Kurt Kospach: Alt Wien. Bildschöne Innere Stadt, Hans W. Bousska: Bildschönes Meidling, Franz Mazanec: Bildschönes Döbling#
Der international tätige Sutton Verlag hat sich als Herausgeber von Büchern mit historischen Fotografien einen guten Namen gemacht. In etwas mehr als einem Jahrzehnt sind an die 200 Bild-Text-Bände zur österreichischen Regionalgeschichte erschienen. Das Konzept der Serie "Archivbilder" ist ebenso einfach wie genial: Zwei Schwarz-Weiß-Bilder auf einer Seite (Farbe gab es in den Anfangstagen der Lichtbildkunst noch nicht), dazu kurze Texte mit den wesentlichsten Informationen.
Doch immer wieder werden neue Formate erprobt. Das jüngste, läuft unter dem vielsagenden Motto "Bildschön …" Nun im handlichen Querformat 19 x 13 cm und steif gebunden, werden Wiener Bezirke anhand von nostalgischen Farbpostkarten vorgestellt und die Texte weiter reduziert. Die Autoren sind, in bewährter Weise, anerkannte Heimatforscher und Museumsleiter. Wie schon bei den "Archivbildern" kann auf den reichen Schatz der Wiener Bezirksmuseen zurückgegriffen werden. Die "bildschönen" Bändchen erfreuen Grätzelbewohner und sind auch als Souvenir bestens geeignet.
Die Korrespondenzkarte (Postkarte) ist eine österreichische Erfindung. Der Professor der Nationalökonomie Emanuel Herrmann (1839-1902) versprach sich davon 1869 volkswirtschaftliche Vorteile. Für eine geringere Gebühr als Briefe sollten kurze Mitteilungen (bis 20 Wörter) auf einer offenen Karte versandt werden können. Wenige Monate nach seinem ersten Vorschlag in einem Zeitungsartikel legte die Österreichische Post die ersten "Correspondenz-Karten" - mit aufgedruckten Marken - auf. Eine Seite war für die Adresse, die andere für den Text bestimmt. Dies betraf auch die bald aufkommenden Ansichtskarten, sodass die Mitteilungen oft die bunten Bilder bedeckten.
Die Ansichtskarten kamen genau zur richtigen Zeit. 1857 fielen in Wien die Basteien, eine Generation später standen die wichtigsten Repräsentationsbauten entlang der Ringstraße. In den 1890er Jahren wuchs Wien über den ehemaligen Linienwall hinaus in das Gebiet der früheren Vorstädte. Auch hier fanden die Verlage ein reiches Betätigungsfeld. In berühmten Ausflugsorten wie Döbling gab es malerische Ansichten. Andere Gegenden, wie die Rasterviertel um den Gürtel, wirkten bescheidener. Oft haben die neu zugezogenen Absender ein Haus markiert und vermerkt: "Hier wohnen wir jetzt."
Die Ansichtskartenindustrie beschäftigte Künstler, Gebrauchsgrafiker und Fotografen. Der Phantasie beim "Gruß aus…" schienen keine Grenzen gesetzt. Modische Potpourrikarten (mit mehreren Darstellungen und Dekorationen) oder Mondscheinkarten, auf denen die Sehenswürdigkeiten bei Nacht beleuchtet unter dem Vollmond erscheinen, erfreuten sich großer Beliebtheit. Eine Spezialität waren die patentierten Karten der Marke Meteor. Gegen das Licht gehalten, erstrahlten die Fenster der abgebildeten Gebäude in gleißendem Licht von innen.
Kurt Kospach: Alt Wien. Bildschöne Innere Stadt. Sutton Verlag Erfurt - Wien 2013. 128 S., ill., € 12,95
Große Auswahl an Sujets bot die Innere Stadt. Museumsleiter Kurt Kospach erschließt sie anhand von Künstlerpostkarten in dem Bildband in Form eines Spaziergangs. Er beginnt auf dem Karlsplatz, führt zunächst zur Silk-Ecke, zur Oper, zur Albertina zum ehem. Kärntnertortheater und zum Neuen Markt. Die folgenden Bilder zeigen, wie Restaurants und Hotels das neue Werbemedium zu nutzen verstanden. Über die Kärntner Straße gelangt man zum Stephansdom, von dessen Turm sich großartige Panoramen bieten. Hoher Markt, Ruprechtskirche, Altes Rathaus, Maria am Gestade, Freyung, der Platz Am Hof und der Graben sind die nächsten Stationen. Über den Michaelerplatz führt der Rundgang weiter zur Hofburg und zur Ringstraße. Der vom Museumsleiter vorbereitete Spaziergang geht nach dem Ring weiter zum Kai, bei der Urania wieder zur Prachtstraße, und, mit einem Abstecher zum Franziskanerplatz, vorbei am Schwarzenbergplatz zurück zur Oper. Jenseits der mehr oder minder künstlerischen Darstellung von Gebäuden geben die Karten auch Einblick in den Alltag und das Gefühlsleben ihrer Absender. Kurios, dass ein Schüler anno 1897 über das Bild der Wachablöse der Burgwache gekritzelt hat: "Ich habe heute in Physik nichtgenügend bekommen, es ist zum Verzweifeln!" Eine verschmähte Liebhaberin schrieb hingegen gestochen schön auf eine Ansicht des Volksgartens: "Ich bin sehr darüber gekränkt, dass Sie mich heute so schnöde sitzenlassen wollten. Warum diese plötzliche Sinnesänderung ?" Ganz anders erging es einer "Sie liebenden Mitzi". Sie hatte ein Bild des Rathauses ausgewählt, das (man weiß nicht, warum) den aufgedruckten Titel "Frühlingsgefühle in Wien" trägt und den schmalen weißen Rand mit romantischen Verse gefüllt. Häufig wurden die Karten, teils schon vorgedruckt, teils handgeschrieben, zu Glückwunschbilletts. Der Dank erfolgte, ebenfalls für alle einsehbar, auf den bunten Bildern, die auch gerne gesammelt wurden. So heißt es auf einer Vedute der Dominikanerkirche "Um Revanche bittet mit Sammler-Gruß …"
Hans W. Bousska: Bildschönes Meidling. Sutton Verlag Erfurt - Wien 2013. 128 S., ill., € 12,95
Mit 1. Jänner 1892 entstand aus den Gemeinden Unter- und Ober-Meidling, Gaudenzdorf, Altmannsdorf und Hetzendorf der 12. Wiener Gemeindebezirk. Fortschreitende Industrialisierung veränderte die Infrastruktur, Meidling wurde zu einem Wohnbezirk mit starkem Anteil an Betrieben und Fabriken. Hans W. Bousska, Historiker und Kustos im Bezirkmuseum, beginnt den Meidling-Band mit einem historischen Abriss. Dann folgt er mit der Gliederung den ehemaligen Vororten. Die ersten der reproduzierten Karten zeigen Ansichten, die zu ihrer Entstehungszeit so nicht mehr zu sehen waren: Das Dorf Meidling mit biedermeierlicher Staffage, die kleine Pfarrkirche, die 1733 als erste dem hl. Johannes Nepomuk geweiht wurde, Ziegelteiche um 1820, Meierei, Halterhaus und das Schloss Meidling repräsentieren, ebenso wie das alte Theresienbad, Unter-Meidling. Doch auch der Wandel dieses Bezirksteils in der Großstadt fand auf den Ansichtskarten seinen Niederschlag: Fabrik-Schornsteine, Bahn und Stadtbahn, Magistratisches Bezirksamt, viele neue Schulbauten, Arbeiterheim, Kaserne, die moderne Gatterhölzl-Kirche und Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit entstanden. Dabei greift der Autor nicht nur auf die klassischen Jahrhundertwende-Postkarten zurück, sondern stellt auch Werke zeitgenössischer Maler, wie Wilfried Zeller-Zellenberg (1981) und Michael Talik (2003) vor. Gaudenzdorf, an der Hundsturmer Linie, wird durch Blicke ins Wiental charakterisiert. Ober-Meidling war als Vergnügungsviertel mit dem "Tivoli" und "Weigl's Dreherpark" bekannt. Manches verweist auf die Nähe zu Schönbrunn, wie das Hotel "Kaiserpark" oder das Meidlinger Tor in den Schlosspark. In Altmannsdorf hat sich das bauliche Ensemble rund um die Kirche am Khleslplatz erhalten. Bei der Gesamtansicht von Hetzendorf aus der Vogelperspektive fallen Rosenkranzkirche und Schloss auf. Das barocke Gebäude, in dem sich seit 1946 die Modeschule der Stadt Wien befindet, kommt auch mit Interieur-Aufnahmen zur Geltung. Das letzte Bild zeigt die 1876 eröffnete Volksschule in der Hetzendorfer Straße. "Sie wurde 1994 abgebrochen, " schreibt Bousska, der im Vorwort gemeint hatte: "Heute ist Meidling eine großstädtische Siedlung, in der nur wenig an die vergangenen Zeiten erinnert."
Franz Mazanec: Bildschönes Döbling. Sutton Verlag Erfurt - Wien 2013. 128 S., ill., € 12,95
Der dritte Band ist Döbling gewidmet. Sein Autor ist Franz Mazanec, passionierter Sammler historischer Ansichtskarten, Verfasser mehrerer Sutton-Bildbände und ebenfalls ehrenamtlicher Museumsmann. Er weiß: "Begünstigt durch den Charakter einer Sommerfrische und eine Vielzahl von Wirts- und Heurigenstuben, deren Besitzer Wert darauf legten, mit diesen Karten Reklame zu machen, steht Döbling sicher mit an der Spitze was die Anzahl und Vielfalt der kleinen Bilddokumente betrifft. Alte Postkarten sind wie Bücher - kleine Freunde, die das Tor auftun, hinter dem sich unsere Vergangenheit versteckt." Auch hier folgt die Gliederung den ehemaligen Vororten. Ein Blick von der Hohen Warte eröffnet das Kaleidoskop, das in Döbling Straßenensembles ebenso zeigt wie Cottage-Villen und die erwähnten Reklamekarten für Gastlokale. Noch mehr davon gab es naturgemäß in Grinzing, wo die Heurigen einiges zu bewerben hatten und sich Künstler an Weingärten und romantischen Höfen lohende Motive hatten. Schloss Cobenzl findet man ebenso in diesem Kapitel wie Aussichtstürme und das berüchtigte Agnesbründl. Sievering ist mit seiner alten Kirche, Heurigen und Landschaftsdarstellungen vertreten, zu denen auch der berühmte "Himmel" (ehemals Hotel Bellevue) zählt. Ein extrabreites Panorama vom Kahlenberg leitet über nach Heiligenstadt. Die Erinnerung an den Ort ist untrennbar mit Ludwig van Beethoven verbunden. Auf der Hohen Warte befanden sich die berühmten Gärten der Freiherren Rothschild. Nussdorf, dessen mittelalterliche Struktur sich noch ahnen lässt, verdankte ebenfalls dem Wein, aber auch dem Bier - z. B. im Bockkeller - seine Beliebtheit als Ausflugsziel. In diesem Kapitel sieht man eine besondere Rarität: Auf der Potpourrikarte unterschrieben am 11. Mai 1898 die ersten Fahrgäste der von Otto Wagner konzipierten Stadtbahn. Der Architekt plante auch die Nussdorfer Schleusenanlage mit den monumentalen Löwen. Der Leopoldsberg mit dem Kahlenbergerdorf und der Kahlenberg sind die beliebtesten Hausberge der Wiener, dementsprechend oft und romantisch wurden sie abgebildet. Neustift am Walde und Salmannsdorf waren seit 1892 Teile von Währing, erst seit 1938 gehören sie zu Döbling. Man kann dem Bezirkskenner Franz Mazanec nur recht geben, wenn er meint, auch diese Weinorte hätten bis heute von ihrem Charme "und dem gewissen Etwas, das an 'Sommerfrische' erinnert, nichts verloren."