Bauer, Otto#
* 5. 9. 1881, Wien
† 4. 7. 1938, Paris
Publizist und Politiker
Der Sohn einer jüdischen Textilfabrikantenfamilie besuchte das
Gymnasium in Wien, Meran und Reichenberg. Schon früh galt sein Interesse
der Geschichte. Er studierte Jus an der Universität Wien und wurde 1906
zum Dr. iuris promoviert. Seit 1907 war er als Redakteur bei der
"Arbeiter-Zeitung" und dem theoretischen Organ "Der Kampf", das er
mitbegründet hatte, tätig. Gleichzeitig hielt er Vorlesungen an der
Arbeiter-Hochschule. Er erkannte rasch das Existenzproblem des Staates
und damit der Sozialdemokratie, nämlich die Nationalitätenfrage. 1907
legte
Bauer hierzu sein grundlegendes Werk, "Die Nationalitätenfrage und
die Sozialdemokratie", vor. Nach den Wahlen von 1907 wirkte
Bauer als
Sekretär des Abgeordnetenklubs im Parlament. 1914 rückte er als Leutnant
ein und geriet
Otto Bauer
1915 in russische Kriegsgefangenschaft. 1917 kehrte er nach Wien zurück.
1918 Unterstaatssekretär, übernahm er nach dem Tod Victor Adlers im
November 1918 als Staatssekretär des Auswärtigen die Führung der
Außenpolitik der jungen Republik Österreich Die Ereignisse des Jahres
1918 stellten für ihn eine Revolution dar, jedoch war seiner Ansicht
nach ein Gleichgewicht der Klassenkräfte eingetreten, das eine
Zusammenarbeit mit den rechten Kräften erforderte. Im Juli 1919 trat er
als Leiter der Außenpolitik zurück, als offensichtlich wurde, dass die
Siegermächte den von Bauer geforderten Anschluss an das Deutsche Reich
aufgrund des Selbstbestimmungsrechts unter keinen Umständen zulassen wollten.
Von 1919 bis 17. Februar 1934 gehörte Bauer nur als Mandatar dem Parlament
an. Er übte keine innerparteiliche Funktion aus, war aber als
hervorragender Redner und glänzender Formulierer eine Persönlichkeit von
uneingeschränkter Autorität. Als Theoretiker verfasste er grundlegende
Schriften wie das Agrarprogramm der Sozialdemokraten. Er prägte
entscheidend das "Linzer Programm" von 1926, dessen radikale Sprache den
humanistischen Grundgehalt überdeckte.
1934 musste Bauer der die Februar-Kämpfe mitgeleitet hatte, flüchten. Er
ging in die CSR und baute in Brünn das "Auslandsbüro der österreichischen
Sozialdemokratie" (ALÖS) auf. Nach dem deutschen Einmarsch in die CSR
emigrierte er nach Frankreich.
Werke#
- "Die österreichische Revolution" (1923)
- "Der Kampf um Wald und Weide" (1925)
- "Der Aufstand der österreichischen Arbeiter" (1934)
- "Zwischen zwei Weltkriegen?" (1936)
- "Die illegale Partei" (1939)
© "Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik" von Isabella Ackerl und Friedrich Weissensteiner, 1992