Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Steven E. Koonin: Unsettled#

Steven E. Koonin: Unsettled / What Climate Science Tells Us, What It Doesn't, And Why It Matters, Ben Bella Books, Dallas, 2021 / Rezension von Hermann Maurer

Steven E. Koonin: Unsettled
Steven E. Koonin: Unsettled

Alle, die dieses Buch nicht gelesen haben, sollten mit Vorhersagen über den Klimawandel und seine Folgen vorsichtig sein: Viele stimmen nämlich nicht oder sind übertrieben, zeigt der Autor recht schlüssig an Hand von 25 Seiten Literaturangaben und Links zu Datenbanken.

Koonin ist als Wissenschaftler und Klimaexperete ernst zu nehmen: Er war Professor am CALTECH, der berühmten technischen Universität in Kalifornien, Wissenschafts- und Klimaberater unter Obama, und hat seine Klimauntersuchungen mit Kollegen bis heute weitergeführt, motiviert wie er sagt durch die häufig falsche Katastrophenberichterstattung in allen Medien, von Politikern, NGOs usw.

Sein Buch ist etwas Nordamerika orientiert, aber nicht nur. Er verblüfft gleich am Anfang mit den Aussagen

• Humans have had no detectable impact on hurricanes over the past century
• Greenland’s ice sheet is not shrinking any more rapidly today than it was eighty years ago
• The net economic impact of human-induced climate change will be minimal through at least the end of the this century

Auf Deutsch:
• Der Mensch hatte im letzten Jahrhundert keinen nachweisbaren Einfluss auf Hurrikane
• Grönlands Eisschild schrumpft heute nicht schneller als vor 80 Jahren
• Die wirtschaftlichen Nettoauswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels werden mindestens bis zum Ende dieses Jahrhunderts minimal sein

Er untermauert diese Aussagen mit Zahlen, die überprüfbar sind. Nur haben Politiker dafür keine Zeit, und viele Organisationen wie Medien und NGOs leben davon, Katastrophenszenarien zu verbreiten, weil nur damit Medien (von Zeitungen, zu TV Sendungen, zu Büchern) "verkauft" werden können, bzw. nur mit Aussagen wie „Wir müssen die tödliche Klimakatastrophe verhindern“ Spendengelder entsprechend fließen.

Es ist hier nicht genug Platz um auf alle Zahlen und Untersuchungen einzugehen. Aber die Hauptausage von Koonin ist ganz wichtig:

„Wir wissen heute nicht, wie die Erderwärmung zustande kommt. Natürlich tragen Menschen dazu bei, aber ob sie in welcher Weise auch immer die Hauptursachen sind ist wissenschaftlich nicht nachweisbar. Daher muss mehr Geld in Forschung investiert werden, was die Erwärmung verursacht, statt in ad-hoc Maßnahmen, die möglicherweise sogar kontraproduktiv sein können. Die Aussage „Klimawandel kann verhindert werden, indem die wichtigen Teile der Welt (EU, USA, China, ...) weniger CO2 ausstoßen ist einfach falsch. Ja es kann auch sein, dass die Menschheit die Erwärmung prinzipiell nicht auf 2 Grad einbremsen kann, es könnten auch viel mehr werden. Wir sollten das aber wissen, und dann die richtigen Maßnahmen ergreifen“

Ein Beispiel dafür: Nigeria hatte 1950 40 Millionen EW, hat heute 212 Millionen und wird 2050 sogar 450 Millionen EW haben, d.h. dieses eine Land hat dann so viele EW wie ganz Europa. Noch wichtiger: Nigeria will (und wir müssen das ja wohl moralisch unterstützen) einen Lebensstandard erreichen, der unserem entspricht. Aber dann braucht Nigeria auch viel mehr Energie, viel mehr Technologie, usw. Etwaige Einsparnisse in Europa werden dadurch global unwirksam. Nur zur Ergänzung: Afrika hat heute 1,2 Milliarden Menschen, wächst aber bis 2100 auf über 4 Milliarden!

Der erhöhte Energiebedarf ist jedenfalls mit Entkarbonisierung nicht erreichbar, wie Koonin in seinem Kapitel „The Chimera of Carbon-Free“ erklärt, auch weil erneuerbare Energie (Windkraft, Solarenergie) Rückfalllösungen benötigt, falls auf einmal zu wenig Sonneneinstrahlung und zu wenig Wind gleichzeitig auftreten. Kernenergie/Fusionsenergie behandelt Koonin nicht. Der Verfasser dieser Rezension kann sich hier nicht zurückhalten: Fusionsenergie könnte vielleicht unsere Energieprobleme beseitigen, aber wohl nicht mehr in diesem Jahrhundert, und das ist es, worauf sich Koonin konzentriert.

Das sind die schlimmen Botschaften. Die guten sind: Die Erwärmung verläuft langsamer als fast immer behauptet; der Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion im Vergleich zur Erhöhung der Erdbevölkerung ist vernachlässigbar; die Erhöhung des Meerwasserspiegels ist bis 2100 viel geringer als Behauptungen und als Katastrophenbilder vorspiegeln wollen, bei denen die Freiheitsstatue in New York bis zur Hälfte im Wasser steht.

Aber Koonin ist trotz aller Zahlen, die er als falsch belegt, ein Realist: Die Möglichkeiten, den Albedo Effekt (die Wärmeabstrahlung der Erde) von gegenwärtig 30% auf 31% zu vergrößern (was eine deutliche Abkühlung bedeuten würde) existieren (etwa durch Geo-Engineering, indem man das Gas H2S in die höheren Schichten der Atmosphäre bläst, quantitativ und finanziell kein Problem aber mit unklaren Nebenwirkungen) oder indem man auf weißreflektierende Straßen, Haus- und Autodächer setzt, usw. Oder man setzt auf das Ausfiltern von CO2 aus z.B. den Abgasen von Zement-und Stahlwerken (die heute 25% er CO2 Emissionen erzeugen, gegen 7% der CO2 Emissionen von allen Autos weltweit). Es existieren solche CCS (Carbon Capture und Storage) Verfahren, nur liegen sie zurzeit pro Tonne CO2 noch deutlich über 100 Euro, also auch hier liegt die potenzielle großflächigen Einsetzbarkeit noch in der Zukunft.

Koonin ist dennoch optimistisch: Die Menschheit wird durch Adaption (vom Wohnen zum Energiebedarf bis zur Ernährung) mit den allmählichen Veränderungen überleben können: Die Katstrophenszenarien überlässt er anderen, die entweder wirklich daran glauben, oder die sie politisch oder zum Geschäftemachen verwenden.

P.S.1: Koonin's Aussagen sind gut fundiert. Er hat viele Unterstützer, aber auch Kritiker, die sagen, er pickt sich bei den Statistiken gerade die Zahlen, die seine Thesen stützen. Aber auch andere Autoren wie Shelleberger in "Apocalypse Never" warnen vor Aktionismus und Alarmimus, d.h. vom Hochspielen von Ereignissen, weil man nur so Aufmerksamkeit erzeugt. Wie weit verbreitet das ist, habe ich selbst erlebt, als ich den Chefredakteur einer großen Zeitschrift mit einer offensichtlichen Unwahrheit in einer seiner Publikationen konfrontierte. Seine Reaktion war für mich niederschmetternd: "Unsere Aufgabe ist es nicht, die Wahrheit zu verbreiten, unsere Aufgabe ist es, unsere Produkte zu verkaufen um zu verdienen, und das geht eben oft nur mit Meldungen, von denen wir wissen, dass sie falsch oder übertrieben sind."

Siehe dazu auch den Beitrag in IIASA-Options Summer 2019#

P.S. 2.: Weil es eine riesige Flut von Katastrophenbüchern über die Erderwärmung gibt habe ich bewusst drei Bücher, die das anders darstellen, als kleines Gegengewicht besprochen, siehe z.B. Michael Shellenberhger's Buch "Apocalypse Never" und Bjorn Lombergs's Buch "False Alarm".