsam mit A. ), 2001
  • Einstweilige Bundesregierung und Minderheitsregierung, 2002
  • Heldenplatz und Staatsidee, 2003
  • Gott in die Verfassung? Zum "geistig-religiösen Erbe" als Verfassungsinhalt, gemeinsam mit Alfred J. Noll, Czernin Verlag 2003,
  • Das Menschenrecht Hermann Brochs, 2004
  • Sprachen des Rechts & Recht der Sprache, gemeinsam mit Alfred J. Noll, Czernin Verlag 2004,
  • Der Prozess Jesu und Hans Kelsen, 2007
  • Regierungsbildung (gem. m. Moser), 2008
  • Entwicklungsmöglichkeiten des Regierungssystems, 2009
  • die abgelegene - einige kursorische Anmerkungen zur Unahängigkeitserklärung 1945, gemeinsam mit Alfred J.Noll, Czernin Verlag 2010
  • Verfassung, Jan Sramek Verlag 2011

Quellen#

Gestern (28.6.2024) wurde der hier beklagte Manfried Welan in Wien zu Grabe getragen. Alfred J. Noll hielt eine Gradrede, die es wert ist, abgedruckt zu werden. Hier ist sie:

Alfred J. Noll#

Grabrede auf Manfried Welan#

Liebe Zeinep, liebe Familie Welan, werte Trauergäste!

Als der heilige Aloysius von Gonzaga als Knabe auf dem Hof des spanischen Klosters, in welchem er erzogen wurde, mit seinen Freunden Ball spielte, beobachtete ein hoher geistlicher Würdenträger die unbeschwerte Knabenwildheit. Er rief den Kleinen zu sich her. „Sag mir“, forderte er den Kleinen auf, „wenn du jetzt eine Stimme vom Himmel vernehmen würdest, die dir das nahende Weltende verkündete, was würdest du tun?“ Und der kleine Aloysius sagte nach kurzem Nachdenken, seiner Sache sicher und mit strahlendem Lächeln: „Weiterspielen – Eminenz!“

Ja, weiterspielen: das ernste und gleichzeitig kindliche Spiel des immerdar hoffenden, des immerdar tätigen Menschen, das Spiel unseres einmaligen, immer selbst zu verantwortenden Lebens... – dieses Weiterspielen hat für Manfried Welan ein Ende gefunden.

Wir sind sterblich. Wir alle sind auf dem Weg zum Tod. Bis dahin sind wir an den Tod gebunden, mögen wir uns dessen bewusst sein oder nicht.

Der Tod ist die Auslöschung aller möglichen Erfahrungen. Ein Rechtsmittel dagegen gibt es nicht. Der Tod bedeutet die endgültige Zerstörung nicht nur eines Individuums, sondern auch der ganzen Welt, die in seinem Bewusstsein präsent war. Es geht eine Welt unter, die nie wieder lebendig wird. Für uns alle gilt: Es wird von uns nicht einmal die Andeutung eines Schattens bleiben. Dort, wo wir eben noch gegangen sind, steht hinter unserem Schritt das Gras wieder auf und löscht unsere irdische Spur, als wären wir nie gewesen.

Man sagt uns anderes. Die Welt, die im Bewusstsein des Einzelnen Realität hatte, würde in anderen Menschen weiterleben oder doch in den Schöpfungen und Taten der Toten erhalten bleiben. Indes können wir uns fragen, ob irgendwer – abgesehen von den Katharern, deren Leben darauf ausgerichtet war, das Gute im Menschen möglichst rasch aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen – an diesen mageren und phantasievollen Trost geglaubt hat. War je wirklich jemand so blind für das Missverhältnis zwischen der überreichen Buntheit des tatsächlichen Lebens und seinen knochigen Überresten?

Wir sind endlich. Aber diese Endlichkeit hat kein festes Maß. Zwar können wir sie nicht überwinden, aber wir können ihre Fesseln doch lösen. Wir können Gesellschaften, Kulturen und Institutionen gründen, die unsere Menschlichkeit auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck bringen; und wir können sie in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Und durch unseren Kampf gegen die tradierten Üblichkeiten und Zumutungen können wir Dinge, Ideen, Erfahrungen und Arrangements schaffen, die es vorher noch nie gab. Manfried glaubte genau daran.//

Wir alle leben als unsere Körper und gewinnen daraus unsere tatsächliche Wirkkraft. Wir alle erleben unentwegt Beschränkungen, aber es gibt Korrekturen. Neben der Endlichkeit gibt es die Transzendenz – eine Transzendenz freilich, die nicht auf ein spirituelles Jenseits gerichtet ist, sondern auf das reale Überwinden der scheinbar unveränderlichen Grenzen unserer Kräfte und Erfahrungen. Gewiss ist unsere Fähigkeit zur Transzendenz, zum Überschreiten des jeweils Festgefügten, nicht unbegrenzt, aber die Grenzen sind unbestimmt. Jeder Versuch, die äußeren Bereiche dieser Grenzen zu definieren, hier starre Schranken festzulegen, wurde mit der Zeit diskreditiert. Wir alle verfügen über diese Macht der Transzendenz. Unsere Institutionen und die verschiedenen Lehren haben diese Macht in unterschiedlichem Maße anerkannt und genährt. Manfried wusste darum.

Es gibt keine universelle und unbestreitbare Form des sozialen Lebens oder Denkens. Die sozialen und konzeptionellen Welten, die wir aufbauen und bewohnen, tragen dazu bei, uns zu dem zu machen, was wir sind. Aber in jedem von uns individuell und in uns allen als Menschheit gibt es immer mehr Möglichkeiten der Erfahrung, der Gefühlsverbindung, der Erkenntnis und der Erfindung, als es im jeweils Bestehenden gibt oder jemals geben kann. Manfried zeigte uns genau dies.

Der Tod ist für uns alle ein unvorstellbares Ereignis. Wenn wir aber Glück haben und nicht, wie ein großer Teil der Menschheit, von der Last der Verhältnisse erdrückt werden, dann verkörpert und begegnet jeder von uns einer Spur von Transzendenz, also der Macht, mehr zu erfahren oder zu erahnen, als die etablierte Ordnung der Gesellschaft oder Kultur zulässt; wir erfahren dann jene vitale Macht, die wir mit dem Leben selbst verbinden, das Bestehende zu überschreiten, es zu überwinden und uns und unsere Mitmenschen zu überraschen.
Wir erfahren unsere Endlichkeit und gehen als Individuen in den Tod. Durch unsere sozialen Praktiken aber verschieben wir die Grenzen der Endlichkeit. Doch nur indem der Einzelne durch und gegen diese Praktiken handelt, kann er diese Macht stetig weiterentwickeln und tätig ausüben. Manfried hat uns dies vielfach bescheinigt.

Das Lösen der Fesseln der Endlichkeit im Schatten der Sterblichkeit und Grundlosigkeit ist trotz der Erfahrungen von Liebe, Erkenntnis und Freude, die uns das Leben bieten kann, kein Triumphzug. Und sogar in der Wissenschaft, wo unsere Transzendenz am wenigsten durch das gesellschaftliche Schicksal und die diversen Spektakel eingeschränkt werden sollte, sind unsere Visionen an das Kreuz verkrusteter Methoden und Konventionen gefesselt, und abweichende Meinungen werden mit Ausgrenzung oder offener Verfolgung bestraft. Auch das hat Manfried erleben müssen.

Um frei zu sein und das Leben besser genießen zu können, müssen wir uns verbinden, ohne uns selbst zu verlieren. Wir müssen uns in eine bestehende soziale Welt einbringen, ohne uns ihr hinzugeben oder auszuliefern. Wir müssen bedingungslose Liebe und Anerkennung in der Umarmung eines anderen Menschen finden und gleichzeitig unser letztes Wort der Gesellschaft verweigern und für uns behalten.

Es mag dies der Grund gewesen sein, warum Manfried in der Literatur und im Theater „Gegenwelten“ zu Rechtswissenschaft und Politik suchte. Wo er sich – wie er selbst sagte – in der Bürokratie „verzettelte“, sprichwörtlich auf tausend Hochzeiten tanzte und sich schwer tat, „Nein“ zu sagen, da fand er Glück und Halt in der Sprache der Dichterinnen und Dichter. Manfried wusste mit Friedrich Schiller: „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst.“

Ein von ihm immer wieder erwähntes Gedicht stammt von Charles Baudelaire, es heißt „Enivrez-vous“, „Berauschet Euch!“:

„Man muss immer trunken sein.

Das ist alles, die einzige Lösung.

Um nicht das furchtbare Joch der Zeit zu fühlen,

das eure Schultern zerbricht und euch zur Erde beugt,

müsset ihr euch berauschen, zügellos.

Doch womit?

Mit Wein, mit Poesie, oder mit Tugend?

Womit ihr wollt,

aber berauschet euch.

Und wenn ihr einmal

Auf den Stufen eines Palastes,

im grünen Grase eines Grabens,

in der traurigen Einsamkeit eures Gemaches erwachet,

der Rausch schon licht geworden oder verflogen ist,

so fraget den Wind, die Woge, den Stern, den Vogel, die Uhr,

alles, was fliegt,

alles was seufzt,

alles, was vorüberrollt, singt, spricht,

fraget sie: Welche Zeit ist es?

Und der Wind, die Woge, der Stern, der Vogel, die Uhr werden euch antworten:

Es ist Zeit, sich zu berauschen,

um nicht die gequälten Sklaven der Zeit zu sein.

Berauschet euch,

berauschet euch ohne Ende

mit Wein, mit Poesie,

oder mit Tugend,

womit ihr wollt.“

Wie oft wohl wäre Manfried dieser Aufforderung gerne nachgekommen? – allein: er blieb ein verlässlicher „Diener der Zweiten Republik“, der sich zur Schau gestellter Trunkenheit versagte. Baudelaires Gedicht ist eine Kampfansage an den Ordnungssinn der rationalen Welt, es plädiert für eine gewisse Flatterhaftigkeit und Unbeschwertheit. Just diese aber waren Manfried nicht in die Wiege gelegt, er erledigte sein Pensum stets strebsam, loyal und ordentlich – dem Ruf der Sirenen, sich von der übernommenen Pflichterfüllung abzukehren und im Rest der Zeit und überhaupt in andere Seinszustände als die rationalen abzugleiten, der konnte Manfried nicht erliegen. Und so wie dies Odysseus lediglich gelang, weil er sich von seinen Mannen am Mast festbinden ließ, so gelang dies Manfried nur, weil er wohl als einer der Wenigen fast bis in seine DNA verinnerlicht hatte, was er stets als die schönste Rechtsnorm der Welt bezeichnete: „§ 16 ABGB. Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten.“

Dies eben sah Manfried als das zentrale Fundament der Republik Österreich, und nur von dort her wollte er den ersten Artikel unseres Bundes-Verfassungsgesetzes verstanden wissen: „Art. 1 B-VG. Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Dies war es, wovon Manfried sich fesseln ließ, – und dem Gehalt dieser beiden Normen wollte er im persönlichen Umgang und in seinem gesamten öffentlichen Wirken stets entsprechen.

Freilich: Die Bedingungen für einen respektvollen Umgang miteinander sind schwieriger geworden. In Manfrieds abschließender Autobiographie „Ein Baum in der Lichtung“ heißt es: „Grobianismus und Vulgarität sind erfahrungsgemäß Begleiterscheinungen neuer sozialer Entwicklungen. Es wird alles ordinärer.“ Manfried sah in einem derartigen Umgang auch eine Verletzung zentraler Rechtspostulate. Nichts wäre ihm ferner gelegen, als mit derartigen Vulgaritäten sich gemein zu machen; nichts wäre ihm ungemäßer gewesen, als eitel an einmal erworbenen Machtpositionen sich festzukrallen.

Den vor genau einem Dutzend Jahren erschienenen und mir übergebenen Teil seiner Autobiographie mit dem Titel „Ein Diener der Zweiten Republik“ hat mir Manfried mit den ins Buch gesetzten Worten zugeeignet: „Alfi, zum Vergleichen, wie die Jahre kommen, und wenn sie gekommen sind, zum Weitermachen, Dein alter Manfried.“ Und in diesem Buch findet sich im letzten Absatz das folgende Bild:

„Ich stehe in einem großen, hellen Zimmer mit mehreren Fenstern und Türen und sehe den Himmel und Wolken, Berge und Wiesen, Wälder und Felder, Bäume und Gärten. Die Türen führen mich in die Vergangenheit, in die Kammern meiner Kindheit, der Jugend, des Privatlebens und der Berufe. Es ist schön, in einem hellen Zimmer zu stehen und die Landschaft zu sehen. Schauen und Staunen! Freude und Dankbarkeit. Das ist mir geblieben.“

Ja – „Freude und Dankbarkeit“, das ist es, was in uns entsteht, ein jedes Mal, wenn wir an Manfried denken werden. Der Schmerz über sein Ableben wird verklingen. Uns bleiben die Nebel der Erinnerung, in denen wir stets Manfrieds Freundlichkeit, den Reichtum seiner Kenntnisse, vor allem aber seine unbedingte Menschenzugeneigtheit durchscheinend erkennen werden – und also erfolgte die einleitende Bezugnahme auf Aloysius von Gonzaga nicht ohne Bedacht, wurde dieser doch von Papst Benedikt XIII. im Jahre 1729 zum Schutzheiligen für junge Studenten erklärt – ein Titel, der, ganz säkular verstanden, kaum jemandem angemessener wäre als Manfried Welan.

Sie alle wissen um die oft fehlgedeutete Wortwendung von Thomas Hobbes, wonach der Mensch dem Menschen ein Wolf sei: homo homini lupus. Manfrieds Leben und Wirken aber kann und darf nur unter dem Aspekt eines homo homini homo gesehen werden – und dieser Satz ist in Hinsicht auf Manfried nicht imperativistisch zu interpretieren, er braucht auch keine aufgemotzte anthropologische Ausdeutung, dieser Satz, dass nämlich der Mensch dem Menschen ein Mensch sei, der galt bei Manfried buchstäblich real, als ein Seinsbefund seiner Person und als Offenlegung seines individuellen Lebenssinns. Deshalb werden wir seiner gedenken.